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Thema: Bildung in der digitalen Welt – Teil 2

Livekommunikation per Videochat gehören am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis zum Standard, wie am Beispiel dieser SchĂŒlerinnen und SchĂŒler in der Ausbildung zu Medizinischen Fachangestellten. Foto: BSO

So hat das Berufliche Schulzentrum Odenwaldkreis die Herausforderungen der Corona-Pandemie gemeistert

ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Die Pandemie hat Schulen vor Herausforderungen gestellt von bisher nie dagewesenem Ausmaß.

In seiner ĂŒber 20jĂ€hrigen Erfahrungen in Leitungsposition hat Schulleiter Wilfried Schulz keine vergleichbare Situation erlebt.

„Zuerst absoluter Stillstand, dann hat alles an Tempo zugelegt“, fasst er die Wochen und Monate zusammen, in denen das Schulzentrum Dank Digitalisierung Homeschooling in die Tat umgesetzt hat.

„Am Anfang haben etliche Kolleginnen und Kollegen verschiedene Tools ausprobiert, um den Austausch untereinander und mit den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern auf stabile Beine zu stellen.

Mein Job war es besonders, mich um grundlegende Strukturen mit Blick auf den Datenschutz und um Lizenzrechte zu kĂŒmmern“, sagt er rĂŒckblickend.

ZunĂ€chst galt es, ĂŒber gĂ€ngige digitale Wege wie Email und Messengerdienste stabile Kontakte mit SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern einzurichten und Ausbildungsbetriebe auf dem Laufenden zu halten.

Die vorhandenen Daten- und Datenbanken waren fĂŒr die direkte schnelle Kommunikation ĂŒber die technischen Medien nicht ausreichend vorbereitet.

Besonders fĂŒr Videokonferenzen und -ĂŒbertragungen kam „Moodle“ zum Einsatz, ein freies objektorientiertes Kursmanagementsystem und eine Lernplattform.

Die Software bietet ferner Möglichkeiten zur UnterstĂŒtzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden und zur DurchfĂŒhrung von Webinaren.

Als Standardsoftware hat sich an der Schule „Microsoft Teams“ etabliert. Lehrerinnen und Lehrer schĂ€tzen die einfache Bedienbarkeit und Vielfalt der Plattform, die Chat, Besprechungen, Notizen und AnhĂ€nge miteinander kombiniert.

Da der Dienst in der Office-365-Office-Suite mit Microsoft Office integriert ist, ist vieles selbsterklĂ€rend. Der Austausch darĂŒber wird fortgesetzt, wie OberstudienrĂ€tin Sebnem Maier (unterrichtet Wirtschaft und Verwaltung) und Sandra Bork, Fachlehrerin fĂŒr BĂŒrotechnik, ĂŒbereinstimmend berichten.

Als sich abzeichnete, dass der Unterricht fĂŒr lĂ€ngere Zeit nur noch virtuell wird stattfinden können, wurde rasch deutlich, dass SchĂŒler, die nur ĂŒber ein Smartphone verfĂŒgen oder keine stabilen Internetverbindungen haben, nicht oder nur schwer mithalten können.

Im großen Stil mussten zudem Email-Accounts als SchulzugĂ€nge zu Microsoft Teams angelegt werden. „Dadurch, dass ich Word und PowerPoint unterrichte, gab es dabei keine Probleme.

Die SchĂŒler konnten zuschauen, wie es funktioniert und direkt nachfragen“, sieht Sandra Bork vor, dass auch kĂŒnftig, SchĂŒler, die nicht zum Unterricht kommen können, sich virtuell zuschalten können.

„Teams“ nutzt ĂŒber den Lockdown hinaus auch Gabriele Schulz, die als Klassenlehrerin der Medizinischen Fachangestellten den Ausbildungsbetrieben ihr ausdrĂŒckliches Lob ausspricht.

Als fĂŒr den Onlineunterricht feste Zeiten unabdingbar wurden, stellten die Arztpraxen ihre Auszubildenden hierfĂŒr frei und statteten sie bei Bedarf auch mit den erforderlichen EndgerĂ€ten aus.

OberstudienrĂ€tin Silke Klar vom Fachbereich Elektro/Mathematik blickt auf unterschiedliche Erfahrungen zurĂŒck: „In Vollzeitklassen in der Berufsfachschule war es schwieriger, die jungen Menschen zu motivieren. Da half nur eine wiederholte Aufforderung per Email oder das GesprĂ€ch mit dem Klassenlehrer oder den Eltern.“

Vorgekommen sei es aber auch, dass einfach das Netz nicht ausreichte, um ohne Unterbrechungen am Video-Chat teilnehmen zu können. Jedenfalls theoretisch ist einiges machbar, stellt sie fest: „ Ein kompletter Unterricht wird schon lĂ€nger auf Moodle abgebildet“.

