Erbacher Marktplatz: „Stadt muss sich des Risikos bewusst sein, steht in der Haftung“
Fachleute des Pflasterhandwerks und der Leiter des Kreisbauamtes beim Odenwaldkreis, Martin Müller, kritisieren erhebliche Ausführungsmängel bei der Sanierung des Marktplatzes vor dem historischen Schloss + + + Bürgermeister Buschmann lässt Stadtbaumeister gewährenERBACH. - Die Kritik an der unzulänglichen Bauausführung der Pflasterarbeiten auf dem Erbacher Marktplatz verschärft sich. „Teilweise sieht es aus, als hätte man die Steine abgekippt, gerichtet und abgerüttelt.
Hier ist wirklich kaum etwas von einem Passé-Verband erkennbar“, kritisiert aktuell erneut Dipl. Ingenieur Rüdiger Singbeil (Peine) beim Erbacher Stadtbaumeister Martin La Meir „den Pfusch“ beim rund 1,5 Millionen Euro teuren Marktplatz-Projekt (siehe dazu FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Der Fachmann für das Pflasterhandwerk manifestiert seine Kritik: „Die Pflastersteine stehen mal in Reihe mit Kreuzfugen, mal diagonal unter 45° und laufen dann wieder spitzwinkelig auf andere Flächen zu. Das Ganze wirkt, als hätte man hier Laien jeweils eine kleine Teilfläche pflastern lassen, egal wie, Hauptsache der Platz wird irgendwie zugepflastert. Hier wird wirklich das Geld für Schund rausgeworfen.“
Bürgermeister Buschmann erstarrt in Ehrfurcht vor seinem Stadtbaumeister
Ebenfalls informiert hat Rüdiger Singbeil den politisch verantwortlichen Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann über den Sachstand und ihm die umfangreichen Mängel explizit aufgezeigt.
Höchst fraglich, weshalb der Verwaltungschef im Erbacher Rathaus seinen offenbar beratungsresistenten Stadtbaumeister nicht anweist, entsprechend dessen eigenen Ausschreibungs-Vorgaben zu handeln, vielmehr in Ehrfurcht vor diesem erstarrt.
Kritik ausschließlich dem erforderlichen Qualitätsstandard geschuldet
Dipl.-Ing. Rüdiger Singbeil, Obermeister der Straßenbauer-Innung Braunschweig, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Straßenbauer-Handwerk, Kurator Netzwerk Pflasterbau, Schriftführer der IG Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V. sowie Mitglied im Verein Qualitätssicherung Pflasterbauarbeiten e.V. hat sich gemeinsam mit Berufskollegen zum Ziel gesetzt, für fachgerechte Ausführung der Pflasterarbeiten in Deutschland zu werben.
Die bisher geäußerte Kritik an der Pflasterung des Marktplatzes in der Odenwälder Kreisstadt sei ausschließlich dem erforderlichen Qualitätsstandard geschuldet, betont der Fachmann.
Auch bei gebrauchtem Spaltpflaster mit den entsprechenden Verbänden (hier Reihenpflaster im Randbereich und Passé in der Hauptfläche) sei ein enges Fugenbild erforderlich und auch möglich. Zum Pflastern von Natursteinen gehöre ein Vorsortieren.
La Meir: Ausgeschriebenes Vorsortieren nicht mehr erforderlich
Dies habe der Erbacher Stadtbaumeister Martin La Meir zwar so ausgeschrieben in einem Pressebericht jetzt jedoch als nicht erforderlich genannt, obwohl diese Leistung gemäß eigener Ausschreibung auch in die Aufwandskalkulation eingeflossen sei.
Keine Reaktion aus der Erbacher Stadtverwaltung hat Rüdiger Singbeil bisher auf seinen Vorstoß erhalten, vor Ort aufzeigen zu wollen, dass es wirklich besser gehe. „Laden Sie die Pflasterer aus ganz Deutschland ein und Sie werden staunen“, lautete das Angebot, das Martin La Meir zuging.
Erbach habe für diesen wirklich schönen Platz und das viele Geld, das überwiegend aus öffentlichen Fördermitteln stammt, „was Gutes verdient“. Die bisher ausgeführten Arbeiten seien jedenfalls größtenteils nicht abnahmefähig, stellt Singbeil fest.
Martin Müller: Stadt haftet für mangelhafte Bauausführungen
Ähnlich äußerte sich dazu auch der Leiter des Kreisbauamtes Odenwaldkreis, Martin Müller, auf FACT-Anfrage. Die Stadtverwaltung Erbach sei über die offenkundigen Mängel informiert, sagte Müller. Von dort habe er die Mitteilung erhalten, dass „Teilbereiche fachgerecht ausgetauscht werden sollen“.
„Die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung Erbach sind informiert und müssen sich des Risikos bewusst sein, dass sie für mangelhafte Bauausführungen in der Haftung stehen“, betonte Müller.
