Neuer Anlauf, alte Probleme beim Erbacher Hotelprojekt

Die im Jahr 2022 von Bürgermeister Dr. Peter Traub vorgestellte Planung eines 100-Zimmer-Hotels auf dem Gelände des ehemaligen Erbacher Möbelhauses Schmidt ist mangels eines Investors und eines zahlungsunfähigen Projektierers Mitte vergangenen Jahres kläglich gescheitert, erlebt jetzt allerdings eine auf rund 80 Zimmer abgespeckte Neuauflage mit neuen Projektierern, die das Hotel auch selbst betreiben würden, sofern sich ein Investor findet und das Parkplatzproblem gelöst werden kann. Archivfoto: Pressedienst Erbach
ERBACH. - Nächstes Kapitel in der >never ending story< Hotelprojekt Erbach. Nachdem im vergangenen Jahr bekanntlich das gesamte >Südstadtprojekt< am ehemaligen Standort des Möbelhauses Schmidt und der Friedrich-Ebert-Straße mit einem vermögenslosen, in Rente befindlichen Projektierer kläglich gescheitert war.
Das ambitionierte Erbacher Südstadtprojekt, Mitte des Jahres 2022 als Heilsbringer in Sachen dringend benötigtem Hotel in der Kreisstadt zuzüglich Boardinghaus wie auch einem zukunftsorientierten Ärztezentrum sowie einem großzügigen Parkdeck am Ende der Friedrich-Ebert-Straße zur Illigstraße gestartet, endete spätestens zur Jahresmitte 2024 als Mega-Flopp (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Zwei weitere Projektierergruppen, die auch als Betreiber fungieren würden
Jetzt präsentierte Bürgermeister Dr. Peter Traub in einem weiteren Anlauf den städtischen Gremien zwei weitere Projektierergruppen, die jeweils mit eigenen Ideen aufwarteten, für deren Umsetzung allerdings noch keine Investoren haben, das Hotel im Falle einer erfolgreichen Investorensuche aber selbst betreiben würden.
Auch wenn die in der zurückliegenden Woche einmal im Bauausschuss (Projektgruppe 1) und einen Tag später im Haupt- und Finanzausschuss (Projektgruppe 2) präsentierten Projektideen sowohl von Größe als auch von Ausstattung und Ausrichtung nahe beieinander liegen, so unterscheiden sich die beiden Projektierer dennoch nicht unerheblich.
Problemstellungen Finanzierung und Parkflächen
Die Problemstellung gestaltet sich bei beiden Projekten freilich identisch: es werden Investoren gesucht, die bereit sind 10 bis 11 Millionen (Projekt eins), bzw. 7,5 Millionen plus X (Projekt zwei) an Investitionssummen bereitzustellen.
Hinzu kommt die zumindest beim Projekt eins mit 81 Zimmern völlig ungelöste Parkplatzfrage bei nur 17 möglichen Parkflächen auf dem Hotelgrundstück, während das vorgestellte Projekt zwei angeblich alle erforderlichen Parkflächen bei 80 Zimmern und vorgesehenen 18 Mitarbeitern auf dem Hotelgrundstück unterbringen könne.
RS Plan AG, ein seit 35 Jahren familiengeführtes Unternehmen
Zunächst präsentierte sich die in Bad Kreuznach beheimatete RS Plan AG, ein mit soliden Bilanzsummen aus 2021 und 2022 ausgestattetes, seit 35 Jahren familiengeführtes Unternehmen mit Namensgeber Rainer Schmitt als Geschäftsführer.
Durch Oliver Weyrauch, langjähriger Mitarbeiter der Volksbank Odenwald und heute selbständiger Immobilienmakler und Projektentwickler in Michelstadt, erlangte dessen Fussball-Bekannter Schmitt (beide sind Fans des FSV Mainz 05) beim gemeinsamen Besuch des Michelstädter Weihnachtsmarktes Kenntnis über das im vergangenen Jahr gescheiterte Erbacher Hotelprojekt.
„Erbach passt in unser Portfolio“
„Erbach passt in unser Portfolio“, erkannte Rainer Schmitt schnell und betonte dies auch bei der aktuellen Präsentation seiner Vorstellungen. „Wir führen seit über 35 Jahren Projekte mit ganz vielen Gesellschaften durch und begleiten diese bis zum Projektende, bzw. halten diese auch in unserem Bestand“, erläuterte er.
Dabei spiele zwangsläufig „die Wirtschaftlichkeit neben ganz vielen anderen Dingen eine wesentliche Rolle“, sagte Schmitt. „Dazu suchen wir Firmen in der jeweiligen Region, die unsere Projekte in Stahlbauweise errichten.“
Langfristiger Projektbetrieb als zentraler Punkt der Planung
Zentraler Punkt bei all diesen Aktivitäten sei die Frage, wie man ein solches Projekt langfristig, sprich ab 15 Jahren aufwärts, betreiben könne, nimmt Schmitt die Betreiber-Interessen in den Blick.
