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Aberglaube, Teufelswerk und Hexenverfolgung im Odenwald

Die 150 Zuhörer waren begeistert von Antje Vollmers Vortrag im Stadtmuseum. Foto: Kulturamt Stadt Michelstadt

Spannender Vortrag in der Reihe „Unser Odenwald – Vom Bekannten zum Unbekannten“

MICHELSTADT. - Im frisch renovierten Vortragsraum des Michelstädter Stadtmuseums fand der vorletzte Beitrag der Vortragsreihe „Unser Odenwald – vom Bekannten zum Unbekannten“ statt.

Die Würzberger Historikerin Antje Vollmer referierte vor 150 Gästen über das Thema „Aberglaube, Teufelswerk und Hexenverfolgung im Odenwald“.

Dr. Ilona Agoston, Leiterin der Volkshochschule Odenwaldkreis, begrüßte im Namen des Kulturamtes der Stadt Michelstadt als Veranstalter der Reihe, der Odenwald Tourismus GmbH und ihres eigenen Instituts die anwesenden Gäste. Seit 2018 bewirbt die VHS Odenwaldkreis diese Vortragsreihe in ihren Programmen.

Im Anschluss hat Antje Vollmer ein Thema vorgetragen, das bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte, die Begrifflichkeit und den rechtlichen Rahmen hat Vollmer Odenwälder Fälle der Hexenverfolgung vorgestellt.

Behandelt wurde der mittlere Odenwald mit der Grafschaft Erbach (mit Amt Wildenstein) aber auch die unmittelbare, heute bayerische Nachbarschaft, die damals (1500 – 1650) noch zum Mainzer Oberstift mit Hauptort Aschaffenburg gehörte: Miltenberg, Amorbach, Buchen und Dieburg. Obwohl geographisch sehr nahe gelegen, fand die Hexenverfolgung dort unter völlig anderen Vorzeichen statt.

In Amorbach hat es wohl angefangen. Die ersten sicheren Hexenverbrennungen gab es dort 1593. Die insgesamt 10 Frauen, die in diesem Jahr in Amorbach in den Flammen starben, stammten aus den Ortschaften Ottorfszell, Breitenbuch, Watterbach, Dörnbach und Kirchzell.

Schuld an diesem ersten Hexenbrennen war das Wetter. Seit Jahren wurde es kälter und die Winter härter. Die landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft befand sich in einer existenziellen Krise. Wettereinbrüche, Seuchen und Krankheiten wurden aber vom Volk nicht als natürlich akzeptiert sondern es muss jemand Schuld haben.

Die Glaubensvorstellungen aus den alten Religionen, die vor dem Christentum in Mittel- und Nordeuropa herrschten, sind nie ganz verschwunden. Dazu gehörte auch der Glaube an Zauber und vor allem an den Schadenszauber und der Gedanke, dass die Menschen durch Handlungen Einfluss nehmen konnten auf den Willen der Götter oder auch nur auf das Wetter.

Gründe für den Hexenwahn der frühen Neuzeit sind die „Kleine Eiszeit“, die genau in dieser Zeit stattfand, und heidnische, alte Glaubensvorstellungen, denen die Menschen zum Teil noch anhingen. Das ist kein Aberglaube, es sind Überreste alter Religionen.

An der Hexenverfolgung hat entgegen landläufiger Meinungen weder Kirche noch die Obrigkeit Schuld. Vollmer hat anhand kirchlicher Dokumente zu diesem Thema festgestellt, dass die Kirche mit ihren Institutionen den Hexenwahn immer bekämpfte.

Der Hexenhammer und die Hexenbulle von Heinrich Kramer waren Ausdruck eines damals bereits vorhandenen starken Zeitgeistes in der Gesellschaft. Er hat die Verfolgung nicht ausgelöst, nur verstärkt.

Die Amtmänner in den mainzischen Orten Miltenberg, Amorbach, Buchen und Dieburg haben stets die Hexenprozesse zu unterdrücken versucht – auf Anweisung der Mainzer Regierung. Einige Erzbischöfe von Mainz haben Gegenmaßnahmen ergriffen.

