Alte Seilschaften dominieren unter neuer Führung: Kuhhandel zu Lasten des Steuerbürgers
Weitere erhebliche Kosten sollen in Kauf genommen werden, um mit einem zweifach verkauften Logo weiterhin Werbung für den Odenwaldkreis betreiben zu dürfenODENWALDKREIS. - Der brave Odenwälder Steuerbürger kommt aus dem Staunen nicht heraus: Inzwischen summiert sich der Gesamtbetrag, den Landrat Dietrich Kübler mit dem ursprünglich EU-geförderten Projekt „Standortmarketing“ in den Sand gesetzt hat, auf nahezu eine halbe Million Euro. Weit über 330.000 Euro sind dem Odenwaldkreis bislang schon durch widerrufene EU-Fördergelder, Vergleichs-, sowie Gerichts- und Anwaltskosten bei dem aus dem Ruder gelaufenen Projekt entstanden.
Und jetzt sollen unter der Führung des neuen Landrats Frank Matiaske weitere erhebliche Mittel aufgewendet werden, um das Logo behalten zu dürfen, dessen Image ohnehin stark beschädigt ist.
„Man hat es ja wohl im kleinsten hessischen Landkreis, denn bisher sind keinerlei Bemühungen erkennbar, die Verursacher des immensen Schadens zum Ausgleich heranzuziehen“, schreibt dazu die in Reichelsheim ansässige Agentur pdh.
„Angesichts der großen Schadenssumme mutet es recht seltsam an, was momentan im Landratsamt, Kreisausschuss und den Kreisunternehmen OREG und Odenwald Tourismus beraten wird. So werden Überlegungen kolportiert, der schon bisher großen Summe noch weitere 35.700 Euro im Rahmen eines Vergleichs mit einer Werbeagentur hinzuzufügen“, heißt es weiter in dem Agenturbericht.
„Diese hatte nach bisherigen Erkenntnissen mit Rechnung vom 20. Januar 2010 ein Logo, die Wort-/Bildmarke „Odenwald – Auf Natur umschalten" sowie eine Corporate Identity (CI) und Corporate Design (CD) an die Odenwald Tourismus GmbH (OTG) verkauft.
Der Auftrag war am 30. September 2009 erteilt worden. Mit Bezahlung der Rechnung durch die OTG waren die ausschließlichen Nutzungsrechte auf die OTG übergegangen. Die Transaktion war mit Fördergeldern unterstützt worden.
Noch im Frühjahr 2010 ließ die OTG die Wort-/Bildmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer 302013052142 und/oder 302010019869 eintragen und für sich schützen.“
Der Verkäufer des Logos offerierte dem Odenwaldkreis zwei Jahre später im Rahmen einer EU-Ausschreibung das identische Logo mit einer neuen Untertitelung als „neue“ Wort-/Bildmarke und kassierte dafür zum zweitenmal Geld, diesmal zunächst gefördert mit EU-Geldern.
Die Abwicklung erfolgte diesmal über die Odenwaldkreis-Tochter Odenwald Regionalgesellschaft (OREG) im Rahmen des Projekts „Standortmarketing“.
„Bis dato sind Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft Darmstadt, mit dieser Auftragsvergabe befasst, denn im Rahmen der Ausschreibung wurde die bereits ausgeschiedene Werbeagentur gegen die Entscheidungen der Jury vom damaligen Landrat Dietrich Kübler in die Bietergruppe zurückgeholt und „gewann“ schließlich den Wettbewerb.
Dies alles geschah zu Beginn des Jahres 2012. Umstände und dadurch entstandene Schadenssumme sind noch immer Gegenstand von Ermittlungen, erneut ausgelöst durch den Widerruf eines Großteils der Fördersumme durch die hessische Wirtschafts- und Infrastrukturbank in Offenbach im Frühjahr 2015 wegen >schwerer Vergabefehler<“, schreibt die pdh-Agentur.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hatte dem Ex-Landrat Dietrich Kübler bereits am 15. September 2014 vorgeworfen, er habe „in rechtswidriger Weise auf das Ausschreibungsverfahren Einfluss genommen z. B. durch plötzlich vorgeschlagene Änderung des ursprünglich vereinbarten Abstimmungs- und Bewertungsmodus in Sitzungen zur Auswahl der Bewerber, durch Missachtung förmlicher Kriterien beim Eingang von Ausschreibungsunterlagen und Missachtung von eingeholtem Rechtsrat seines Rechtsamtes“.
