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Harald Buschmann verstößt gegen Dienstanweisung, Kreisverwaltung missbilligt Vorgehen

Der noch amtierende Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann wurde von der Dienstaufsichtsbehörde gerügt und verweigert weitere Antworten auf Fragen zweier Parlamentsfraktionen und der Presse. Archivfoto: mk-presse

Rüge für abgewählten Erbacher Bürgermeister von der Dienstaufsicht + + + Staatsanwaltschaft arbeitet „zielstrebig an Verfahren“

ERBACH. - Der Odenwaldkreis hat als Kommunalaufsichtsbehörde die Selbstanzeige des Erbacher Bürgermeisters Harald Buschmann vom 11. Januar diesen Jahres mit Schreiben vom 9. April 2018 beantwortet und dem inzwischen abgewählten Kreisstadt-Verwaltungschef eine Rüge erteilt.

Das teilte die Kreisverwaltung jetzt auf FACT-Anfrage mit: „Die in Rede stehende Rückdatierung von Auftragsvergaben, die vom Bürgermeister offengelegt worden ist, wurde dabei missbilligt.“

Ob die Vorgänge strafrechtlich bewehrt seien, habe die Kommunalaufsicht nicht zu entscheiden, teilte Pressesprecher Stefan Toepfer mit, der keine weiteren Details dazu nennen wollte.

Rückdatierung und Stückelung unzulässig

Weitere aktuelle FACT-Recherchen ergaben, die Dienstaufsicht habe insbesondere gerügt, dass Harald Buschmann insoweit gegen die Dienstanweisung der Stadt Erbach verstoßen habe, als er neben der unzulässigen Rückdatierung von Auftragsvergaben auch projektbezogene Aufträge jeweils unter die ihm zustehende Alleinverfügungsberechtigung von 20.000 Euro je Projekt gestückelt habe.

Auf diese Weise hat Harald Buschmann städtische Aufträge an die Erbacher Agentur Lebensform GmbH, der Firma seines Wahlkampfmanagers Johannes Kessel, der Zustimmungspflicht des Magistrats bzw. der Stadtverordnetenversammlung entzogen.

So wurden beispielsweise zum Erbacher Wiesenmarkt 2017 der Firma Lebensform durch den Bürgermeister im Alleingang Aufträge im Gesamtvolumen von gut 51.000 Euro entgegen der für ihn geltenden Dienstanweisung erteilt, und die einzelnen Auftragsvergaben im September 2017 schriftlich auf den Zeitraum zwischen April und Juni 2017 rückdatiert.

Selbstanzeige wird zum Bumerang

Die Rückdatierungen der Wiesenmarktaufträge hat Harald Buschmann im Januar nach einem entsprechenden FACT-Bericht vom 08. Januar (siehe: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews) eingeräumt und am 11.01.2018 Selbstanzeige bei der Kommunalaufsicht erstattet (siehe: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews). Diese Selbstanzeige wurde mit der jetzt erfolgten Rüge zum Bumerang für den Bürgermeister.

Weitere FACT-Recherchen ergaben, dass neben den vom Bürgermeister zugegebenen Rückdatierungen mindestens auch bei Werbeaufträgen an die Firma Lebensform zur Erbacher Schlossweihnacht 2017 die städtischen Aufträge ebenfalls erst nach erbrachter Leistung erstellt und analog der Wiesenmarkt-Aufträge rückdatiert worden waren.

Rückatierte Angebote mit falschem Eingangsstempel versehen?

Mehr noch: Auch die entsprechenden Angebote der Firma Lebensform sollen erst nach bereits erfolgter Leistung bei der Stadtverwaltung rückdatiert eingegangen, und auf Anweisung des Bürgermeisters bzw. seiner Abteilungsleiter mit einem der Rückdatierung angepassten falschen Eingangsstempel versehen worden sein.

Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, weshalb der noch amtierende Verwaltungschef der Odenwälder Kreisstadt nach wie vor die Beantwortung einer FACT-Anfrage vom 2. Februar diesen Jahres sowie weitere gemeinsame Nachfragen der Fraktionen von ÜWG und SPD im Erbacher Stadtparlament vom 8. Februar 2018 ablehnt.

Die Beantwortung der im Februar in einer von Buschmann einberufenen Pressekonferenz gestellten Frage der FACT-Redaktion nach eventuell weiteren rückdatierten Auftragsvergaben neben den vom Bürgermeister ohnedies eingeräumten Fällen, insbesondere im Vorfeld der Erbacher Schlossweihnacht 2017, hatte der Bürgermeister an Abteilungsleiterin Sabine Krämer-Eis delegiert (siehe: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

„Wir haben nichts zu verstecken“, war rasch Makulatur

Die Abteilungsleiterin hatte erklärt, die Frage nicht direkt beantworten zu können und wollte die Vorgänge anhand ihrer Unterlagen prüfen.

Damals reklamierte Buschmann noch für sich: „Еs gibt kaum jemanden, der so offen und transparent ist wie ich.“ Mehrmals versprach der Bürgermeister seinerzeit, er werde alles öffentlich machen, was relevant sei: „Wir haben nichts zu verstecken“, erklärte Buschmann. Dieses Versprechen hatte jedoch eine äußerst geringe Halbwertzeit, war vielmehr rasch Makulatur.

Anfrage der ÜWG- und SPD-Fraktion bestätigt

Am 13. Februar erklärte der Bürgermeister dann auf FACT-Nachfrage an den Magistrat zur noch immer nicht erteilten Antwort und weiterer, zwischenzeitlich bekannt gewordener Parlamentsfragen zweier Fraktionen zu dieser Thematik:

„Wir bestätigen den Eingang einer weiteren Anfrage der ÜWG- und SPD-Fraktion des Erbacher Stadtparlaments vom 8. Februar 2018.

