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Affäre Standortmarketing und kein Ende: Kreisgremien erneut gefordert

Die Gremien des Odenwaldkreises im Erbacher Landratsamt (Foto) haben sich erneut mit dem leidigen Thema Standortmarketing zu beschäftigen. Nach dem Haupt- und Finanzausschuss wird am kommenden Montag auch der Kreistag über weitere Finanzmittel für das gescheiterte Projekt zur Verfügung stellen müssen. Foto: djv-Bildportal

Kostenträchtige Vergleiche sollen von Ex-Landrat Dietrich Kübler hinterlassene Altlasten beseitigen + + + Michael Gänssle (ÜWG) räumt ein: „Wir haben bei der Auftragsvergabe Fehler gemacht“

ODENWALDKREIS. - Seit mehr als drei Jahren beschäftigt die Affäre Standortmarketing die Bürger des Odenwaldkreises. Ein Ende der durch den früheren Landrat Dietrich Kübler ausgelösten Misere ist indes noch längst nicht in Sicht. Aktuell beschäftigen sich mal wieder die Kreisgremien mit dem leidigen Thema.

So waren erneute Kosten, die den Gesamtschaden in Richtung einer halben Million Euro bringen werden (siehe auch FACT-Beitrag „Alte Seilschaften dominieren unter neuer Führung: Kuhhandel zu Lasten des Steuerbürgers“ unter: http://www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews), jetzt auch Thema in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses des Odenwaldkreises, die der Kreistagssitzung am kommenden Montag, 4. Juli, vorgeschaltet war.

Landrat Frank Matiaske machte im Haupt- und Finanzausschuss deutlich, dass es sich insgesamt um mindestens drei Themenkomplexe handelt, die sich mit dieser Materie aktuell noch beschäftigen. Das ist einerseits eine Verwaltungsgerichtsklage, die der Odenwaldkreis angestrengt hat, und mit der er sich gegen die vermeintlich ungerechtfertigte Kürzung des ursprünglichen Zuschussbetrags aus EU-Mitteln durch die landeseigene WI-Bank (Offenbach) um rund 70.000 Euro zur Wehr setzt.

In diesen Themenkomplex fallen auch die noch immer andauernden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Ex-Landrat und die OREG, die den Bereich der Schadensverursachung und einer damit möglicherweise in Verbindung stehenden strafrechtlichen Relevanz betreffen.

Der zweite Bereich umfasst eine Klage, die der im Bieterverfahren um das Standortmarketing durch das Eingreifen Küblers in das Auswahlverfahren der letztlich obsiegenden Erbacher Marketingagentur Lebensform unterlegene Mitbewerber VPS-Media (Mümling-Grumbach) gegen den Odenwaldkreis und die für den Kreis handelnde Tochter Odenwald Regionalgesellschaft mbH (OREG) angestrengt hat.

Die Firma VPS klagt bekanntlich gegen Kreis und dessen Tochter OREG auf unrechtmäßig entgangenem Gewinn. In diesem Fall empfahl die zuständige Kammer beim Landgericht Darmstadt den streitenden Parteien angesichts der schwierigen und damit langwierigen und letztlich auch kostenträchtigen Situation einen Vergleich.

Die von den Richtern vorgeschlagene Vergleichssumme von „nur“ 14.000 Euro, die der Odenwaldkreis der Agentur zahlen soll, stelle angesichts des unüberschaubar hohen Prozessrisikos für beide Seiten „das kleinere Übel“ dar.

Das aktuell dritte Verfahren, einem noch nicht endgültig geschlossenen Vergleich zwischen der Odenwald Tourismus GmbH (OTG) und der klagenden Firma Lebensform GmbH, der ebenfalls auf richterlichen Vorschlag des Landgerichts Frankfurt beruht, auf endgültige Übertragung der Nutzungsrechte an der Wort-Bild-Marke der OTG >Odenwald - Auf Natur umschalten< und dem anschließend auch dem Odenwaldkreis verkauften identischen Logo mit der lediglich abweichenden Untertitelung >Odenwald – Nachhaltig. Innovativ.< „tangiert den Kreistag in keiner Weise“, sagte Matiaske.

