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Knecht Ruprecht: Welcher Wein zum Kanzler?

Nachdem die Kerzen:in der Adventskränze:in alle ausgeblasen sind, und auch den elektronischen Beleuchtungen der Weihnachtsbäume die Stecker:in gezogen wurden, schwingt Knecht Ruprecht noch einmal seine satirische Rute bevor er sich für elf Monate in die finstersten Ecken des (Oden-)Waldes zurückzieht, und nimmt sich Saison-abschließend noch einmal den staatstragenden Ansprachen unserer Politiker zum Jahreswechsel an

Gerade in Zeiten des Klimatemperaturwandels ist das Jahresende die Zeit der bedeutenden und staatstragenden Ansprachen. Egal, ob Kanzler oder dereinst Mamamerkel, Politiker wenden sich landauf - landab vor sorgfältig drapierter Kitschkulisse an ihr Volk.

Diese Ansprachen sind oft recht blass und inhaltsarm. Der intellektuelle Inhalt dieser Reden ist in der Regel eher kümmerlich und meist dem WG-Küchentischniveau unserer Politiker angepasst. Die Ansprachen passen damit exzellent zur verlöschenden Ampel.

Wirklich Substantielles von staatstragendem Tiefgang wird dem Bürger heute kaum mehr vorgetragen. In den Salons des gehobenen Bildungsbürgertums der Raubach, Etzean oder der Salmshütte würde man zum Jahresende gerne den wohlgesetzten Worten etwa eines roten Rüdigers oder des Beerfelder Bürgermeisters lauschen.

Aber ein solcher Hörgenuss wird den südhessischen Bürgern in der abendlichen Dämmerung der Berliner Ampel leider verwehrt bleiben.

Was des Einen Leid ist, kommentiert ein Anderer mit einem herzhaften: „Gott sei Dank, bleiwe mer vun dem roude Seich veschont“. Die Geschmäcker sind eben verschieden und über Geschmack und Glaubensfragen, wie die Klimatemperaturverwärmung sollte man bekanntlich nicht streiten.

Für einen Gastrosophen, oder einen Freund der gehobenen Trinkkultur, wie es der Knecht Ruprecht nun mal ist, stellt sich eine ganz andere Frage.

Dieser alljährlich wiederkehrenden Frage möchten wir uns im Folgenden gerne ohne Polemik zuwenden. Das Wort des Jahres 2024 – Schwachkopf - dessen Bedeutung und personelle Zuordnung jedem bekannt ist, sollte zum Jahresende nicht mehr verwendet werden.

Das gilt gleichermaßen sowohl bei der Auswahl eines Haarshampoos, als auch beim Gespräch unter Freunden, vor sorgfältig arrangierter Küchenkulisse im Stile des späten Gelsenkirchener Barocks.

Doch nun zurück zum Thema. Die Reden unserer großen Politiker stehen an und wir warten sehnsuchtsvoll auf die Vorträge im Staatsfunk. Wohingegen nicht völlig von der Hand zu weisen ist, dass für viele Zuschauer zweifelsohne die Schadenfreude im Vordergrund steht.

Man wartet wieder gespannt auf den nächsten großen Klobber. Also wenn beispielsweise das werteorientierte Außenannalena etwas zum Thema Energiespeicherung in Stromnetzen, Koboldbatterien, Panzerschlachten des 19. Jahrhunderts, zu hunderttausend Kilometer entfernten Ländern, oder zu Beacon of Hope vorträgt.

Herrlich auch die Couplets desjenigen bekannten Kinderbuchautors, der derzeit den Wirtschaftsminister in verschiedenen Stücken am Berliner Hoftheater gibt.

Zeitlose Klassiker wie „die Firmen sind nicht insolvent, sondern hören für eine gewisse Zeit einfach auf, zu produzieren“, oder jüngst: „die EEG-Umlage, die nun nicht mehr der Bürger zahlen muss, weil der Staat dies für ihn tut“, zeugen von einer tiefen Kenntnis ökonomischer Zusammenhänge, von der man als Laie draußen in der Wirtschaft ja gerne profitieren möchte.

