Aktives Arbeiten als Jungbrunnen
Als älteste Michelstädter Stadtbürgerin feiert Steffi Kahl ihren 107. GeburtstagMICHELSTADT. - Weil es den Eheleuten Albert und Stefanie Kahl bei Urlauben in Michelstadt so gut gefallen hat, haben sie sich schon 1985 das Odenwaldstädtchen als Altersitz ausgesucht und mit der Wartelistenummer 85 bei Bürgermeister Ruhr für eine Wohnung bei der damals noch städtischen Altenwohnanlage am Stadtring angemeldet.
Im September 2021 hat sich nun der Wunsch der Witwe mit einem Platz im Pflegeheim am Stadtring erfüllt. Auch wenn ihr das Laufen am Rollator schwer fällt und sie Corona-Einschränkungen und die Kriegsfolgen belasten, fühlt sie sich wohl im neuen Zuhause.
In der Hoffnung auf ein weiterhin gutes Eingebundensein in der Gemeinschaft feiert sie am Freitag, 29. April, ihren 107. Geburtstag. Neben den Söhnen Thomas und Götz, den Enkelkindern Bianca und Holger sowie drei Urenkelkindern werden auch die Heimleitung und die Mitbewohner der ältesten Stadtbürgerin ihre Glückwünsche darbringen.
Die in den USA lebende Tochter wird per Skyp zugeschaltet sein. Fragt man die Seniorin nach dem Geheimnis eines langen Lebens, muss sie eine Weile nachdenken. Kurz und treffend ist ihre Antwort: „Aktiv sein hält jung!“ Und das war sie ein Leben lang.
Als mittleres von drei Kindern kam Steffi, wie sie auch heute noch genannt wird, 1915 in Breddin, einem kleinen Ort in dem in der Mitte zwischen Hamburg und Berlin gelegenen Landstrich Prignitz auf die Welt.
Der Vater war Tierarzt, die Mutter eine sehr bestimmende Hausfrau. In ländlicher Idylle wuchs das Kind in der Zeit zwischen erstem Weltkrieg und der Wirtschaftskrise bei großer Arbeitslosigkeit auf. Nach vier Dorfschuljahren besuchte sie als Fahrschülerin die Höhere Schule in Wittenberge.
Hieran schloss sich ein Praktikum in einem Geflügelzuchtbetrieb an und dann eine Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste in Berlin zur Textildesignerin. Gerade fertig mit dem Sudium, heiratete sie Juli 1939 den Dipl.-Ingenieur Albert Kahl.
Das Eheglück währte nur kurz, denn 1940 wurde der Mann zum Kriegsdienst eingezogen. Im gleichen Jahr kam Tochter Katya zur Welt, 1947 und 1949 folgten die beiden Söhne.
In zehn anstrengenden Nachkriegsjahren gelang es den beiden Eheleuten unter DDR-Bedingungen nicht, das väterliche Baugeschäft in Wittenberge wieder zum Laufen zu bringen. Der Freiheitsdrang und der Verfolgungsdruck wurden so groß, dass die Familie 1956 in den Westen flüchtete.
Eine erste Bleibe gab´s in Hildesheim. Doch da der Ehemann eine Anstellung bei der Land- und Forstwirtschaftskammer in Frankfurt gefunden hatte, wurde drei Jahre in der Mainmetropole gebaut, ehe der Rest der Familie ins eigene Haus nachziehen konnte.
Das gemeinsame Hobby Zeichnen und Malen kam nun zur neuen Entfaltung. Es gab viele schöne Malreisen mit dem Wohnmobil, man besuchte Kunstausstellungen, erfreute sich einer insgesamt sehr produktiven Schaffenszeit.
Auch nach dem Tod des Mannes im Jahr 1991 blieb Steffi ihrem Hobby treu. Sie malte, legte Mosaike und wollte immer etwas Neues hinzulernen. Damit sich ein langes Leben besonders lohnt, schlussfolgert sie heute, auf noch weitere Jahre hoffend.