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Wenn Pfeffersäcke und Schlitzohren durch die Altstadt ziehen

Alles dreht sich um Sprichwörter und deren Bedeutung in der neuen Themenführung „Von Pfeffersäcken und Schlitzohren“ in der die Gästeführerinnen Corinna Panayi-Konrad (links) und Birgit Klar durch die Altstadt von Michelstadt führen. Foto: Kulturamt Michelstadt

Neue Stadtführung macht neugierig auf Sprichwörter und Redensarten

MICHELSTADT. - Na, das kann ja heiter werden. Soll es auch, aber niemand braucht Angst davor zu haben, dass man ihm „einen Bären aufbinden“ will.

So viel versprechen die beiden erfahrenen Gästeführerinnen ihren Besuchern, die sie auf ihrer neuen Themenführung „Von Pfeffersäcken und Schlitzohren“ durch die Altstadt von Michelstadt begleiten wollen.

„Bei diesem Rundgang wird niemand auf den Holzweg geführt“, versichert Corinna Panayi-Konrad mit einem Augenzwinkern. Und Birgit Klar steigert die Neugierde: „Da bleibt es nicht aus, auch aus dem Nähkästchen der Michelstädter Stadtgeschichte zu plaudern“.

Auf die Idee, die klassische Altstadtführung durch die Erklärung von Sprichwörtern und Redensarten an jeweils passender Stelle aufzuwerten, sind sie gemeinsam gekommen.

Die mittelalterliche Kulisse bietet sich geradezu dafür an, stelle man sich gleich zu Beginn einen Nachtwächter vor, der „von Tuten und Blasen“ keine Ahnung hat. Schier unmöglich! Denn bei Gefahr ins Horn zu stoßen und die Öllampen der Straßenlaternen mit einem Blasebalg auszublasen, war das Allerwichtigste und durfte auf keinen Fall schief gehen.

„Nach anderthalb Stunden werden Sie etwas auf dem Kasten haben“, hiermit verspricht Corinna Panayi-Konrad nicht zu viel. In der Themenführung wird keine der relevanten Sehenswürdigkeiten der Altstadt ausgespart. Unterhaltsam, nicht belehrend, lenken die Gästeführerinnen ihre Zuhörer durch die Gassen.

Am Marktbrunnen erklären sie, dass ein Laufbrunnen nicht dafür gedacht war, um dort „schmutzige Wäsche zu waschen“. Hierzu trafen sich die Frauen vom Dorf im doppelten Sinne am Bach; über andere getratscht wurde aber auch beim Wasserholen am Brunnen. Wert legen die beiden Frauen darauf, dass es oft verschiedene Interpretationen gibt, wie ein Sprichwort entstanden sein kann und wofür es in erster Linie steht.

Beim „Pfeffersack“ handelt es sich ursprünglich um einen Kaufmann, der mit dem Handel von Gewürzen reich geworden ist. „Um zu zeigen, dass er Geld hat, wurde das Essen oftmals mit Pfeffer überwürzt gereicht“, erklärt Birgit Klar. In der Öffentlichkeit prahlte er gerne damit, indem er den Pfeffer in einem Säckchen am Gürtel stets mit sich trug.

Unter einem „Schlitzohr“ dagegen ist ein durchtriebener Mensch zu verstehen. War er Zimmermannsgeselle und hatte grob gegen Regeln verstoßen, wurde ihm der Ohrring ausgerissen, genügt diese bildhafte Erklärung? Am früheren Gasthaus „Goldener Löwe“ angekommen, kommt Corinna Panayi-Konrad darauf zu sprechen, wie es ist, etwas „auf dem Kerbholz zu haben“.

Einfach, aber sehr praktisch: „Das Kerbholz war ein Schuldbuch – ein aus zwei gleichen Teilen bestehendes Holzstück, in das Schulddaten eingeritzt wurden. Sie konnten passgenau übereinandergelegt werden. Das eine Kerbholz bekam der Gläubiger, das andere der Schuldner. So konnte man beim Wirt anschreiben lassen.“

Und am Ende hat bestimmt jeder „etwas auf dem Kasten“, dem „gefüllten Hirnkasten“, wie bis in das Mittelalter hinein die anatomische Erklärung für Klugheit lautete. Man könnte auch sagen, dass allen „ein Licht aufgegangen“ ist. „Licht steht für die Erkenntnis im biblischen Sinne“, fügt sie hinzu.

Anders der „Holzweg“, der in die Irre geführt hat. Er steht für geschlagenes Holz, das das Weitergehen im Wald verhindert. Übrigens: Im Nähkästchen wurden nicht nur Liebesbriefe aufbewahrt. Über 50 Sprichwörter und Redensarten haben die beiden Gästeführerinnen zusammengetragen und passend in den Rundgang eingearbeitet.

Geführt werden die Gruppen immer von einer der beiden Damen, die Michelstadt auf sympathische Weise den interessierten Gästen näherbringen. So tragen auch die Kulinarische Führung oder die „Bier(ver)führung“ ihre Handschrift. „Michelstadt immer wieder mit anderen Augen neu entdecken“, spornen sie sich gegenseitig an, sich mit dem Vorhandenen nicht abzugeben.

Die „Pfeffersäcke und Schlitzohren“ werden bestimmt nicht ihre letzte Idee gewesen sein. Um mehr zu verraten, ist es aber noch zu früh. Oder hat jemand schon „etwas läuten hören“?

INFOS

Die Führung „Von Pfeffersäcken und Schlitzohren“ wird vom Kulturamt der Stadt Michelstadt als öffentliche Führung an vier Terminen in diesem Jahr angeboten und ist zugleich buchbar für Gruppen mit Terminvereinbarung.

Die Veranstaltung dauert etwa 90 Minuten. Gruppen von bis zu 20 Personen zahlen pauschal 65 Euro; für jede weitere Person 3 Euro zusätzlich. Die öffentlichen Führungen werden angeboten am 9. April (17 Uhr), 26. Juni (17 Uhr), 11. Juli (11 Uhr) und 8. November (11.30 Uhr) und kosten pro Person 5 Euro.

Alle Führungen beginnen auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus. Weitere Infos und Anmeldungen über die Gästeinformation am Marktplatz oder telefonisch unter 06061/74-610.