Er habe außerdem bereits vor einigen Wochen das Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden schriftlich über die bekannt gewordenen Mängel informiert und um Überprüfung gebeten, von dort allerdings bis dato noch keine Rückmeldung erhalten, lediglich Kenntnis erlangt, dass „demnächst ein Vor-Ort-Termin stattfinden“ solle.
Bezirksdenkmalpflegerin mit Firmenchef liiert
Dort könnte es indes zu einer Interessenkollision kommen: Seit 2014 ist Kristin Schubert beim Landesamt für Denkmalpflege als Bezirksdenkmalpflegerin u.a. für den Odenwaldkreis und damit auch für die Überwachung der Pflasterarbeiten auf dem Erbacher Marktplatz vor dem historischen Schloss zuständig.
Privat ist Kristin Schubert mit dem Erbacher Unternehmer Dr. Michael Schön, dem Geschäftsführer der mit den Pflasterarbeiten auf dem Erbacher Marktplatz beauftragten Firma Peter Walz Nachfolger Natursteine GmbH (Sensbachtal), liiert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Bauausführende Firma genießt ausgezeichneten Ruf im Hochbau
Das 1857 von Peter Walz gegründete und seit 1984 in der 6. Generation von Karl-Heinz Walz (†2011) geführte, und zu seiner heutigen Größe aufgebaute Sensbachtaler Familienunternehmen Natursteine Walz genießt seit Jahrzehnten einen ausgezeichneten Ruf.
Schwerpunkte der Firmentätigkeit sind dabei Bauforschung, restauratorische Arbeiten und Instandsetzung historischer Gebäude mit verschiedenen Bauelementen wie Naturstein, Putz, Kieselmosaiken und Eisenelementen sowie Bildhauerarbeiten.
Pflasterarbeiten finden sich im Leistungsportfolio des renommierten Qualitätsanbieters bisher nicht. Wohl vor diesem Hintergrund wurden vom beauftragten Generalunternehmer auf dem Erbacher Marktplatz bisher überwiegend Subunternehmer für die Pflasterarbeiten eingesetzt.
Anliegern und Insidern zufolge sollen bisher mindestens fünf Baukolonnen unterschiedlicher Nationalität mit der Pflasterung des Erbacher Marktplatzes betraut gewesen sein.
„Arbeiten absolut nicht nach der Leistungsbeschreibung ausgeführt“
„Leider werden die Arbeiten absolut nicht nach der Leistungsbeschreibung – diese wurde sehr gut von Karl Lantelme vom Verein QS Pflasterbauarbeiten e.V. erstellt und übernommen – ausgeführt.“ Gemäß der Ausschreibungsunterlagen war die Qualitätssicherung eine hohe Messlatte für die Pflasterarbeiten.
So ist unter Punkt 02.03 des ausgeschriebenen Leistungsverzeichnisses festgehalten: „Die Pflasterbaufirma muss einen für die Ausführung der Pflasterung zertifizierten Bauleiter namentlich benennen. Dieser hat die gesamte Baumaßnahme ohne Unterbrechung zu begleiten.
Die eingesetzten Pflasterer müssen gleichfalls zertifiziert sein, sie sind im Leistungsverzeichnis namentlich zu benennen und dürfen innerhalb der Bauausführung nicht ausgetauscht werden.
Wird Stadtbaumeister La Meir eigenen Ãœberwachungsvorgaben gerecht?
Täglich müssen die anwesenden Pflasterer namentlich im Bautagebuch festgehalten werden. Die Richtigkeit wird von der Bauleitung des Auftraggebers (Anm. der Redaktion: Stadtbauamt) überwacht. Die hier zum Einsatz kommenden Pflasterer wie auch die Pflasterfirma müssen durch ein Zertifikat ihre Fähigkeit im Pflasterbau nachweisen.“
Die namentliche Benennung der eingesetzten Pflasterer ist dabei als „Pflichtaufgabe“ deklariert, „ansonsten erfolgt Ausschluss“. Auf dieser Basis dürfte der Generalunternehmer längst nicht mehr an diesem Projekt arbeiten, moniert ein sachkundiger Erbacher, während ein Maurermeister aus der Kreisstadt die Frage aufwirft, ob der Erbacher Stadtbaumeister Martin La Meir, den eigenen Überwachungsvorgaben beim Marktplatzprojekt entspreche.
Hoffnung auf rechtzeitige Beseitigung der Mängel
„Was Herr La Meir bisher zu den Pflasterarbeiten auf dem Marktplatz äußerte ist Wunsch-Denken, welches sich hier nicht bewahrheitet. Man hätte wirklich schon vor Wochen eingreifen und Abhilfe schaffen müssen.“ Es gehe viel besser und das habe Erbach bei diesem Millionenprojekt auch verdient.
„Wollen wir zum Wohle der Stadtkasse und der Erbacher Bevölkerung hoffen, dass noch rechtzeitig eingegriffen wird und die Mängel beseitigt werden“, lässt Rüdiger Singbeil noch einen Lichtschimmer auf das mit schweren Schlagschatten behaftete Erbacher Marktplatz-Projekt fallen.