„Der Landrat wurde mittlerweile abgewählt, die Werbeagentur überzog die OTG mit Klagen, diese antwortete mit Widerklagen. In einem Fall verlangte die Agentur Honorarzahlungen in Höhe von 80.000 Euro für Bilddateien, das Landgericht Frankfurt gestand ihr jedoch im Wege eines Vergleichs lediglich 10.000 Euro zu“, schreibt die pdh-Agentur treffend und ergänzt:
„Der neue Landrat, Frank Matiaske von der SPD, möchte verständlicherweise >die Gräben< zuschütten. Tatsächlich waren er und auch seine Partei in die Affäre nicht involviert und die ständigen Klagen und Widerklagen zerren an den Nerven. Zumal sich in Sachen Standortmarketing noch immer ein Riss durch die politische Landschaft im Odenwald zieht. Der Kreistag hatte dem Kreis und den Kreisunternehmungen mit Mehrheit am 7. Juli 2014 zukünftige Beschäftigung der Agentur untersagt, was zwei Parteien (CDU und ÜWG) wieder ändern wollen. Ein Vergleichsvorschlag der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt vom 24. Februar 2016 gibt dem Nahrung.
Vor dem Hintergrund der politischen Dissonanzen im Odenwaldkreis, die sich auch durch die Aufsichtsräte zum Beispiel der OTG ziehen, konnte ein Einzelrichter einen Vergleichsvorschlag unterbreiten, der eine endgültige Zahlung von 30.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an die Werbeagentur vorsieht und den Krach beenden soll. Zumindest soll ausgeschlossen werden, dass die Wort-/Bildmarke ein weiteresmal verkauft wird.“
Nach FACT-Informationen haben beide Streitparteien den Vergleich aus formaljuristischen Gründen abgelehnt, Kreisausschuss und Landratsamt in Abstimmung mit den Anwälten der Parteien dem Gericht aber ein neues Vergleichsangebot vorgelegt, das jetzt auch von den Kreisgremien abgesegnet werden soll.
„In einem Entwurf einer Pressemeldung, die zum Thema möglicherweise verteilt werden soll, spricht der Landrat in Anlehnung an den bemängelten Doppelverkauf des Logos davon, dass ein >Leasingrückläufer nach Kündigung des Leasingvertrages durchaus wiederkauft werden könne<, ein im Kreis sehr umstrittener Vergleich, der die Wogen sofort wieder hochgehen ließ.
Dennoch führt der Landrat im Entwurf aus, dass die Werbeagentur hinsichtlich des strafrechtlich relevanten Doppelverkaufs „in Zusammenhang mit diesbezüglichen Vorwürfen vollständig rehabilitiert“ sei. Was bedeutet, dass die Agentur wieder mit Kreisaufträgen versorgt werden dürfe.
Überdies solle ein neues Kapitel in der politischen Kultur des Landkreises aufgeschlagen werden. Nicht aus den Texten des Vergleichsentwurfs herauszulesen ist, dass der Odenwälder Steuerzahler mit einem hohen dreistelligen Eurobetrag die ausgerufene neue politische Kultur bezahlen soll, nur damit die neue Kreisleitung in Zukunft ihre Ruhe hat.
Eine besonders bittere Note erhält der gesamte Vorgang durch den Umstand, dass Landrat Matiaske es nach Informationen aus seinem Umfeld noch immer nicht geschafft hat, sich von alten Seilschaften der Vorgänger-Regentschaft zu distanzieren.
Die Parteien beraten die Angelegenheit in getrennten Treffen vor den Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses am morgigen Dienstag, 28. Juni, und der kommenden Kreistagssitzung am Montag, 4. Juli. Die Partei DIE LINKE hat bereits angedeutet, dass sie den „Kuhhandel" nicht billigen und weiter darauf pochen werde, >Licht in das Dunkel zu bringen<.
Aus anderen Richtungen ist zu hören, dass einem derartigen Vergleich, vor allem in Verbindung mit Beschönigungen dieser Art, nicht zugestimmt werden könne“, heißt es in dem pdh-Beitrag abschließend.