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Lebensform-Connection: Erbacher Parlamentsfraktionen hinterfragen Zusammenarbeit

ÜWG und SPD im Erbacher Stadtparlament wollen von Bürgermeister Harald Buschmann (Foto) wissen, ob die Auftragsvergaben der Stadt Erbach an die Agentur Lebensform rechtens zustande gekommen sind. Archivfoto: pdh

SPD und ÜWG im Erbacher Stadtparlament wollen von Bürgermeister Harald Buschmann Details über Auftragshöhe, Vergabe- und Abwicklungsmodalitäten mit der Erbacher Werbeagentur wissen + + + Droht möglicherweise erneut ein Prozess?

ERBACH. - Der Strafprozess in der sogenannten Standortmarketing-Affäre gegen den früheren Landrat des Odenwaldkreises Dietrich Kübler ist nach nunmehr elf Sitzungsterminen noch nicht zu Ende, und schon steht die in diesem Fall protegierte Erbacher Agentur Lebensform GmbH erneut im Mittelpunkt einer neuen, nach Insider-Informationen noch deutlich größeren Affäre um Bürgermeister Harald Buschmann in der Odenwälder Kreisstadt Erbach.

Am kommenden Mittwoch, 20. Dezember, wird mit dem 12. Prozesstag das Strafverfahren gegen Dietrich Kübler mit den Plädoyers fortgesetzt und möglicherweise auch mit einem Urteil abgeschlossen.

Dem Ex-Verwaltungschef des Odenwälder Landratsamts in Erbach wird von der Staatsanwaltschaft Darmstadt bekanntlich Untreue im Amt vorgeworfen, weil er im Zusammenhang mit einem EU-geförderten Standortmarketing-Projekt die Erbacher Firma Lebensform GmbH seines Wahlkampfmanagers und Nachbarn Johannes Kessel gezielt bevorzugt haben soll.

Der Odenwaldkreis hat deshalb wegen nicht ausgezahlter Fördermittel einen Nominalschaden von rund 100.000 Euro zu beklagen, und im Verlauf von Prozessen und Gutachten sowohl des Kreises als auch der kreiseigenen Tochterunternehmen mit und gegen Lebensform einen Gesamtschaden von rund einer halben Million Euro erlitten.

Möglicherweise größere Affäre in der Kreisstadt Erbach?

Noch vor Prozessende des spektakulären Kübler-Prozesses bahnt sich jetzt möglicherweise eine noch größere Affäre in der Odenwälder Kreisstadt Erbach mit deutlich höheren Summen und ebenfalls möglicher juristischer Aufarbeitung an. Und einmal mehr steht die streitbare Erbacher Agentur Lebensform im Mittelpunkt dieses erneut dubiosen Geschehens.

Seit Beginn der Bürgermeisterära Harald Buschmann im Jahr 2000 in Erbach ist der Inhaber der Lebensform-GmbH, Johannes Kessel, als Wahlkampfmanager des Kreisstadt-Verwaltungschefs tätig, und wird analog zur Standortmarketing-Affäre im Odenwaldkreis auch von Harald Buschmann bevorzugt für alle Werbemaßnahmen mit Aufträgen bedacht.

Rechtskonformes Handeln von Bürgermeister Buschmann auf dem Prüfstand

Inwieweit das rechtskonform geschieht, ist aktuell noch nicht geklärt und Gegenstand eines am Donnerstag, 14. Dezember, im Rahmen einer Stadtverordnetensitzung von SPD und ÜWG gemeinsam gestellten Antrags zur Aufklärung.

Mit diesem Antrag an den Magistrat der Kreisstadt Erbach wollen die beiden Fraktionen im Erbacher Stadtparlament alle Details rund um die Zusammenarbeit der Stadt Erbach mit der Agentur Lebensform GmbH wissen.

Insbesondere begehren die beiden Fraktionen Auskunft darüber, wie hoch die Gesamt-Auftragssumme ist, die von der Stadt Erbach an die Firma Lebensform in den Jahren 2002 bis 2017 vergeben wurde.

Frühere Auskünfte an GRÜNEN-Fraktion unter Datenschutz gestellt

Die Umsätze der Stadt Erbach mit der Firma Lebensform hatte die Fraktion der GRÜNEN im Erbacher Stadtparlament schon einmal im Jahr 2013 erfragt, und damals von Bürgermeister Buschmann auch eine detaillierte Liste der Umsätze aus den Jahren 2000 bis zum Herbst 2013 erhalten.

Unter völliger Missachtung der geltenden Gesetze und vor allem der Bestimmungen der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) hatte Buschmann diese Auskunft mit dem Hinweis auf Datenschutz unter strenge Verschwiegenheitspflicht gestellt. Sein damaliger Hinweis auf §24 der HGO, der die Verschwiegenheitspflicht regelt, offenbarte seine völlige Unkenntnis der HGO-Regelungen.

Haushaltsmittel unterliegen keiner Geheimhaltung, Ausgaben sind transparent zu machen

Originäre Aufgabe eines Parlaments ist neben der Gesetzgebung auch die uneingeschränkte Überwachung der Verwaltung. Bei den öffentlichen Aufträgen der Stadt Erbach an die Firma Lebensform handelt es sich, wie in zahllosen anderen Fällen auch, um Aufträge aus öffentlichen Haushaltsmitteln der Stadt Erbach und diese unterliegen eben ausdrücklich keiner Geheimhaltung und schon gar keines Datenschutzes.

