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„Die persönliche Begegnung kann viel verändern“

Pfarrer und Bürgermeister trafen sich in Klein-Umstadt zur Debatte bei „Gemeinde trifft Gemeinde“...

...über demokratische Spielregeln und die Flüchtlingssituation. Fotos: Silke Rummel

Pfarrer und Bürgermeister debattieren bei „Gemeinde trifft Gemeinde“ in Klein-Umstadt über demokratische Spielregeln und die Flüchtlingssituation

ODENWALD / KLEIN-UMSTADT. - Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kommen mit Pfarrerinnen und Pfarrern ins Gespräch und tauschen sich über Themen aus, die beide betreffen.

Das ist das Prinzip von „Gemeinde trifft Gemeinde“ – kürzlich zum zweiten Mal vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Hessischem Städte- und Gemeindebund organisiert.

Kindergärten und Kindertagesstätten sind zum Beispiel ein Thema, bei dem Kirche und Kommune miteinander zu tun haben. Von den 40 Kirchengemeinden im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald seien 17 Kirchengemeinden Träger von 19 Kindertagesstätten, sagte Dekan Joachim Meyer in seiner Begrüßung im Bürgerhaus in Klein-Umstadt.

Das Subsidiaritätsprinzip zeichne sich durch Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe aus. Gemeinschaft und gemeinsame Inhalte seien für die Menschen wichtig, bekräftigte Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. „Das Wichtigste, was Menschen erfahren können, ist Wertschätzung“, sagte Schelzke, „Wertschätzung heißt auch, an die Stärke des Anderen glauben.“

Demokratie in Gefahr?

Roßdorfs Bürgermeisterin Christel Sprößler stellte das Papier „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung“ aus Sicht der Kommunalpolitikerin vor, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) herausgegeben hat.

Demokratien lebten auch durch Konflikte und davon, dass die Menschen Verantwortung für das eigene Leben und die Gemeinschaft beziehungsweise die Gesellschaft übernähmen, heißt es darin. Durch die sozialen Medien sei eine große Verunsicherung entstanden, die auch die demokratische Streitkultur unterlaufe.

Zum einen erzeugten die Algorithmen einen eigenen Zuhörerkreis. Zum anderen sei ein dreidimensionales Koordinatensystem aus Individualisierung, Globalisierung und Digitalisierung entstanden, in dem sich die Menschen nicht mehr zurechtfänden.

„Wie kriegen wir wieder einen Sinn fürs Gemeinwesen hin?“ fragte Arno Allmann, Dekan im Dekanat Darmstadt-Land, und brachte das, was Bürgermeister wie Pfarrer umtreibt, auf den Punkt.

Lösungsansätze aus der regen Diskussion zwischen den rund 40 Pfarrern, Bürgermeistern, Dekanen, den Vertretern der Katholischen Dekanate Darmstadt und Dieburg und weiterer Verantwortlicher: Begegnungs- und Kommunikationsorte schaffen, sich persönlich treffen und nicht per Videokonferenz, politische Bildung in Kitas, Schulen und in Familien, eine verständliche Sprache sprechen, die Bürgerinnen und Bürger in schwierigen Situationen wirklich einbinden, auch wenn es aufwendig und langwierig ist, sich kritischen Themen stellen und ehrliche Antworten finden.

Er sei in der Auseinandersetzung mit der Landesregierung, berichtete Schelzke, da diese die Ballungsräume weiter verdichten wolle. Seiner Ansicht nach fördert das die Bildung von Parallelgesellschaften, Flüchtlingsfamilien hätten hingegen auf dem Land keine andere Chance als sich zu integrieren.

Wohnungssituation ist ein großes Thema

2015 gab es das erste Treffen zwischen Kommune und Kirche – just zu der Zeit, als die Flüchtlingskrise auf ihrem Höhepunkt war. Wie sieht es jetzt, zwei Jahre später aus? Rund 3400 Geflüchtete leben in Darmstadt-Dieburg, davon sei ein Großteil anerkannt, berichtete Andrea Alt, Referentin für Bildung im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald und Koordinatorin für die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit im Landkreis.

Seinerzeit sei es um Nothilfe gegangen, jetzt sei Integration das Thema. „Eine Kleiderkammer ist leichter zu organisieren als Arbeitsplätze oder gar Wohnungen.“ 2015 habe es viele Engagierte gegeben, viele davon seien weggebrochen, gleichwohl gebe es immer noch viele Hochengagierte.

„Wir brauchen einen langen Atem und Geduld, aber auch einen nüchternen und zuversichtlichen Pragmatismus“, sagte Andrea Alt. Bei der Vermittlung in Arbeit und beim Spracherwerb gebe es einen hohen Unterstützungsbedarf.

Zur Arbeitsmarktintegration läuft demnächst das Projekt „Vitamin Be“ der Evangelischen Dekanate Vorderer Odenwald und Darmstadt-Stadt an, das die Zusammenarbeit zwischen Geflüchteten, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie Haupt- und Ehrenamtlichen fördert.

Insbesondere von den Problemen mit fehlendem Wohnraum können auch die Vertreter der Kommunen und Kirchen ein Lied singen: Die Flüchtlingskrise habe diese noch verschärft, berichtete Pfarrer Frank Fuchs (Babenhausen), es sei eine Konkurrenz mit Sozialhilfeempfängern entstanden.

Sabine Allmenröder, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat Bergstraße, berichtete davon, dass es an der Bergstraße die Idee gebe, eine Mediationsstelle einzurichten, an die sich Vermieter wenden könnten, die Bedenken hätten, ihre Wohnungen zu vermieten, bei der es kommunale Bürgschaften geben könnte und eine Wohnungsnotfallvermittlung.

Das Sozialticket für sozial Bedürftige sei eine Möglichkeit, um Mobilität im ländlichen Raum, wo es viele Wohnungen gebe, zu gewährleisten. Das Misstrauen sei oft bei älteren Menschen groß, berichteten Bürgermeister und Pfarrer übereinstimmend.

Deshalb hätten sie immer wieder Menschen eingeladen, die von ihren Fluchterfahrungen berichteten, sagte Pfarrer Christoph Mohr (Nieder-Ramstadt). „Die persönliche Begegnung kann viel verändern.“

HINTERGRUND

„Gemeinde trifft Gemeinde“ geht auf die Initiative von Karl-Christian Schelzke vom Hessischen Städte- und Gemeindebund und Dr. Maren Heincke vom Referat Ländlicher Raum des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN zurück.

Die Zusammenkunft dient dem Austausch zwischen kommunaler und kirchlicher Gemeinde bei Themen wie Kindergarten, Sonntagsschutz, Flüchtlinge, Pfarrstellenbemessung. Die Treffen haben Modellcharakter, denn Vergleichbares gab es bislang nicht.

Die Wahl ist laut Maren Heincke deshalb auf den Landkreis Darmstadt-Dieburg gefallen, weil es hier besonders gute Kontakte zwischen Kommunen und Kirchen gibt.