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Michelstädter Koalitionäre auf getrennten Wegen durch die Altstadt unterwegs

Nach dem Willen von CDU und ÜWG soll es keine spürbare Verkehrsentlastung im Altstadtkern geben + + + Entsprechende Anträge von SPD, GRÜNEN und FDP wurden mit einer Stimme Mehrheit abgeschmettert

MICHELSTADT. - Im Michelstädter Stadtparlament bilden die Fraktionen von SPD und ÜWG die aktuelle „Regierungskoalition“. Den gemeinsamen Weg haben die beiden Koalitionäre in der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten verlassen und begaben sich im wahrsten Sinn des Wortes auf getrennten Pfaden durch die historische Altstadt.

Die Verkehrssituation in diesem Bereich der Kernstadt war es, die völlig unterschiedliche Ansichten bei den Koalitionären wie auch im gesamten Parlament zutage förderte.

So waren es CDU und ÜWG, die sich einer Verkehrsberuhigung zu nachtschlafender Zeit und an Wochenenden verweigerten, während sich SPD, GRÜNE und FDP für eine Reduzierung des PKW- und Zweiradverkehrs stark machten.

Eine Stimme gab den Ausschlag

Am Ende war es eine Stimme, die den Ausschlag gab zugunsten des CDU-ÜWG-Ansinnens, wonach der Verkehr in diesem Bereich praktisch keinerlei Einschränkungen zu seitherigen Gepflogenheiten unterliegt.

Möglich geworden war dies allerdings nur, weil eine GRÜNE-Abgeordnete vor der Abstimmung gesundheitsbedingt die Sitzung verlassen musste und das Votum somit mit 18:17 zugunsten des CDU-ÜWG-Antrags gereichte.

Als Ergebnis eines einjährigen Prozesses bleibt: Poller ersetzt Schranke

Mit der knappen Mehrheit aus CDU und ÜWG wurde somit jetzt ausschließlich der Austausch der mechanisch bedienten Schranke an der Zufahrt zur Braunstraße gegen einen elektronisch steuerbaren Poller und die Installation eines weiteren Pollers an der Zufahrt zur Häfnergasse genehmigt.

Dieser soll den von Autofahrern genutzten „Schleichweg“ bei Bedarf dichtmachen. Das erfolgte durchaus im parlamentarischen Konsens mit SPD, Grünen und FDP.

Für einen weiteren Poller an der Zufahrt in die Große Gasse, vor dem Modehaus Henschel, der im Bedarfsfall ausschließlich Anwohnern, Hotelgästen, Lieferanten und Rettungsdiensten die Zufahrt zur Innenstadt ermöglichen sollte, und bei Veranstaltungen die Innenstadtsperrung erleichtern würde, versagten CDU und ÃœWG ihr Plazet. 

Vergebliche Versuche Einigung zu erzielen

Vor Jahresfrist hatte das Stadtparlament die Verwaltung beauftragt, Vorschläge zur Änderung der Verkehrssituation in der Altstadt auszuarbeiten, und dazu im Herbst vergangenen Jahres erstmals eine Parlamentarische Arbeitsgruppe (PAG) ins Leben gerufen.

Diese hat in mehreren Sitzungen unter Bürgerbeteiligung und Expertenmeinungen und Datenerhebungen Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, die Aufenthaltsqualität in der Altstadt deutlich zu verbessern.

Stadtverordnetenvorsteher Andreas Klar (SPD) hatte vor der Abstimmung noch einmal die Sitzung unterbrochen, um Lösungswege in den konträren Auffassungen der beiden fast identischen Lager zu ermöglichen.

Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Michael Hüttenberger scheiterte mit dem Versuch, mit konkreteren Formulierungen und Kompromissen die Bedenken der Gegenseite zu zerstreuen.

250.000 Euro Landes-Fördermittel

Rückblende: Mitte vergangenen Jahres hatte sich die Stadt Michelstadt auf Anregung der SPD-Fraktion um Fördermittel des Landesprogramms >Zukunft Innenstadt< beworben. Bewilligt wurden 250.000 Euro, die zusammen mit dem städtischen Anteil auf 300.000 Euro angewachsen sind.

Die fünf im Stadtparlament vertretenen Fraktionen haben in einem gemeinsamen Antrag die Verwendung der Gelder konkretisiert. Dr. Michael Hüttenberger erinnerte jetzt im Bauausschuss, dass die Mittel bis spätestens 2023 verwendet sein müssen.

Die Umsetzung der insgesamt zehn geplanten Maßnahmen sei daher eine „strenge terminiert“. Das gemeinsame Dach „Lebendige Innenstadt – Verbesserung der Aufenthaltsqualität“ vereint die Maßnahmen.

So ist an der Erwin-Hasenzahl-Halle ein Motorradparkplatz vorgesehen, der mit Schließfächern zur Aufbewahrung von Gepäck und Helmen für die Biker einen gewissen Komfort bietet.

Darüber hinaus soll zu der schon geplanten E-Bike-Park- und Ladestation in der Großen Gasse eine weitere, auch mit Schließfächern versehene, am Lindenplatz entstehen. Zusätzlich sollen hier Fahrradbügel-Sets und an vorläufig zwei weiteren Stellen in der Mauerstraße und Untere Pfarrgasse installiert werden.

Höhenunterschied ausgleichen und barrierefreien Zugang ermöglichen

Umgestaltet werden sollen in der Braunstraße vom Rathaus bis zum Kirchplatz alle Bordsteine. Hier ist geplant diese bis zu den Sandsteinstufen zu entfernen und insbesondere Höhenunterschiede zu beseitigen. Dabei sollen mobile Rampen helfen, einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen.

Fünf vorgesehene Bäume an der Ostseite der Großen Gasse sollen für mehr Grün im Altstadtkern sorgen und die Aufenthaltsqualität verbessern. Auch Wasserspender und zusätzlichen Sitz- und Verweilangebote sollen diesem Ansinnen Rechnung tragen.

Mit einem taktilen Modell des Rathauses und der Altstadt sowie einem markierten Altstadtrundgang mit Stationen mit QR-Code und einer App mit Sprachinfos soll ein besonderes Angebot an Bewohner und Gäste installiert werden, um die Besonderheiten der historischen Altstadt hervorzuheben.

Verkehrsberuhigung einziger Dissenz

Während diese Maßnahmen im politischen Konsens die Gremien passierten gab es – wie erwähnt – zum Thema Verkehrsberuhigung der Altstadt keinen gemeinsamen Nenner. Eine eigens einberufene parlamentarische Arbeitsgruppe ließ dazu eine Vielzahl an Expertisen erstellen, die letztlich das politische Lager in zwei fast gleich große Gruppen spaltete.

In allen drei Ausschüssen konnte sich zunächst der gemeinsame Antrag von SPD, Grünen und FDP, mit zusammen fünf Sitzen, durchsetzen.

Demgemäß sollten versenkbare Poller an drei Zufahrtsstellen in die Altstadt installiert und weitere Schließzeiten vorgenommen werden. Während sowohl im Kultur- als auch im Bauausschuss die jeweils beiden Abgeordneten von ÜWG und CDU dagegen stimmten, war es im Haupt- und Finanzausschuss ein ÜWG-Vertreter, der sich der Ampelmeinung anschloss.