Vor dem Hintergrund des in den vergangenen Monaten im Kübler-Prozess noch einmal deutlich gewordenen recht eigenwilligen und streitbaren Geschäftsgebarens des Lebensform-Geschäftsführers, wollen die Fraktionen von ÜWG und SPD im Erbacher Stadtparlament nunmehr die Geschäftsbeziehung der von Harald Buschmann geführten Stadtverwaltung zur Agentur Lebensform im Detail prüfen.

Harald Buschmann bei dubiosem Geheimtreffen und als Lebensform-Akquisiteur aktiv

Buschmann selbst war zuletzt im Kübler-Prozess deutlich ins Gerede gekommen. Er war zusammen mit seinem ebenfalls damals Sach- und Gremien-orientiert völlig unbeteiligten Reichelsheimer Bürgermeisterkollegen Stefan Lopinsky, der auch zur so genannten Kessel-Connection gerechnet wird, während der Landratsära von Dietrich Kübler an einem dubiosen „Geheimtreffen“ im Lebensform-Büro beteiligt.

Dabei wurde vor Aufsichtsratsmitgliedern angeregt, die Lebensform-kritische Geschäftsführerin der Odenwald-Tourismus-GmbH (OTG), Kornelia Horn, zu entlassen und durch den Lebensform-affinen Reichelsheimer Verwaltungsmitarbeiter Jochen Rietdorf zu ersetzen (siehe dazu FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

Nach eindeutiger Zeugenaussage war Harald Buschmann auch gemeinsam mit dem Ex-Landrat zur Kundenakquise für Lebensform bei seinem Bürgermeisterkollegen Stefan Kelbert in der Nachbarstadt Michelstadt vorstellig geworden (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

Umfangreicher Fragenkatalog zur städtischen Zusammenarbeit mit Lebensform

Die deshalb jetzt gemeinsame, von den beiden Fraktionschefs Tobias Stock (ÃœWG) und Gernot Schwinn (SPD) unterzeichnete Anfrage an die Stadtverwaltung Erbach hat folgenden Wortlaut:

> Sehr geehrter Herr Buschmann, sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund der jüngsten Berichterstattung durch die einschlägigen bekannten Odenwälder Medien sehen wir uns gezwungen im Sinne des Allgemein-Interesses folgende Anfrage an die Stadt Erbach zu stellen:

- Wie hoch ist die Gesamt-Auftragssumme die die Stadt Erbach an die Firma Lebensform von 2002 bis 2017 vergeben hat?

- Für die Jahre 2014 bis 2017 wünschen wir eine Liste der Einzelaufträge

> Unterteilt in

a) Anfrage eines Auftrages durch die Stadt Erbach (mit Adressatenkreis)

b) Angebot durch die Firma Lebensform (und Vergleichsangebote) / Datum & Summe

c) Vergabe-Schriftverkehr des Auftrags

d) Fertigstellung und Rechnungsstellung durch Lebensform

e) Rechnungshöhe

f) Unter welchen Kostenstellen / Sachkonten wurden die Rechnungen gebucht?

- Für die o.g. Liste der Einzelaufträge wünschen wir diesen Schriftverkehr als Kopie (gerne in digitaler Form)

- Wurde zu jedem vergebenen Auftrag ein Vertrag geschlossen oder basiert das Auftrags- bzw. Vertragsverhältnis jeweils immer nur auf Anfrage/Angebot und Auftragsvergabe?

- Gibt es Rahmenverträge mit der Firma Lebensform (wenn ja – Kopie der Verträge)?

- Sind alle Rechte an Entwürfen, Bilder, CI, Layouts, die Verwendung finden in bspw. Homepage, Printmedien (Briefkopf), Plakaten und sonstigen Druckmedien die mit dem neuen CI-Layout erstellt wurden, und durch Lebensform erstellt wurden, im Besitz der Stadt Erbach?

- Sind alle o.g. Positionen aktuell bezahlt?

- Ist im Falle einer Beendigung der Zusammenarbeit mit Lebensform mit Rechtsstreitigkeiten zu rechnen? Und falls ja, wer haftet in diesem Fall?

- Welche Firmen haben die Printmedien, Planen und Plakate (Märkte) hergestellt?

- Wer hat die inhaltlichen Texte für die Webseite und die Printmedien erstellt und gab es für diese Tätigkeiten Vergleichsangebote? <

„Im Sinne der Bürger bei Auftragsvergaben transparent agieren“

In ihrer Begründung zur Anfrage führen die beiden Fraktionschefs an, die Mandatsträger seien sich bewusst, dass die Firma Lebensform ein Erbacher Unternehmen ist, das Gewerbesteuern bezahle. „Nichtsdestotrotz ist es in unserem Interesse im Sinne der Bürger bei Auftragsvergaben transparent zu agieren. Lebensform ist aufgrund des Geschäftsgebarens mit dem Odenwaldkreis und anderen Kommunen in der Vergangenheit kritisch zu hinterfragen.“

Die ÜWG Erbach und die SPD Erbach sähen es als ihre Verpflichtung an, aufgrund der aktuellen Informationslage und den Berichterstattungen durch die Medien die entsprechenden Fragen zu stellen und diese auch final zum Wohle der Stadt, den Bürgern und nicht zuletzt den Angestellten der Stadt zu klären.

Antworten erwarten die beiden Fraktionen bis 12. Januar 2018

„Wir wollen keine Negativpresse erleben wie dies aktuell durch manche Berichterstattung dargestellt wird. Daher gehen wir davon aus, dass uns o.g. Informationen zu unserer und natürlich auch aller Zufriedenheit gegeben werden können, und dass dieses Thema für jedermann transparent dargestellt werden kann und schlussendlich auch zum Abschluss gebracht werden wird.“

Die Beantwortung der Fragen erwarten die beiden Fraktionen im Erbacher Stadtparlament bis zum Freitag, 12. Januar 2018.