Und auf „Microsoft Teams“ können SchĂŒler auch eigene Gruppen anlegen und darĂŒber ihre Teamarbeiten erledigen. Kleine Video-Tutorials können eingestellt werden.

Auch wenn lĂ€ngst nicht alle SchĂŒler es geschafft haben, bestĂ€ndig von Zuhause aus mitzuarbeiten, hat Fachlehrerin Ute Horn (Elektrobereich) sich besonders ĂŒber ein Ergebnis sich freuen können.

Eine Klassenarbeit in der Klasse, die schon im ersten Lehrjahr digital gearbeitet hat, war so gut ausgefallen wie noch nie zuvor.

Der Austausch sei besonders intensiv vor PrĂŒfungen gewesen, berichtet sie. Gefehlt habe vielen der persönliche Kontakt aber dann doch. „Viele haben gefragt, wann es wieder richtigen Unterricht geben wird.“

FĂŒr Firat S. aus Beerfelden, der eine Ausbildung zum FremdsprachensekretĂ€r absolviert, war die Coronazeit zu Beginn sehr anstrengend und mit vielen schlaflosen NĂ€chten verbunden. Die Lehrer seien gut vorbereitet gewesen und ĂŒber „Teams“ sei alles nach und nach besser gelaufen.

„Ich bin sehr dafĂŒr, dass im Unterricht mehr digital gearbeitet wird“, sagt der angehende Kaufmann. Auch Aron Sander (20) aus Schöllenbach hat festgestellt, dass digitaler Unterricht viel Eigenverantwortung und Motivation abverlangt. Er ist Auszubildender in Mechatronik. Den Unterricht vor Ort findet er daher besser.

Bernd Vaupel (Lehrkraft im Fachbereich Elektrotechnik) blickt auf die schwere Zeit mit gemischten GefĂŒhlen zurĂŒck. Einerseits habe sie die Chancen beschleunigt, um Material fĂŒr LehrkrĂ€fte und SchĂŒler anzuschaffen.

Dieses optimal einzusetzen, erfordere Schulung und Bereitschaft zur Eigenverantwortung. „FĂŒr die Zukunft spielt die VerfĂŒgbarkeit eine sehr wichtige Rolle“, sagt er und richtet den Appell an die Politik, den Digitalpakt zĂŒgig umzusetzen.

Madzid Hambiralovic unterrichtet am Beruflichen Gymnasium und hat mit ErklĂ€rvideos gute Erfahrungen gemacht. Vorausgesetzt, alle SchĂŒler sind mit entsprechenden EndgerĂ€ten ausgestattet, mĂŒssten digitale Hausaufgaben zum Regelfall werden.

„SchĂŒler können sich nicht mehr herausreden, sie seien krank gewesen und hĂ€tten sich die Aufgaben nicht besorgen können“, sei dann vorbei. Insgesamt sei digitales Arbeiten nicht nur transparenter fĂŒr Lehrkraft, sondern auch gerechter fĂŒr die Leistungsbewertung.

Digitalisierung als Hilfsmittel zum selbstorganisierten Lernen? Auch StudienrĂ€tin Julia Becker, die Wirtschaft und Mathematik am Beruflichen Gymnasium und in kaufmĂ€nnischen Berufsschulklassen unterrichtet, findet: „Die Kommunikation hat sich sehr verbessert.

Die SchĂŒler sind eher dazu bereit, den Lehrer zu kontaktieren und sich ĂŒber ‚Teams‘ Informationen zu besorgen, wenn etwas vergessen wurde oder unklar war.“ SchĂŒler, die es verstanden haben, nutzten jetzt ausschließlich die Hausaufgabenfunktion.

Dem kann auch Lenhard Weber (18) aus Groß-Umstadt etwas Positives abgewinnen. Persönlich bevorzugt er Arbeitsmaterialien in Papierform, gewinnt der digitalisierten Version aber immer mehr ab.

„Wir lernen viel ĂŒber PrĂ€sentationen, die man digital im Nachhinein noch mal ansehen kann. In dem Maße, wie es bei uns lĂ€uft, finde es ganz gut“, sagt er.

Als Fazit stellt Schulleiter Wilfried Schulz fest: „Sicherlich sind wir erst auf einem digitalen Lernprozess, aber es ist ausgesprochen erfreulich, wie sich LehrkrĂ€fte und Lernende unter schwierigen Bedingungen auf einen guten und spannenden Weg gemacht haben. Diese Erfahrungen gilt es jetzt fĂŒr eine nachhaltige Lernstruktur auch in der Breite zu nutzen.“