Ganz anders verhält es sich mit den Ansprachen von unser aller Frank Walther. Diese sind staatstragend und stehen mit wohlgesetzten Worten fest auf dem Boden seiner virtuosen Grundgesetzinterpretationen.

Es war Eric Satie, der mit seinem Konzept der musique d’ameublement den Grundstein zu solchen Klangteppichen legte. Später wurde dieses Konzept zunächst zur Kaufhaus- oder Fahrstuhlmusik weiterentwickelt, bevor es im Schloß Bellevue Einzug hielt.

Was gibt es Entspannenderes, als bei abgedämpftem Licht mit einem guten, wohl-temperierten Glase Rotwein in der Hand - und vielleicht einer guten Zigarre - den an die Wahrnehmungsschwelle herabgedämpften, staatstragenden Rezitationen eines Frank Walther in Endlosschleife zu lauschen? „Herrlisch“!

Ob all dieser Redekunst stellt sich nun wirklich die Frage: Welcher Wein passt eigentlich zu welchem Politiker? Michael Klonovsky untersuchte eine ähnliche Fragestellung in seinem heute nur noch antiquarisch erhältlichen Klassiker zu Wein und Frauen.

Er wies schon vor über 20 Jahren darauf hin, dass zu einem bestimmten Wein auch immer eine ganz bestimmte Person passt. Nicht, dass die jeweilige Person diesen Wein notwendigerweise selbst zu schätzen wisse oder auch nur kenne. Nein, es gibt vielmehr Personen, die den Charakter eines Weines vollendet widerspiegeln.

Man denke etwa an Mamamerkel. Zu ihren Ansprachen passte hervorragend ein Mazedonischer Landwein (mit geografischer Herkunftsbezeichnung) aus dem Discounter.

Zu unser aller Frank Walther trinkt man bekanntlich gerne einen mindestens zwanzig Jahre gereiften Cahors, der den staatstragenden Ausführungen Schwere und Bedeutung verleiht.

Frau Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann genießt man am besten zu einem Rheingau Riesling extra brut. Allerdings ist hier äußerste Vorsicht geboten: Viele Winzer wenden sich in den letzten Jahren dem sogenannten BSA (biologischer Säureabbau) zu.

Die Dame passt daher heute nicht mehr zu jedem Riesling. Unzweifelhaft passend zu Javier Milei wäre ein Malbec aus dem Padernal-Tal, der mit seinem spritzigen Aroma die Weite der Pampa und die bizarre Kraft der Anden erspüren lässt. Die Freiheit des Gauchos lässt sich bei keinem anderen Wein besser erschmecken.

Ein Problem aber bleibt! Was trinkt man, wenn der Kanzler am 31.12.24 zu seinem Volke spricht? Was Leichtes, ein Schweizer Fendant oder gar einen lieblichen Amselfelder? Auf jeden Fall etwas Billiges; man weiß ja nie, vielleicht wird er durch die SPD-Vorsitzenden vertreten und dann hat man den falschen Wein im Anbruch.

Vortrefflich für den Weinfreund war die legendäre Neujahrsansprache von Helmut Kohl am 31.12.1986. Es war das übliche Parteiengesäusel, das sich über mehrere Minuten hinzog.

Er schloss mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen ein friedliches 1986“. Erst jetzt merkten zumindest einige Fernsehzuschauer, dass die ARD die alte Kassette der Ansprache aus 1985 eingelegt hatte. Köstlich!

Wenigstens war man vorbereitet. Würde uns das Zwangsgebühren-finanzierte Staats-Pay TV noch einmal diesen Gefallen tun? Der vinologisch gebildete Ampelfreund könnte sich in diesem Fall punktgenau vorbereiten! Ich würde dann zu einem preisgünstigen Tetrapack aus moldavischer Abfüllung - gerne mit Fehlgärung - greifen.

Man hätte damit nicht nur den Kanzler, sondern gleich die komplette verloschene Ampel im Glase. Nach dem dritten Tetrapack käme am Folgetage die „Kanzleramnesie“ als willkommene Abrundung hinzu.