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KOMMENTAR: „Lex Spezialis 2.0“ für den Erbacher Bürgermeister

Im Jahr 2006 wollte der damalige Michelstädter Bürgermeister Reinhold Ruhr eine „Lex Spezialis“ für Erbach und Michelstadt erarbeiten und diese vom Hessischen Landtag beschließen lassen, um die angedachte Fusion der beiden Städte schnellstmöglich realisieren zu können.

Das Ergebnis ist bekannt: die Menschen beider Städte votierten in getrennten Bürgerentscheidungen jeweils gegen die Fusion.

Knapp 20 Jahre später fordert der aktuelle Erbacher Bürgermeister Dr. Peter Traub zwar keine „Lex Spezialis 2.0“ vom hessischen Innenministerium für Erbach, schafft diese vielmehr gleich selbst und handelt gleichermaßen nach einer solchen.

Demzufolge legt er die Hessische Gemeindeordnung (HGO) je nach Bedarf exklusiv gemäß der von ihm und für ihn konzipiertern „Lex Spezialis Erbach 2.0“ aus.

Wenige Tage vor seiner Wiederwahl für eine zweite Amtszeit befand der Erbacher Verwaltungschef bei einer Wahlveranstaltung recht sachlich und durchaus HGO-konform: „gerade hier in Hessen kann der Bürgermeister ja fast nichts alleine entscheiden, sondern es ist letztlich immer eine Entscheidung des Magistrats oder des Parlaments“.

Bei der aktuellen Bürgerversammlung rund drei Wochen später hörte sich das völlig anders an. Jetzt widersprach Traub dem Parlamentsvorsteher, der ihm die Vorgaben der HGO vorgehalten hatte, indem er sagte, das Parlament gebe nur den Rahmen vor und er habe Gestaltungsspielraum und könne sehr wohl Entscheidungen treffen.

Darüber hinaus ließ er auf Presseanfragen hin seine Hauptamtsleiterin mitteilen, Bonitätsprüfungen bei Erwerbern von städtischen Grundstücken, seien beim Verkauf nicht üblich.

Auch sei die eidestattliche Erklärung des Projektierers eine privatrechtliche Angelegenheit zweier Menschen, die mit der Stadt Erbach nichts zu tun habe, sagte der Bürgermeister an anderer Stelle.

Damit hat er bedingt Recht, denn ja, es ist durchaus eine privatrechtliche Auseinandersetzung zwischen zwei Geschäftspartnern, in deren Folge der Projektierer des Erbacher Südstadtprojekts eine eidesstattliche Erklärung abgegeben hat, wie Peter Traub richtig bemerkt.

Diese wird aber durch den Projektierer selbst in dessen Erklärung zur städtischen Angelegenheit, indem er bekundet auch das von der Stadt Erbach erworbene Grundstück nicht selbst bezahlen zu können, sondern als vermögensloser Rentner dieses finanzieren zu müssen.

Ob es einem "in bescheidenen Lebensverhältnissen lebenden vermögnslosen Renter", wie der Projektierer sich selbst bezeichnet, gelingt, ein mehrere Millionen umfassendes Projekt zu finanzieren, darf zumindesst stark bezweifelt werden.

Und beim Fehlbedarf von mittlerweile 140 Kitaplätzen in Erbach ruderte der Bürgermeister bei der Bürgerversammlung zurück. Hatte er noch vor drei Wochen das Stadtparlament für Versäumnisse bei der rechtzeitigen Schaffung weiterer Kitaplätze an den Pranger gestellt (Zitat: „Wir von der Verwaltung wären schon deutlich weiter.“), musste er sich jetzt vom Parlamentsvorsteher die Realitäten vorhalten lassen.

Denen zufolge hat das Parlament sich ausschließlich an den Verwaltungsvorlagen orientiert, wollte aus Transparenzgründen und völlig HGO-konform die Sachentscheidungen der Verwaltung im Blick behalten. Das alles sei protokolliert und entsprechend nachzulesen, sagte Duarte.

Dazu richtete dann Peter Traub kleinlaut einen Appell an alle Mandatsträger, nur gemeinsam könne eine gute Lösung gelingen. Es sei schließlich müßig, darüber zu debattieren, wo die Verantwortung für die Verzögerung bei der rechtzeitigen Bereitstellung der Kitaplätze liege.

Wie befand doch Konrad Adenauer, als er während seiner Kanzlerschaft auf eine widersprüchliche Aussage angesprochen wurde: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“

Falls Erbachs Bürgermeister Dr. Peter Traub auch den zweiten Teil des entsprechenden Adenauer-Zitats („Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden.“) beherzigt, dann könnten der Odenwälder Kreisstadt Erbach sechs erfolgreiche Jahre bevorstehen.