Eine Ausnahme stellte Erzbischof Georg Friedrich von Greiffenklau dar, unter ihm wurden in sehr kurzer Zeit sehr viele Hinrichtungen von Hexen vorgenommen, in Dieburg z.B. 127 Opfer in eineinhalb Jahren.

Die großen Wellen der Hexenverfolgung in Miltenberg, Dieburg und Amorbach wurden immer von Wetterextremen eingeleitet. Wenn der Wein verdarb, war die wirtschaftliche Existenz gefährdet. Gerade in Miltenberg war die Oberschicht stark betroffen, wie z.B. der Riesenwirt Lorenz Beck.

Er wollte sich die schreckliche Folter sparen und gestand freiwillig die Hexerei. Eine andere, die „Auer Els“, wollte nicht aufgeben. Zweimal ist sie geflohen, doch sie wurde immer wieder gefangen. Die Hexenprozesse im mainzischen Gebiet wurden als „processus extraordinarius“ geführt.

Das war ein Sonderrecht, das parallel zum geltenden Recht, der Constitutio Criminalis Carolina, eingeführt wurde. Das Sonderrecht erleichterte die Foltermöglichkeiten und entzog den Delinquenten den Schutz, den die Carolina darstellen sollte.

In den wenigen dokumentierten Hexenprozesse im Gebiet der Grafschaft wurde dieses Sonderrecht nicht angewandt. In den Hexenprozessen z.B. gegen den Wilhelm Lautenschläger aus Güttersbach wurden die Angeklagten nicht zum Tode verurteilt, sondern zur Kirchenbuße.

In der Grafschaft Erbach gab es nur zwei Todesurteile wegen Hexerei - diese wurden nur in der Reichenbacher Chronik erwähnt. Insgesamt können im Kerngebiet der Grafschaft Erbach keine weiteren Verurteilungen wegen Hexerei nachgewiesen werden.

Im Erbacher Amt Wildenstein mit dem Centort Kleinheubach sieht es allerdings anders aus. Dort wurden ĂĽber 40 Menschen wegen Hexerei zum Tode verurteilt und in Kleinheubach wendeten die Richter das Sonderrecht zur Hexenverfolgung an, obwohl das in der restlichen Grafschaft nicht der Fall war.

Offenbar war die Nähe zu Miltenberg verhängnisvoll. Der Hexenwahn war in Kleinheubach stark vertreten. In einem einzigen Fall, dem der Anna Maria Conrad, geborene Ludwig, wurde die Gerichtshoheit von Kleinheubach nach Erbach verlegt.

Die Angeklagte wurde in Erbach verurteilt, eine Hexe zu sein, aber das Urteil lautete KirchenbuĂźe, und nicht Todesstrafe. Das wirft viele Fragen in Bezug auf die Abwicklung und Systematik der Hexenprozesse Kleinheubachs auf, die nicht abschlieĂźend beantwortet werden konnten.

Antje Vollmer arbeitete in ihrem kurzweilig dargebrachten Vortrag sehr eindringlich heraus, welches Leid die Zeit der Hexenverfolgung den Menschen brachte, aber auch, dass es das Volk selbst war, das das furchtbare Hexenbrennen immer wieder vehement einforderte.

Die Schuld der Kirche an der Hexenverfolgung geht gegen Null. Die letzte Hinrichtung einer Hexe in Deutschland fand vor 250 Jahren statt. Aber anonyme Denunziation, Verfolgung von Randgruppen und Minderheiten sind uns bis heute geblieben.

Vollmer hat in ihrem Vortrag viele aktuellen Bezüge gesetzt, und warnt am Ende, dass im Zeitalter der modernen Medien erhöhte Vorsicht geboten sei, damit die Hexenjagd keine Auferstehung feiert.

Hexenverfolgung ist ein altes Thema, doch Antje Vollmer hat es in ihrer bekannt lebendigen Weise verstanden, auch dieses Thema in der Gegenwart ankommen zu lassen. Der anhaltende Applaus des Publikums, sowie der rege Austausch im Anschluss gaben ihr Recht.

Der letzte Vortrag in diesem Jahr findet am Freitag, 23. November, mit einem Vortrag von Mario Becker zum Thema „Provinz eines Imperiums – Südhessen in römischer Zeit“ statt.