Er habe mit der Offenlegung der aktuellen Situation lediglich größtmögliche „Transparenz herstellen“ wollen. In diesem Zusammenhang bedürfe lediglich eine Beschlussfassung des Kreistags vom Juli 2014 der Klarstellung, die in der kommenden Sitzung erfolgen soll.

Damals hatte der Kreistag beschlossen, aufgrund des Doppelverkaufs des Logos an OTG und Odenwaldkreis und weiterer Misstöne in der Zusammenarbeit zwischen dem Odenwaldkreis und seiner Töchter die Zusammenarbeit mit der Firma Lebensform in Sachen Standortmarketing mit sofortiger Wirkung zu beenden und schloss eine weitere Zusammenarbeit mit der Agentur in diesem Bereich aus.

Dieser Beschluss wurde jedoch missverständlich formuliert, sodass jetzt ein Klarstellungsbeschluss erfolgen müsse, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.

„Der Landrat befreit sich von Altlasten in souveräner Art“, konstatierte CDU-Fraktionschef Harald Buschmann und ergänzte: „Auch ich habe keine Lust mehr, mit diesen Dingen weiterzumachen und in alten Sachen rumzuwühlen.“

Er erinnerte daran, dass „vor über einem Jahr die Firma Lebensform eine Lösung angeboten habe, die „für die Hälfte des jetzt zu zahlenden Betrags zu haben“ gewesen sei. Nicht zuletzt deshalb seien strukturelle Änderungen bei der OTG vonnöten.

Für die SPD erklärte deren Fraktionsvorsitzender Raoul Giebenhain, hier würden aktuell keine richtungsweisende Entscheidungen über das noch ausstehende Verfahren der WI-Bank getroffen, vielmehr stehe nach wie vor im Raum „wer hier den Kopf hinzuhalten hat“, wenn WI-Bank und Staatsanwaltschaft die Problematik aufgearbeitet hätten.

Elisabeth Bühler-Kowarsch stellte für die Fraktion von Bündnis90/GRÜNE klar: „Wir haben nach wie vor kein Vertrauen in eine weitere Zusammenarbeit, und „können einer Blanko-Reinwaschung der Firma Lebensform nicht zustimmen“, auch wenn die jetzt zu treffenden „Entscheidungen aus prozessökonomischen Gründen nachvollziehbar“ seien. In jedem Falle aber müsse das Vergabeverfahren noch aufgeklärt werden.

Vor diesem Hintergrund könne sie der Beschlussempfehlung zur Eröffnung der Möglichkeit weiterer Zusammenarbeit zwischen den Kreisorganen und der Agentur Lebensform nicht zustimmen.

Michael Gänssle (ÜWG) vertrat die Auffassung, die Firma VPS-Media habe durchaus das Recht, Geld einzuklagen, „denn wir haben bei der Auftragsvergabe Fehler gemacht“. Bezüglich des Vergleichs zwischen der OTG und der Lebensform sah er die Geschäftsführerin der OTG in der Pflicht, die ihre Kompetenzen mit dem inzwischen gekündigten Agenturvertrag überschritten habe.

Dem entgegnete Kreistagsvorsitzender Rüdiger Holschuh, der Agenturvertrag stehe hier nicht im Fokus, denn der Vergleich basiere lediglich auf der Bewertung des Urheberrechts für die ursprünglich für die OTG geschaffene Wort-Bildmarke für die der OTG sogar exklusive Nutzungsrechte eingeräumt worden waren.

Ausschussvorsitzender Eric Engels (CDU) empfahl abschließend den Vergleich mit der Firma VPS-Media und den klarstellenden Beschluss zur künftigen Zusammenarbeit mit der Firma Lebensform dem Kreistag zu empfehlen. Dieser Beschlussempfehlung entsprachen sieben Mitglieder bei einer Gegenstimme durch die GRÜNEN.