Flüchtlinge im Mittelpunkt
Ausstellung des Kunstvereins Neckar-Odenwald im Landratsamt des Odenwaldkreises in Erbach eröffnetODENWALDKREIS / ERBACH. - Es war bitterkalt, als Feras Ghannam nach seiner Flucht aus Syrien endlich in Österreich ankam. Mehr als ein Jahr ist das nun her. Vieles wirkte bedrohlich auf ihn, was man seinem Bild „Die Grenze“ auch ansieht.
Kaltes Blau und tiefes Rot, die im Kontrast zur weißen Schneelandschaft stehen, gehören zu den dominierenden Farben. Die Menschen sind eingehüllt in Mäntel, jeder steht für sich. Auch Feras Ghannam fühlte sich allein damals – und doch keimte Hoffnung in ihm auf. „Die Menschen sahen friedlich aus“, sagt der 36 Jahre alte Mann, der aus Damaskus stammt. Und Frieden war das, wonach er sich gesehnt hat.
Ghannam gehört zu den 24 Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke zum Thema „Flucht und Identität“ noch bis zum Mittwoch, 14. Juni, im Landratsamt in Erbach zu sehen sind. Die beiden Landräte Frank Matiaske (Odenwaldkreis) und Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis) haben die Ausstellung vor kurzem eröffnet.
Die Bilder und Objekte stammen von 21 Mitgliedern des Kunstvereins Neckar-Odenwald und drei syrischen Gastkünstlern, zu denen auch Ghannam zählt. Die Ausstellung ist gewissermaßen die „Antwort“ auf eine Schau mit Werken von Kunstschaffenden aus dem Odenwaldkreis, die jüngst im Landratsamt des Neckar-Odenwald-Kreises in Mosbach zu sehen war.
„In den Kunstwerken sind viele persönliche Themen verarbeitet, die den Betrachter berühren“, sagte Landrat Matiaske in der Vernissage. Zum Beispiel zeigt Ines Reinhardt auf ihrem Acryl-Gemälde mit dem Titel „Rubikon“ eindrucksvoll, wie Verzweiflung aussieht: Zu sehen ist ein großes, hinter beiden Händen verborgenes Gesicht. Die Augen sind geschlossen.
Wer weiß, was sie alles gesehen haben. Werner Zeh hat für sein Kunstwerk „Fremd bin ich eingezogen“ auch Fotos verwendet, etwa eines von einem Flüchtlingsboot, das auf einen Strand zufährt. In der Vernissage hat der Gastkünstler Fouad Deeb dazu einen nachdenklich stimmenden Text vorgetragen.
„Bitte verzeiht, dass wir euer Sonnenbad unterbrechen wegen dem Blutbad in unserem Land“, lautete eine Zeile. Birgit Sommer hat ihre Papierarbeit „Verbranntes Land“ genannt. Zu sehen ist ein Mann, der ein Kind auf dem Arm trägt, umfangen von Stacheldraht und unterlegt mit einem Appell, Mitmenschlichkeit zu zeigen.
Diese und alle anderen Kunstwerke regen den Betrachter auf vielfältige Weise an, sich mit dem Thema Flucht zu befassen. Die Ausstellung sei nach wie vor aktuell, auch wenn Flüchtlinge nicht mehr im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stünden, sagte Harald Kielmann, der 1. Vorsitzende des Kunstvereins Neckar-Odenwald, in der Vernissage, die von Schülern der Musikschule Odenwald musikalisch umrahmt wurde.
Landrat Brötel verwies auf den Beitrag von Kunst und Kultur bei der Begegnung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen und würdigte den Kunstverein, der in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiert, als „Integrationsmotor“.
Auch Feras Ghannam hofft, in Deutschland Fuß zu fassen. In Damaskus war er als Graphikdesigner tätig und hat auch Karikaturen veröffentlicht. Er wohnt in Buchen. Gefragt nach seinem nächsten Ziel, sagt er: „Ich kann mir vorstellen, freiberuflich tätig zu sein oder eine Ausbildung zu machen.“
Wer sein Werk und das der anderen Künstler sehen will, kann dies zu den Öffnungszeiten des Landratsamtes, Michelstädter Straße 12, in Erbach tun: montags, dienstags, donnerstags und freitags von 8 bis 12 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 17.30 Uhr. Besuchszeiten darüber hinaus können mit Ute Naas vom Kulturmanagement des Odenwaldkreises, Telefon: 06062/70-217 oder E-Mail: u.naas(at)odenwaldkreis.de vereinbart werden.