Die Fragen mit zahlreichen Unterpunkten beziehen sich auf Nachforderungen von Unterlagen und ergänzende Informationen zu bereits vorgelegten Unterlagen bezüglich der jetzigen Zusammenarbeit mit der Firma Lebensform, wie auch zu bereits abgeschlossenen Projekten.

„Werden Fragen prüfen und entsprechende Erläuterungen vorbereiten“

Es sind sehr detaillierte Fragen, die bis in die unteren Ebenen der Vorgangsbearbeitung reichen und eine aufwendige Recherche erfordern.

Wir werden die Fragen der Fraktionen prüfen, die notwendigen Unterlagen sichten und entsprechende Erläuterungen dazu vorbereiten. Dies gilt auch für Ihre ergänzenden Fragen, die im Zusammenhang mit den Fragen der Fraktionen stehen.

Anschließend werden wir wieder auf die Fraktionen zugehen. Der geforderten Fristsetzung (Anmerkung der Redaktion: 23.02.2018) werden wir nicht entsprechen können, bitten auch hier um Verständnis, denn es ist einerseits ein zusätzlicher und erheblicher Verwaltungsaufwand und ist auch bei anderen Vorgängen nicht üblich.

Eine Zwischennachricht haben die Fraktionen bereits erhalten und werden auch über unsere Beantwortung Ihrer Anfrage in Kenntnis gesetzt.“

Auch Fragen zweier Fraktionen nach mehr als zwei Monaten unbeantwortet

Seither schweigt Harald Buschmann, der am 4. März bei der Bürgermeisterwahl als Amtsinhaber nur noch 32,2 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, und damit deutlich abgewählt worden war. Auch die gemeinsamen Fragen der beiden Fraktionen (siehe: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews) sind nach aktueller Auskunft des ÜWG-Fraktionschefs Tobias Stock bis dato unbeantwortet geblieben.

Acht Wochen nach der Zwischennachricht des Bürgermeister hatte die FACT-Redaktion am 12. April Harald Buschmann erneut um die längst überfällige Antwort gebeten. Diese Anfrage blieb dann völlig unbeantwortet.

Buschmann lässt über Anwaltskanzlei Antwort verweigern

Einer darauf folgenden weiteren FACT-Aufforderung mit dem Hinweis zur Auskunftspflicht gemäß dem hessischen Pressegesetz vom 19.04.2018 folgte am Freitag, 20. April, die Antwort des Bürgermeisters über die ihn vertretende Darmstädter Anwaltskanzlei Lankau, Dr. Weitz & Collegen.

Dabei teilen die Juristen mit: „Ihr Auskunftsersuchen wird gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Pressegesetz abgelehnt.

Aufgrund verschiedener anonymer Anzeigen gegen Herrn Buschmann zu dem von Ihnen in Ihrer Anfrage vom 12.04.2018 angesprochenen Themenbereich hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt ein Ermittlungsverfahren gegen unseren Mandanten eröffnet.

Ãœber den Stand des Verfahrens haben wir keine Kenntnis. Auch der weitere zeitliche Verlauf ist uns nicht bekannt.

Weil aber zu befürchten steht, dass durch eine öffentliche Diskussion inhaltlicher Fragen, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind, das Verfahren möglicherweise erschwert oder verzögert werden könnte, wird die von Ihnen gewünschte Auskunft verweigert.“

Verdächtigter muss sich nicht selbst belasten

Ungeachtet der fehlerhaften Darstellung der Kanzlei, die FACT-Anfrage datiere vom 12.04.2018 (tatsächlich wurde die Frage bereits am 02.02.2018 in der von Harald Buschmann einberufenen Pressekonferenz gestellt, und die Antwort -siehe oben- mit einem Zwischenbericht vom 13.02.2018 auf einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt) ist es selbstverständlich völlig gesetzmäßig, dass ein einer Straftat Verdächtigter sich nicht selbst belasten muss.

Vor diesem Hintergrund ist die Verweigerung selbstverständlich auch presserechtlich durchaus gerechtfertigt. Allerdings hätte es zu dieser Mitteilung keiner anwaltlichen Beratung und Vertretung bedurft, vielmehr hätte eine einfache Antwort des noch amtierenden Kreisstadtbürgermeisters auf die entsprechende FACT-Anfrage vom 12.04.2018 gereicht.

Staatsanwaltschaft arbeitet „zielstrebig“ an Verfahren

So bleibt es wohl den Ermittlungen der Darmstädter Staatsanwaltschaft vorbehalten, Antworten auf die offenen Fragen im Zusammenhang mit der dubiosen Geschäftsbeziehung der Stadt Erbach mit der in der Kreisstadt angesiedelten Agentur Lebensform GmbH zu finden.

Der Pressesprecher der Darmstädter Ermittlungsbehörde, Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, erklärte dazu am Freitag auf eine entsprechende Agenturanfrage, er könne versichern, dass an dem Verfahren „zielstrebig gearbeitet wird“.

Parlamentsfraktionen gefordert

Ungeachtet dieser juristischen Beleuchtung der Vorgänge steht Harald Buschmann allerdings aufgrund der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) noch immer in der Pflicht, die von SPD und ÜWG am 8. Februar diesen Jahres vorgelegten Fragen umfassend zu beantworten.

Die beiden Parlamentsfraktionen wären ansonsten gefordert, sich die Antworten auf ihre gemeinsam gestellten Fragen zu den entsprechenden Vorgängen entweder über einen Akteneinsichtsausschuss zu verschaffen, oder die Sachlage ebenfalls strafrechtlich überprüfen zu lassen.