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Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann zeigt sich selbst an

Der Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann hat sich selbst angezeigt, nachdem...

...es im Rathaus der Kreisstadt Erbach zu Fälschungen von Bestellscheinen gekommen war. Fotos: © by –pdh–

Die Erbacher Marketing-Affäre nimmt Fahrt auf: Kommunalaufsicht soll Auftragsvergabe an Werbeagentur prüfen

ERBACH / ODENWALDKREIS. - Der Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann (CDU) wählt einen anderen Weg als der gerade abgeurteilte Odenwälder Ex-Landrat Dietrich Kübler (ÜWG), den in den Medien geäußerten Verdacht der Mauschelei mit einer Werbeagentur zu zerstreuen. Er versuchte gar nicht erst, die bisherigen FACT-Berichte als Falschinformation oder ungerechtfertigte Spekulation zu diskreditieren.

Dabei gleichen sich die Vorgänge in Erbach seit dem Jahr 2000 und im Odenwaldkreis seit 2011. Kurz vor Weihnachten 2017 hat das Amtsgericht Michelstadt den früheren Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (67) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung und Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro wegen nachgewiesener Untreue zu Lasten des Odenwaldkreises verurteilt.

Ihm wird von der Darmstädter Staatsanwaltschaft und dem Michelstädter Schöffengericht vorgeworfen, die Erbacher Werbeagentur Lebensform GmbH rechtswidrig mit Marketingaufträgen bedacht zu haben. Dabei habe er absichtlich EU-Fördergelder zur Unterstützung eines Freundes, Johannes Kessel, Inhaber der Lebensform GmbH, zweckentfremdet.

Kübler hatte seit 2013, als FACT erstmals einem entsprechenden Verdacht nachging, die Journalisten beschimpft, deren Erkenntnisse als Spekulationen und die Medien als Lügenpresse bezeichnet.

Ähnliche Vorgänge zeichnen sich zurzeit in der Kreisstadt Erbach ab. Seit Jahren bemühen sich Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung, von Bürgermeister Harald Buschmann Nachweise über seine Aufträge im Namen der Stadt Erbach an genau dieselbe Werbeagentur zu erhalten, was er stets mehr oder weniger galant mit Hinweisen auf Datenschutz und Verschwiegenheitspflicht abgelehnt oder ins Leere laufen lassen hatte.

„Kessel-Connection“ verteilt Marketingaufträge unter sich

Hintergrund der kritischen Nachfragen der Politiker und der Recherchen der Presse ist die Tatsache, dass sowohl Kübler als auch Buschmann von der Werbeagentur Lebensform GmbH ihre persönlichen Wahlkämpfe für die Landrats- und Bürgermeisterwahlkämpfe haben gestalten lassen und seither die öffentlichen Marketing-Aufträge ihrer Wirkungsbereiche an genau diese Agentur gingen.

Wie es scheint, ohne Ausschreibungen und ohne Einholung von Alternativangeboten. Und ohne schriftliche Verträge oder genaue Information der jeweiligen Parlamentarier. Was den befreundeten Politikern und dem Inhaber der Werbeagentur im Laufe des ersten Strafprozesses den Beinamen „Kessel-Connection“ eintrug.

Zu dieser Truppe gehört auch der Reichelsheimer Bürgermeister Stefan Lopinsky (ÜWG), der im Laufe der ersten Recherchen bereits einen Akteneinsichtsausschuss zu überstehen hatte, weil er vertrags- und konkurrenzlos bei der Werbeagentur, die auch seinen Wahlkampf gemanagt hatte, fröhlich einkaufte. Es gelang ihm damals noch, die Gemeinderatsmitglieder davon zu überzeugen, dass man größere Umsätze auch ohne Schriftverkehr tätigen könne.

Internetpresse landete einen Volltreffer

Der Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann muss sich zurzeit mit penetranten Anfragen von ÜWG und SPD herumschlagen, die seine Geschäftsbeziehungen zu Lebensform nun im Einzelnen prüfen wollen.

Und bereits in der ersten Phase treten Schwachstellen bei der Verteidigung des Bürgermeisters zutage. FACT-Journalisten hatten herausgefunden, dass es keine schriftlichen Angebote oder Aufträge für bestimmte Marketingleistungen der Agentur Lebensform gab, zuletzt den Wiesenmarkt 2017 betreffend, der Ende Juli stattfand. Und hatten einen Volltreffer gelandet.

Buschmann musste zugeben, dass die Aufträge, Vorbereitungen für das Volksfest betreffend, am 15. September 2017 geschrieben, aber um Monate rückdatiert worden waren. In einer ersten Stellungnahme fand Buschmann an der Handlungsweise nichts Ungewöhnliches.

Urkundenfälschungen und Stückelung von Aufträgen unter die Genehmigungsgrenze

Erst die Nachfrage dieser Presseagentur muss ihm klargemacht haben, dass Rückdatierungen nichts Gewöhnliches, sondern Urkundenfälschungen (Juristen bezeichnen das als "schriftliche Lüge") sind. Dazu kommen noch Stückelung von Aufträgen unter die Genehmigungsgrenze, Anfragen zu fehlenden Alternativangeboten und Ausschreibungen sowie getätigten Gesamtumsätzen.

Buschmann hatte den Gesamtumsatz Erbach mit Lebensform in den Jahren 2002 bis 2017 auf 510.605 Euro beziffert, den Redaktionen liegt jedoch eine einzelne Projektabrechnung in 2006 vor, die allein schon etwa 800.000 Euro ausmacht.

Harald Buschmann wählt nun die Vorwärtsverteidigung. In einer Mail an diese Presseagentur teilt er am gestrigen Donnerstagabend, 11. Januar, mit, er habe zwar bereits mit E-Mail vom 9. Januar 2018 über einen Fehler bei der Bestellscheinausstellung für Aufträge im Bereich Marketing zum Wiesenmarkt informiert.

Um den Sachverhalt einer neutralen Prüfung zu unterziehen, habe er ihn am Donnerstag bei der Kommunalaufsicht angezeigt. Aktuelle Nachprüfungen im Hause aufgrund der Pressenachfrage hätten erst jetzt deutlich werden lassen, dass es sich bei den Verwaltungshandlungen um Fehlverhalten handele.

Keine gute Ausgangslage für die kommende Bürgermeisterwahl im März

Das Schreiben ging an die Kommunalaufsicht, das Landratsamt in Erbach. Da es sich beim Landrat Frank Matiaske um einen SPD-Politiker handelt, und die SPD mit der CDU im Kreis und damit Kreisvorsitzendem Harald Buschmann koaliert, wird Matiaske die Bitte um Prüfung wohl an das Regierungspräsidium Darmstadt weiterleiten.

Die weiterhin aktiven Rechercheure sind allerdings bereits damit beschäftigt, auch alle früheren Umsätze Erbachs mit der Werbeagentur auf das Vorhandensein schriftlicher Unterlagen zu überprüfen. Oder auf weitere rückdatierte Unterlagen.

Am 4. März finden in Erbach Bürgermeisterwahlen statt. Harald Buschmann plante, eine vierte Amtszeit für die CDU anzustreben. Dass die derzeitigen Vorkommnisse seine Wahlaussichten befördern, darf bezweifelt werden. Zwei potente Gegenkandidaten stehen bereits auf der Matte.