Zeitzeugin berichtet über Unrecht in der DDR
REICHELSHEIM. - Am 20. Juni versammelten sich alle 10. Klassen sowie die 9. Hauptschulklasse in der Aula der Georg-August-Zinn-Schule, um der DDR-Zeitzeugin Birgit Schlicke zuzuhören.
Der Geschichtslehrer René Beck hatte sie bereits zum zweiten Mal eingeladen, um für die Schülerinnen und Schüler die DDR-Geschichte erlebbar zu machen.
Mit dem Zitat „Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht“ begann Brigit Schlicke, Jahrgang 1969, ihren mitreißenden Vortrag.
Sie nutzte Rosa Luxemburgs Zitat, um zu verdeutlichen, dass Mitläufer in der DDR ein akzeptables aber auch angepasstes Leben führten.
Ihr selbst wurde aufgrund eines Ausreiseantrags ihres Vaters das Abitur verboten. Dennoch kämpfte ihre Familie weiter, um den Unrechtstaat verlassen zu können. Dabei gerieten ihr Vater und sie ins Visier des Geheimdienstes „Stasi“.
Aufgrund eines abgefangenen Briefs an eine Menschenrechtsorganisation in Westdeutschland wurde Birgit Schlicke 1988 in das gefürchtete Frauengefängnis Hoheneck inhaftiert.
Sie war die jüngste Insassin und mit 2 Jahren und 6 Monaten Strafe kam die gut behütet aufgewachsene 19-Jährige dort erstmals mit Diebinnen, Kindsmörderinnen und einer gefürchteten NS-Verbrecherin in Berührung.
Psychoterror, Leibesvisitationen und Zwangsarbeit musste sie über sich ergehen lassen, wie sie in ihrem zweistündigen Vortrag eindrücklich schilderte. „Das Schlimmste war, dass ich in diesem Gefängnis keinerlei Privatsphäre hatte“, trug Schlicke ihrem aufmerksamen Publikum vor.
Außerdem habe sie nicht gewusst, wem sie dort überhaupt trauen konnte. Mitte November 1989 wurde die politisch Gefangene entlassen, sodass ihre Familie in den Westen umziehen konnte.
Abschließend bekräftigte die Zeitzeugin, dass die Demokratie ein wichtiges Gut sei, das bewahrt werden müsse. Nach dem Vortrag äußerten einige Schülerinnen, dass sie nun die neuere Geschichte ohne Lehrbuch, sondern anhand einer Lebensbiographie nachvollziehen konnten.