Dazu war Dr. Christian Buer, Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Heilbronn, der dort die wichtigsten Fragen zu touristischen Unternehmen, insbesondere Hotels lehrt, und als Projektleiter bei der Steigenberger Consulting GmbH tätig war, mit nach Erbach gekommen, um die konzeptionelle Basis des Projekts zu erläutern.
Betriebswirtschaftler Prof. Christian Buer als Berater der AG
Als selbständiger Unternehmensberater in der eigenen Beratungsgesellschaft Nemis berät Prof. Buer Entwickler, Finanzierer und Immobilien-Experten für touristische Immobilien, darunter auch die RS Plan AG.
„In einem permanent optimierenden Prozess“ gelte es im Umfeld des gegenwärtigen Gasthofsterbens die wirtschaftliche Stabilität eines „Lifestyle-Produktes namens Moxy“ kommunikativ mit jungen Leuten umzusetzen und diese zu fördern, sagte er.
Bei 60 Prozent Auslastung langfristiger Hotelbetrieb gewährleistet
Dafür wolle man „mit Regionalität im Projekt“ und funktionalen 81 barrierefreien Doppelzimmern über drei Etagen, davon 66 Standard-Zimmern, von jeweils 17qm zuzüglich 2,5 qm Bad zum kalkulierten Preis von 109 Euro pro Nacht sowie weiteren Zimmern, die gekoppelt auch von Familien mit Kindern bewohnt werden können, in Erbach sorgen.
Bei einer avisierten Auslastung von 60 Prozent sehe man einen langfristigen Hotelbetrieb (ab 15 Jahre aufwärts) gewährleistet, ergänzte Rainer Schmitt.
Projekt >Moxy< ohne Hotel-Restaurant aber mit Frühstück, Snacks und Getränken
Eine große Bar in der Lobby, die 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche besetzt ist, soll gleichzeitig als Ein- und Auscheckcounter und „erweitertes Wohnzimmer“ dienen. Hier soll es auch neben einer Selbstbedienungstheke einfache Gerichte geben. Eine Bibliothek hinter der Bar könne der Entspannung dienen.
Das Projekt >Moxy< sieht kein Restaurant im Hotel vor, für Frühstück, sowie Snacks und Getränke sollen stattdessen zwei Caterer sorgen. Auch solle es im Hotel weder einen Frühstücksraum noch sonstige größere separate Räume geben.
„Open-Lobby-Konzept mit fließenden Übergängen und verschiedenen Zonen“
Vielmehr sei ein „Open-Lobby-Konzept mit fließenden Übergängen und verschiedenen Zonen mit unterschiedlichem Charakter vorgesehen“. Vor diesem Hintergrund sei auch der Personaleinsatz relativ gering.
Die bewusst schlicht gehaltene funktionale Zimmereinrichtung mit Bad und WC, Klapptisch, einem 50-Zoll-Fernseher, Teppichboden, jedoch ohne Kleiderschrank, vereine „einen Mix aus Moderne und Tradition“ und diene dem Ziel „nach unten in die Community zu gehen und dort beim Treffen ins Gespräch zu kommen“, sagte Buer. Und Rainer Schmitt ergänzte: „Mit >Moxy< wollen wir Frische und Andersartigkeit nach Erbach bringen.“
Technikoffene Bauweise mit hohen klimatisierten Zimmern und bodentiefen Fenstern
Der Hotelbau solle in technikoffener Bauweise mit hohen klimatisierten Zimmern und bodentiefen Fenstern, auf dem Dach mit Fotovoltaikanlage und durch Wärmepumpen beheizt in einer Bauzeit von 15 bis 16 Monaten errichtet werden, „weil in dem geplanten Bau technisch bereits alle Vorgaben aus dem existenten Bebauungsplan eingehalten sind“. Rund um den Baukörper ist nach allen Seiten ein mehr oder weniger breiter Grüngürtel vorgesehen.
Auch weil das Hotelgrundstück „mit 2.272 Quadratmetern eigentlich zu klein ist, um genügend Parkplätze zu errichten“, könne es hier lediglich 17 Stellplätze geben.
44 Parkflächen durch Überbau des gegenüberliegenden Busparklatzes möglich
Die Lösung des damit vorhandenen Parkproblems könne man sich dergestalt vorstellen, „dass die Busparkplätze neben dem vorhandenen Parkdeck im städtischen Besitz gegenüber dem geplanten Hotel überbaut würden und dort neben den 17 eigenen Parkflächen weitere 44 Stellflächen entstehen könnten, die man pachten würde“, sagte Rainer Schmitt.
