ODENWALD-TILL: Wie harmloser Mailverkehr zur Aporie mutiert
Heute widmet sich Odenwald-Till in seinem Satire-Beitrag einer intellektuellen Fehleinschätzung in Erbachs RathausODENWALDKREIS. - Manchmal hat man ja sehr seltsame Assoziationen. „Heftig ist diskutiert worden über die Dystopien des Überwachungsstaates. (…) Was dabei übersehen wird: Es gibt schon seit Jahren das Modell eines lückenlos überwachten öffentlichen Raums. Das Fußballstadion. (…) Müsste man nicht (…) gerade aus den Problemen des Videobeweises im Fußball auch etwas über die Aporien der Videoüberwachung im Allgemeinen, über die Beweiskraft von Bildern und die Krise der Evidenz erfahren?“, fragte Peter Körte im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Wenn Peter Körte dabei den Fußball ins Visier nahm, so lässt sich das zweifelsfrei auch auf das aktuelle Handeln im Erbacher Rathaus übertragen. Da empfindet Bürgermeister Harald Buschmann die Kandidatur eines Mitbewerbers um den Chefsessel in der Verwaltung der Odenwälder Kreisstadt als Majestätsbeleidigung.
Und entsprechend reagiert er. Jüngstes Beispiel einer beispielhaften Entgleisung: Ein Rundbrief an alle städtischen Mandatsträger. Darin prangert der Bürgermeister den absolut privaten Mailverkehr zweier städtischen Angestellten an, um seinen Herausforderer zu diskreditieren.
Der private Mailverkehr war ihm von einer engen Rathaus-Vertrauten unterbreitet worden. Weshalb diese ihm den völlig harmlosen Schriftverkehr unterbreitete, bleibt wohl ihr ureigenes Geheimnis. Oder sollte der Vasallendienst gar die eigene Karriere weiter befördern?
Was der Bürgermeister und seine engsten Rathaus-Vertrauten wohl nicht trennen können, oder wollen: Die Kandidatur um ein Wahlamt – ein solches ist der Bürgermeister-Job – ist ein absolut demokratischer Vorgang – nicht mehr und nicht weniger.
Dabei bewerben sich die Kandidaten um eine auf sechs Jahre befristete Beamtenstelle. Sie kandidieren ausschließlich persönlich gegeneinander, keineswegs gegen das Rathaus oder die dortigen Bediensteten! Das sollte auch ein früherer Theologe wissen. Selbst dann, wenn er als Quereinsteiger in die moralisch weniger anspruchsvolle Lokalpolitik wechselte.
„Im nächsten Sommer wäre die Ablöse frei verhandelbar. Dass Hoffenheim tatsächlich die von Mäzen Dietmar Hopp (…) mit einem Augenzwinkern erwähnten 400 Millionen bei einer vorzeitigen Freigabe einstreicht, ist eher unrealistisch. Aber über zehn Millionen Euro dürften es schon werden für den Wundertrainer“, äußerten Jens Bierschwale/Lars Wallrodt in der >Welt< zum Poker um den Hoffenheimer Bundesliga-Trainer Julian Nagelsmann.
Ob sich das auch naht- und geräuschlos auf die Erbacher Aporie übertragen lässt, darf bezweifelt werden. Denn die „Rathaus-Ablöse“ dürfte sich in deutlich niedrigeren Dimensionen bewegen. Ach ja: Im Zweifelsfall Dystopien und Aporien bitte nachschlagen – habe ich auch gemacht.