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Strafprozess gegen Ex-Landrat Kübler: Agenturchef widerspricht Zeugen der Verteidigung

Dietrich Kübler, Ex-Landrat des Odenwaldkreises (sitzend), wird sich noch mindestens weitere vier bis fünf Prozesstage vor den Schranken des Schöffengerichts Michelstadt wegen des Verdachts der Untreue zu Lasten des Odenwaldkreises verantworten müssen. Foto: er

Dietrich Kübler wollte seine Lieblingsagentur mit dem eigentlichen Ausschreibungssieger „verkuppeln“ + + + Zivilprozess wegen Benachteiligung gegen Kreisausschuss und Odenwald-Regionalgesellschaft (OREG)

ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Auch der nunmehr 7. Verhandlungstag im Strafprozess gegen den früheren Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (67, ÜWG) wegen Untreue zu Lasten des Odenwaldkreises zementierte einmal mehr die staatsanwaltschaftlichen Erkenntnisse vom 10. September 2014.

Damals hatten die Darmstädter Ermittler die Einstellung des ursprünglichen Verfahrens der so genannten Standortmarketing-Affäre verfügt mit dem Hinweis, „dass (noch) kein Schaden festgestellt werden konnte“.

Schon damals stand jedoch für die Anklagebehörde fest, dem Landrat sei es darauf angekommen, die von ihm favorisierte Erbacher Werbeagentur Lebensform GmbH zu beauftragen. „Zu diesem Zweck hat er in rechtswidriger Weise auf das Ausschreibungsverfahren Einfluss genommen“, hieß es in der Einstellungsverfügung.

Gesamtschaden von knapp einer halben Million

Nachdem dann die Vergabe von Fördermitteln in Höhe von 68.780,60 Euro wegen schwerer Verstöße bei der Auftragsvergabe zum Standortmarketing an die Agentur Lebensform sowie weiterer nicht gewährter Fördermittel in Höhe von 28.820 Euro, die auf Rechnungen dieser Werbeagentur ohne ausreichende Vertragsgrundlage gezahlt wurden, widerrufen worden war, nahm die Behörde das Ermittlungsverfahren wieder auf, und klagte das strafbare Vergehen per 02.09.2016 zum Amtsgericht Michelstadt an (FACT berichtete mehrfach dazu).

Der Gesamtschaden für den Odenwaldkreis und seine Wirtschaftstöchter wird auf eine knappe halbe Million Euro geschätzt. Am gestrigen Mittwoch nun widersprach Andreas Schech, Geschäftsführer der Firma VPS-Media (Höchst – Mümling-Grumbach), als Zeuge resolut und nachdrücklich den Aussagen dreier vorheriger Zeugen.

Schadensersatzklage über 40.000 Euro

Rückblende: Im April 2014 reichte VPS-Media-Inhaber Schech eine Schadenersatzforderung gegen den Kreisausschuss des Odenwaldkreises (KA) und parallel gegen die Odenwald Regionalgesellschaft (OREG) beim Landgericht Darmstadt ein.

Sie belief sich auf 40.000 Euro und wurde begründet mit gesetzwidriger Benachteiligung bei der Bewerbung um das Projekt des Standortmarketings des Odenwaldkreises.

Durch widerrechtliche Einflussnahme Küblers im Vergabeverfahren war demnach die Firma VPS-Media GmbH als Bietergemeinschaft mit zwei weiteren Partnerfirmen, die nach übereinstimmenden Aussagen der damals Beteiligten die eigentlichen Sieger der Ausschreibung gewesen waren, benachteiligt.

Der Schadenersatzprozess vor dem Darmstädter Landgericht endete damals mit einem Vergleich und Zahlungen von KA und OREG in Höhe von 14.000 Euro.

Weitaus interessanterer als diese bekannten Tatsachen waren allerdings jetzt die Aussagen Schech's als Zeuge, die diversen Aussagen einiger KA-Mitglieder entgegen standen.

„Dieses Gespräch hat es mit Sicherheit nicht gegeben“

Die glaubten sich recht genau zu erinnern, dass Schech nach der Präsentation seines Marketing-Projekts vor dem KA am 10. Februar 2012 in einem persönlichen Gespräch mit Ex-Landrat Dietrich Kübler und/oder mit dessen Hauptabteilungsleiter Oliver Kumpf eine Zusammenarbeit mit der letztlich obsiegenden Erbacher Werbeagentur Lebensform GmbH abgelehnt habe (siehe dazu FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).

Dieses Gespräch habe es mit Sicherheit nicht gegeben, sagte Schech. „Wir haben sofort nach unserer Präsentation die Sitzung und das Haus verlassen.“ Es habe aber bereits im Jahr zuvor, im Dezember 2011, einen Anruf des Landrats bei seinem Unternehmen gegeben, in dem dieser angefragt habe, ob er sich von seinen beiden Partnern trennen und mit der Agentur Lebensform zusammenarbeiten könne. Dann sei seine Teilnahme am Projekt gesichert.

Er habe das Ansinnen strikt abgelehnt, so Schech, dessen Aussagen mit den ersten FACT-Berichten über die Affäre Standortmarketing übereinstimmen. Bereits am 21. Juni 2013 hatte FACT über das Telefongespräch berichtet, das direkt nach der zweiten Sitzung der Steuerungsgruppe stattgefunden haben soll. Das Gericht muss nun über die divergierenden Zeugenaussagen befinden.

Viele weitere Zeugen werden geladen

In dem Prozess werden noch eine Reihe weiterer Zeugen vorgeladen, darunter auch der amtierende Landrat Frank Matiaske, der damals noch als Bürgermeister der Stadt Breuberg dem Gremium "Steuerungsgruppe" angehörte, sowie Bürgermeister wie Stephan Kelbert (Michelstadt) und Stefan Lopinsky (Reichelsheim), der OREG, der Kreishandwerkerschaft, der beiden Odenwälder Banken und der Odenwälder Wirtschaftsvereinigung.

Zunächst wird der Prozess mit dem achten Verhandlungstag am Dienstag, 17. Oktober, ab 9 Uhr fortgeführt. Dann sollen Johannes Kessel, Inhaber der Werbeagentur Lebensform GmbH, und Jürgen Walther, Vorsitzender der Industrievereinigung Odenwald (IVO), gehört werden.

In eigener Sache: FACT begleitet als einziges Medium die Odenwälder Standortmarketing-Affäre journalistisch seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Dietrich Kübler im Jahr 2013. Die Redaktion hat sich deshalb aufgrund ihrer Chronistenpflicht aktuell zur Berichterstattung über den siebten Prozesstag trotz zeitweiligen Ausstands einiger Journalistenkollegen (siehe Kommentar unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews) entschlossen.