Abschließend regte Schmitt an, zur Finanzierung des Hotelvorhabens eventuell auch eine Projektgesellschaft zu gründen unter dem Motto: „In die Region für die Region.“
„Vorreiter“ sehen Praxis besser als Theorie
„Theorie ist gut, Praxis ist besser.“ Darin sind sich die „Vorreiter“ Alexander Aisenbrey, Oliver Mathée und Alex Obertop von der gleichnamigen Vorreiter-Aktiengesellschaft einig.
Die langjährige Erfahrung einer „branchenübergreifenden Expertise im operativen Management der Hotellerie- und Hospitality Branche“ der Vorstände bilde das Fundament für deren Beratungsarbeit.
„Betreiben aus Leidenschaft Hotels mit und ohne Gastronomie“
Das noch junge, seit Ende 2023 bestehende Kölner Unternehmen hat sich dem „Halten und Verwalten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften sowie der Erbringung von Management-, Consulting- und weiteren Dienstleistungen gegenüber Tochtergesellschaften und verbundenen Unternehmen, auch gegen Entgelt, soweit die Erbringung der Dienstleistungen nicht der Erlaubnis bedarf“ verschrieben.
Die „Drei Experten mit einer Vision“ betreiben nach eigener Darstellung „aus Leidenschaft Hotels mit und ohne Gastronomie“ unter dem Namen Lumiq. Alex Obertop konkretisierte: „Wir sind Experten und wir sind die Betreiber, das zeichnet uns aus.“
„Schlichtes Gebäude in Holzbauweise für 80 Doppelzimmer“
Bei allen geplanten Projekten habe man Individuallösungen, „keine Generallösung, die wir über alles drüberstülpen, sondern wir schauen uns den jeweiligen Markt an“, verdeutlichte Oliver Mathée.
Ähnlich dem Wettbewerber RS Plan habe man für Erbach ein „schlichtes Gebäude in Holzbauweise mit sehr viel Natur und viel Holz bei 80 barrierefreien Doppelzimmern von jeweils 18 Quadratmetern Größe auf ebenfalls drei Etagen vorgesehen“.
„Die Menschen in Erbach glücklich machen“
„Hotel ist unsere Kultur, hier findet Leben statt“, bei dem allerdings der Schlaf im Mittelpunkt stehe, „um am nächsten Tag erfolgreich zu sein“.
Getreu Loriots Motiv wolle man „die Menschen in Erbach glücklich machen“ mit 70 Normalzimmern und weiteren zehn Zimmern, die mit einer kleinen Küchenecke ausgestattet, und für längere Aufenthalte konzipiert sind.
Zum Übernachtungspreis von 85 Euro kalkuliert
Speziell entwickelte Betten, die alle mit Blick zum Fenster ausgerichtet in einem gemütlichen Raum mit Holzboden, warmem Licht und natürlichen Farben, Ablageflächen und einem Kleiderschrank untergebracht werden sollen, sind zum Übernachtungspreis von 85 Euro kalkuliert.
Auch für das geplante Hotel Lumiq Erbach ist kein à la carte-Restaurant vorgesehen. Vielmehr wolle man den Frühstücksbereich bis in den Nachmittag hinein offen halten und neben Frühstück auch kleine Speisen und Snacks anbieten.
18 Mitarbeiter „mit Freiheiten zur Entwicklung“ vorgesehen
Die Planung des Erbacher Lumiq-Hotels entbehrt auch eines Tagungsraums. Nach einer Bauzeit von 12 bis 18 Monaten sollen hier 18 Mitarbeiter kombiniert in unterschiedlichen Teilbereichen „mit Freiheiten zur Entwicklung“ in einem „so effizient und grün wie möglichen gehaltenen Projekt“, ebenfalls langzeitlich betrieben, eingesetzt werden.
Alex Obertop sprach abschließend von einer „Partnerschaft, die Hotelbetreiber, Stadt, die Menschen hier und die neuen Besucher verbindet“. Daher sehe man den „Standort Erbach als >Granate<“.
Gremien sollen über Verkauf und wenn ja an wen entscheiden
Bürgermeister Dr. Peter Traub skizzierte zu beiden präsentierten Projekten das weitere Procedere: „Sobald eine der beiden Gruppen, oder idealerweise beide, die Finanzierung sichergestellt“ wisse werde er mit einem Beschlussvorschlag vor die Gremien treten.
Diese müssten dann entscheiden, ob die Stadt das Grundstück des ehemaligen Möbelhauses Schmitt verkaufen wolle und falls ja zu welchem Preis und an welche der beiden Gruppen.