AWO Integra richtet neues Bildungszentrum in Erbach ein
ODENWALDKREIS / ERBACH. - 25 Jahre sind es bereits her, dass die damals noch in eigener Regie firmierende gemeinnützige Gesellschaft für Soziale Arbeit Integra in der Carl-Benz-Straße in Erbach eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung eröffnet hat.
Im Jahr 2016 sind alle Einrichtungen der Integra in die Trägerschaft der AWO Hessen Süd übergegangen, so auch Werk 2, wie der Standort auch nach außen hin bezeichnet wird. In diesen Tagen zeichnet sich eine weitere Veränderung ab, die in erster Linie dem gestiegenen Bedarf und den Anforderungen speziell im Bereich der beruflichen Bildung Rechnung trägt.
„Werk 2 ist mit einer dauerhaften Auslastung seiner 60 Plätze schon länger am Kapazitätslimit angekommen“, sagt Projektleiter Jürgen Lehmeier. Abhilfe und noch einiges mehr schaffen soll eine Lösung, die buchstäblich vor der Haustür liegt.
Der erfahrene Pädagoge deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo erst vor kurzem das Schild angebracht wurde, auf dem „AWO Integra Berufsbildung“ geschrieben steht.
Zuvor haben Verputzer dem Gebäude einen neuen Anstrich verpasst und damit einer weiteren AWO-Integra Adresse ein ansprechendes Gesicht verliehen.
Im Inneren des dreistöckigen Gebäudes sind die Umbau- und Renovierungsarbeiten auf über 600 Quadratmetern noch voll im Gange. Ausbesserungs- und Malerarbeiten werden auch von Mitarbeitern des AWO-Werks 2 durchgeführt.
Im Zentrum ihres Wirkens steht das neue Bildungszentrum, das im Erdgeschoss einziehen wird und die seither auf die beiden Standorte Höchst/Mümling-Grumbach (Werk 1) und Erbach (Werk 2) verteilten Berufsbildungsbereiche für Menschen mit geistiger Behinderung zusammenführt, erläutern die Verantwortlichen der AWO Integra.
Mit der Konzentration auf einen Standort ergeben sich neben der qualitativen und quantitativen Verbesserung der Raumqualität weitere wichtige Vorteile, unterstreicht Lehmeier.
Mit der Umsetzung der Konzeption für die Berufsbildung an einem Ort werde die Teambildung für Menschen mit Behinderung und ihren Arbeitserziehern gestärkt und die Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Berufliche Integration gesteigert.
Nach außen hin profitieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von kürzeren Wegen zur Schule und zu Praktikumsstellen, zählt Lehmeier weiter auf.
Es sind überwiegend Schülerinnen und Schüler, die bis zum Ende ihrer Schulzeit die Schule am Drachenfeld in Erbach besucht haben und danach in das dreimonatige Eignungsverfahren am Bildungszentrum überwechseln.
In dieser Zeit, so erläutert der Leiter Berufsbildung, Karlheinz Weyrauch, durchlaufen sie „ihren Fähigkeiten und Neigungen nach“ AWO-eigene Arbeitsangebote wie Küche und Service, Catering, Landschaftspflege, Metallverarbeitung und Montage und können Praktika in nahen gelegenen Verwaltungen, Unternehmen, Kindergärten und Pflegeheimen absolvieren.
Mit der Aufnahme und weiteren Arbeitsplätzen werde den gestiegenen Bedarfen Rechnung getragen, fügt der Projektleiter hinzu.
Im Erdgeschoss werden auch weitere Arbeitsplätze im Werkstattbereich eingerichtet. „Durch die enge Zusammenarbeit vom Berufsbildungsbereich und dem Arbeitsbereich wird das Bildungskonzept pragmatisch, personenzentriert und übergreifend umgesetzt“, fasst Lehmeier die Vorteile zusammen.
Raum bietet das neue Haus auch für eine Gruppe mit besonderen Bedarfen, wie es im Fachjargon lautet, wenn die Rede ist von Menschen mit einer Behinderung, die „mit herausforderndem Verhalten mit Aggressionspotenzial mit Fremd- und Eigengefährdung“ einhergeht.
Für sie „besteht nicht nur die Möglichkeit der Integration in soziale Strukturen, sondern auch personenzentriert an die Arbeit herangeführt zu werden“, unterstreicht Lehmeier, dass dieses besondere Angebot auch für Betroffene gilt, die außerhalb des Odenwaldkreises zuhause sind.
Schließlich runden gemeinsame Bildungsangebote mit dem Team Berufsbildung das Konzept nach dem Aggressionsbehandlungs- und Sicherheitsprogramm ab.
Alles läuft derzeit nach Plan. Die ersten Arbeitsplätze werden demnach Ende Mai eingerichtet sein. Zurück zur Vorgeschichte: Das Gebäude wurde Mitte der neunziger Jahre errichtet und diente seitdem als Sitz des Unternehmens Veith Alarmanlagen und Elektrotechnik.
Als die AWO Integra von der zum Verkauf stehenden Immobilie erfuhr, dauerte es nicht lange, bis die beschriebenen Ziele in den Köpfen bereits skizziert waren. Jetzt galt es, einen Investor zu finden, der ebenso Gefallen an den Plänen finden wird.
Als die Michelstädter Brüder Christian und Felix Mühlhäuser und der Geschäftsführer der AWO Hessen Süd, Ulrich Bauch, sich auf eine Kooperation verständigten, nahm das Vorhaben rasch an Fahrt auf.
Als neuer Miteigentümer der Immobile betont Christian Mühlhäuser: „Das Team der AWO Integra leistet einen wertvollen Beitrag für das Miteinander in unserer Gesellschaft im Odenwald. Wir freuen uns, dieses vorbildliche Engagement durch die Erweiterung des Standorts in Erbach unterstützen zu können.“
So war es auch keine Frage, dass mit der neuen Nutzung auch der Einbau von Schulungsräumen, eines Aufzugs und behindertengerechten Toiletten garantiert sein müssen.
Mühlhäuser ergänzt: Im Dachgeschoss werden behindertengerechte Wohnungen entstehen. So können betroffene Menschen auch in ihrem privaten Umfeld von dem Gemeinschaftsprojekt profitieren.