Erste Schritte zur Aufwertung eines Odenwälder Wahrzeichens
Einzigartige Kooperation: Studierende entwerfen Ideen für Burgruine Freienstein in GammelsbachGAMMELSBACH. - Der Plan, der Burgruine Freienstein in Gammelsbach eine neue Perspektive zu geben, hat einen kräftigen Schub bekommen.
Anfang Mai haben angehende Landschaftsplaner der Hochschule Geisenheim University und Architekturstudenten der Technischen Universität (TU) Darmstadt die in der neuen Stadt Oberzent im südlichen Odenwaldkreis gelegene Burgruine in Augenschein genommen, für die sie in einer Projektarbeit Ideen entwickeln wollen.
Auf diese einzigartige Kooperation hatten sich die Stadt Oberzent, zu der Gammelsbach gehört, Vertreter des Odenwaldkreises und das hessische Landesamt für Denkmalpflege mit den Hochschulen verständigt.
Die Studierenden sehen der Aufgabe mit Spannung entgegen: „Etwas in dieser Form in einem historischen Kontext planen zu können, gibt es nicht noch einmal“, sagt Johanna Moraweg. Sie absolviert den Masterstudiengang Landschaftsarchitektur an der Hochschule Geisenheim University.
Ähnlich sieht es auch Valentin Braun, der sich an der TU Darmstadt auf seinen Master in Architektur und Stadtplanung vorbereitet. „Der Umgang mit Geschichte ist ein extrem modernes Thema.“
Als reizvoll empfindet er es außerdem, einmal nicht etwas für einen städtischen Raum zu planen, sondern sich mit einem „spannenden Projekt tief im Odenwald zu befassen“.
Insgesamt beteiligen sich 21 Studierende an dem Projekt, zwölf aus Geisenheim und neun aus Darmstadt. In gemischten Kleingruppen wollen sie ihre Ideen entwickeln und sie am 20. Juli der Öffentlichkeit vorstellen.
Bis dahin werden sie noch einmal zu einem zweitägigen Workshop nach Gammelsbach kommen. Moraweg und Braun freuen sich auf die produktive Phase, die nun vor ihnen liegt, wohl wissend, dass es sich bei der Burgruine um einen „sensiblen Ort“ handelt, wie es Moraweg ausdrückt.
Die Eigentümer der Anlage, die Vertreter von Stadt und Kreis sowie das Landesamt für Denkmalpflege versprechen sich von den Entwürfen der Studenten wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Areals.
„Ich setze große Hoffnungen auf die Ideen und freue mich über das große Interesse der Studenten“, sagt Andreas Tilly. Er ist als Erbbauberechtigter im Besitz der Burgruine und hat die Besuchergruppe durch das Anwesen geführt.
Grundstückseigentümer ist nach wie vor das Grafenhaus Erbach-Fürstenau, das Tilly das Areal in Erbpacht überlassen hat. Louis Graf zu Erbach-Fürstenau liegt ebenfalls daran, dass die Burgruine zugänglich ist – etwa für Schulausflüge oder Hochzeiten.
„Sie sollte multifunktional genutzt werden können“, gibt er den Studierenden mit und führt ihnen die historische Bedeutung des Objekts vor Augen: „Die Burg Freienstein war der Kern des südlichen Odenwalds. Es gibt in Oberzent nur wenige Denkmäler dieses Ranges.“
Auch die Verantwortlichen der Stadt wollen, dass sich etwas ändert. „Ich wünsche mir, dass Freienstein wieder zu einem Anlaufpunkt wird. Das käme auch den Hotels und Pensionen bei uns zugute“, sagt Egon Scheuermann, der kommissarische Bürgermeister der zum 1. Januar 2018 gegründeten Stadt Oberzent.
Konkrete, damit verbundene Fragen gibt es genug: etwa die nach der Zuwegung, an der genauso gearbeitet werden müsste wie daran, welche Form der Gastronomie man auf der Burgruine haben will und wie für sie touristisch zu werben wäre, damit auch Besucher von außerhalb zu ihr finden.
Die Konzeptentwicklung vorantreiben soll die „Perspektivgruppe Freienstein“, die im Dezember vergangenen Jahres gegründet wurde. In ihr sind die Eigentümer und alle relevanten Akteure von Stadt, Kreis und Landesdenkmalamt vertreten. Geleitet wird die Gruppe vom Kreisbeigeordneten und Vorsitzenden des Kreis-Denkmalbeirats, Dr. Michael Reuter.
Auslöser für die Gründung des Gremiums war ein großes Symposion zur Zukunft der Burgruine, das im September 2017 stattfand und an dem auch Landrat Frank Matiaske und der Präsident des Landesamts für Denkmalpflege, Dr. Markus Harzenetter, teilgenommen haben.
„Mir ist es wichtig, dass es für die Anlage ein tragfähiges Konzept gibt“, so Landrat Matiaske. Angesichts der Neugründung der Stadt Oberzent sowie des großen Interesses des Landesdenkmalamts und der beiden Hochschulen an der Burgruine sieht Reuter eine „historische Chance“, dem Areal eine Zukunft zu geben.
„Außerdem haben wir die Möglichkeit, Denkmal- und Naturschutz auf eine ganz neue Weise miteinander zu verknüpfen und können damit auch überregional ein Vorbild sein.“ Es müsse auf dem langen Weg zu einem Konzept für Freienstein noch über viele Details gesprochen werden, doch auch er freue sich über den ersten Schritt, der nun gemeinsam mit den Studierenden gegangen werde.
Mitglieder der Perspektivgruppe haben den Studierenden bei deren Besuch Rede und Antwort gestanden und ihnen einige Rahmendaten für ihre Projektarbeit mitgegeben. Konkrete Vorgaben gab es absichtlich nicht, um die Kreativität nicht einzuschränken.
Nach Ansicht von Dr. Meinrad von Engelberg, Studienkoordinator des Fachbereichs Architektur an der TU Darmstadt, kann die Burgruine Freienstein ein „positives Identifikationsobjekt“ für die neue Stadt Oberzent werden, deren „symbolisches Zentrum“.
Auch diese Erwägungen und die Frage, welche Aufgaben ein solches Zentrum heute hätte, können in die Überlegungen der Studenten einfließen.
Engelberg leitet das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Constanze Petrow vom Fachgebiet Freiraumplanung der Hochschule Geisenheim University.
Für beide ist die Form der Zusammenarbeit mit sehr unterschiedlichen Vertretern aus Politik, Verwaltung und Landesdenkmalamt außergewöhnlich und deswegen reizvoll, „nicht zuletzt, weil es sich bei der Burgruine Freienstein um ein besonderes Objekt handelt und die Studierenden mit ihren Ergebnissen auf ein echtes Interesse in der Bevölkerung stoßen“.
Das werden Moraweg, Braun und ihre Kommilitonen vor allem am 20. Juli merken, wenn sie ihre Konzepte der Öffentlichkeit präsentieren.
„Es wird eine große Breite an Vorschlägen geben“, ist Engelberg sicher. Nun befassen sich die Studenten aber zunächst mit Plänen und anderen Dokumenten über die Burgruine, deren Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, und entwickeln erste Ideen.
Diese werden sowohl in Besprechungen in den beiden Hochschulen weiterentwickelt als auch in einem Workshop in Gammelsbach, der am 22.und 23. Juni stattfindet.
Den Bürgerinnen und Bürgern liegt viel an „ihrer“ Burg. Einer von ihnen, Frank Leutz, ist deswegen auch Mitglied der Perspektivgruppe geworden und gibt den Studierenden mit: „Dem Wahrzeichen soll wieder Leben eingehaucht werden.“