Standortmarketing-Prozess: Kübler's Leugnen schon am ersten Prozesstag widerlegt
ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Der frühere Landrat des Odenwaldkreises muss sich derzeit wegen Untreue zum Nachteil des Odenwaldkreises in der seit 2013 schwelenden Standortmarketing-Affäre vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Michelstadt verantworten (siehe FACT-Beitrag dazu unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/details/?tx_ttnews).
Auch wenn Dietrich Kübler durch eine seiner Anwältinnen zu Prozessbeginn verlauten ließ, er werde zur Sache zunächst keine Aussagen machen, erklärte er doch in einem kurzen Statement, er weise den „Vorwurf bewusster Verstöße gegen Vorgaben“ zurück, ihm sei es vielmehr „allein um den Inhalt des Marketingkonzepts“ gegangen.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt wirft ihm vor, anlässlich eines 2010 durch die Kreisgremien angestoßenen Projekts eines neuen Standortmarketingkonzepts, das mit EU-Fördergeldern in Höhe von 137.900 Euro ausgestattet war, durch wettbewerbsbeschränkende Absprachen die von ihm protegierte Erbacher Werbeagentur Lebensform GmbH bevorteilt und dieser letztendlich den Auftrag übertragen zu haben.
Wie am ersten Tag der Verhandlung unter der präzisen Leitung des bestens vorbereiteten Vorsitzenden Richters Helmut Schmied offenkundig wurde, gibt es neben den jetzt zur Anklage stehenden Tatvorwürfen gegen den früheren Landrat offenbar weitere Straftatbestände und sonstige Vergehen der ehemaligen Kreisführung unter Dietrich Kübler und seinem Hauptabteilungsleiter Oliver Kumpf.
So fragte der Vorsitzende eine damals leitende Mitarbeiterin der Kreistochter Odenwald-Regionalgesellschaft (OREG) bei deren Zeugenaussage: „Sie wissen schon, dass Ihnen ein Arbeitsgerichtsprozess zugestanden hätte?“
Die OREG-Mitarbeiterin hatte zuvor ebenso wie der frühere OREG-Geschäftsführer Jürgen Walther berichtet, sie sei massiv „unter Druck gesetzt“ und letztlich „wegen nicht linientreuer“ Abstimmung zugunsten der Lieblingsagentur des Landrats auf Anweisung des OREG-Aufsichtsratsvorsitzenden Kübler degradiert worden. Diese „Rückstufung“ von der Position einer Bereichsleiterin zur einfachen Sachgebietsmitarbeiterin bescherte ihr einen Verlust von monatlich 400 Euro.
Auch habe sie sich ab einem bestimmten Zeitpunkt jede Korrespondenz mit den um den Auftrag werbenden Agenturen vom Hauptabteilungsleiter Kumpf als der rechten Hand des Landrats abzeichnen lassen müssen.
Übereinstimmend mit diesen Schilderungen hatte auch Jürgen Walther als damaliger OREG-Geschäftsführer von massiver Einflussnahme des Ex-Landrats auf das Ausschreibungsverfahren berichtet. Dies führte gar dazu, dass ein von der Mitarbeiterin erstelltes Sitzungsprotokoll einer zur Vorbereitung der Bewerberauswahl vorgeschalteten Steuerungsgruppe auf Anweisung aus dem Landratsamt wahrheitswidrig verfälscht wurde.
Diese falsche Darstellung der Ereignisse wurde dann von der Protokoll-führenden Mitarbeiterin und dem OREG-Geschäftsführer sehr wohl im Unrechts-Bewusstsein dennoch unterzeichnet, weil beide um ihren Job fürchteten, wie sie vor Gericht glaubhaft darlegten.
Auch machte Richter Schmied später in anderem Zusammenhang Küblers Verteidigern deutlich, dass dem Hauptabteilungsleiter ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen könnte, weil dieser sich nicht selbst belasten müsse, und signalisierte damit, dass die Anhörung des damaligen engsten Mitarbeiters des Kreischefs im Odenwälder Landratsamt als Zeuge zu einer bestimmten Frage eher unwahrscheinlich zur Klärung des Sachverhalts beitragen werde.