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LESERBRIEF: Halbe Information

Es ist gut, dass es einen Steuerzahlerbund gibt, der wachsam ist und oftmals einen kritischen Blick auf kommunales Handeln wirft. Ebenso kritisch muss aber auch die Information des Bundes der Steuerzahler (BdSt) in Hessen betrachtet werden. Das geschieht im konkreten Fall bezogen auf dessen aktuelle Berichterstattung.

Ohne die Richtigkeit anzuzweifeln, vergleicht das wachsame Auge des Steuerzahlerbundes die Steuern und Hebesätze in den Gemeinden des Odenwaldkreises in Gegenüberstellung der nackten Zahlen.

Wie so oft bei Informationen, blendet dieser Vergleich die Verhältnisse in der Infrastruktur aus, und stellt nur die halbe Wahrheit dar. Die Kosten für die öffentlichen Einrichtungen, die sich in der Gebührenkalkulation der Gemeinden niederschlagen, müssen von den Haushalten getragen werden.

Daher erlaube ich mir, auf einen Vergleich der Infrastruktur mit ihren Flächenkosten hinzuweisen. In der Stadt Oberzent leben 10.222 Einwohner in 19 Stadtteilen auf einer Fläche von 165,6 km².

Sie werden auf 270 kommunalen Straßen mit 95 km Länge verbunden, für die eine allgemeine, wenngleich bescheidene Unterhaltung und ein langwieriger Winterdienst in dieser Höhenlage erforderlich ist.

Für ihre Ver- und Entsorgung stehen den Bürgern 190 km Wasserleitung und 170 km Abwasserkanal zur Verfügung, deren Kosten durch Gebühren gedeckt werden müssen.

Bei genauer Betrachtung kommen in einem Stadtteil mit 300 Einwohnern fast 15 km Abwasserkanal mit einer zusätzlichen Druckleitung zusammen. Zum Vergleich kann man feststellen, dass in einer Großstadt in einem Wohnkomplex 300 Menschen wohnen und nur 50 m Kanalsammler erforderlich sind.

Zu den Einrichtungen der Stadt Oberzent zählen zudem 15 Feuerwehren für den Brandschutz, 12 Gemeindehäuser für das Vereinsleben, 10 Kindergärten, 28 Spielplätze und 8 Sportplätze. Nicht übersehen werden darf die Pflege und Unterhaltung von 15 Friedhöfen und 68 km Bachläufe.

Der Vergleich von Steuern, Gebühren und Hebesätzen mit der Einwohnerzahl macht die flächenhaften Kosten für die Stadt Oberzent sichtbar.

Über den Finanzausgleich des Landes gibt es keinen Flächenfaktor als Zuschlag zu den Zuweisungen. Daher sind die Gemeinden auf sich alleine gestellt, die Kosten für das Gemeinwesen zu decken.

Die in der Verfassung versprochenen gleichwertigen Lebensverhältnisse müssen weitgehend aus eigenen Kräften gesichert werden, um den Bevölkerungsschwund durch die Landflucht angesichts der Arbeitsplatzangebote im Ballungsraum zu wehren.

Schließlich müssen weniger Haushalte die fixen Kosten mit höheren Gebühren tragen. Die leichtfertige Bemerkung, dass die Kommunalpolitiker den Bürgern in die „Tasche greifen“, übertüncht mit ihrer Polemik die wahren Lebensverhältnisse im ländlichen Raum einer Stadt mit ihrer gewachsenen Siedlungsstruktur.

Auch wenn man über den einen oder anderen Aspekt kommunaler Entscheidungen diskutieren mag, haben die Stadtverordneten gemeinsam mit Bürgermeister und Magistrat die Anpassung der Einnahmen gegenüber den fixen Ausgaben in der Infrastruktur wohl überlegt und verdienen keine Beschimpfung, sondern Unterstützung bei den politischen Entscheidungsträgern in Land und Bund.

Horst Schnur
64760 Oberzent