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Windkraftanlagen im Odenwald: „Was ist der Nutzen dieses Wahnsinns?“

Mehr als 300 Demonstranten bekundeten in Erbach ihren Unmut gegen die im Regionalplan Südhessen vorgesehene überproportionale Belastung des Odenwaldes mit Windkraft-Vorrangflächen.

Infoveranstaltung in der vollbesetzten Werner-Borchers-Halle in Erbach mit keinen neuen Erkenntnissen.

Auf zahllosen Transparenten und Plakaten argumentierten die Demonstranten gegen den aktuell vorliegenden Teilplan, der von der Regionalversammlung im Juni beraten und beschlossen werden soll.

Hatten einen schweren Stand gegen rund 400 Windkraftgegner: Die Referenten Peter Engemann, Dr. Helmuth Beck, Ulrike Güss und Till Felden (von links nach rechts). Fotos: er

Heftige Kritik bei Infoveranstaltung durch die Geschäftsstelle der Regionalversammlung Südhessen: „Politische Drückeberger entziehen sich der Diskussion“

ODENWALD / ERBACH. - Rouven Kötter, Erster Beigeordneter des Regionalverbandes Frankfurt-Rhein-Main und Sprecher der SPD im Haupt- und Planungsausschuss der Regionalversammlung, war extra aus Wölfersheim angereist, „weil in Erbach die brisanteste der drei Infoveranstaltungen zu erwarten ist“, wie er bekundete.

Diese Erwartung wurde denn auch keineswegs enttäuscht. Die Geschäftsstelle der Regionalversammlung Südhessen (RVS) beim Regierungspräsidium Darmstadt hatte im Auftrag der RVS vor den im Juni anstehenden Ausschussberatungen über den >Sachlichen Teilplan Erneuerbare Energie< (TPEE) zur Windenergie „in den besonders betroffenen Landkreisen“ drei Informationsveranstaltungen anberaumt.

Mehr als 300 Windkraftgegner demonstrierten lautstark

Nach Idstein (Taunus) und Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) fand diese vom >Bürgerforum Energieland Hessen< organisierte Veranstaltung für den Odenwald jetzt in der Erbacher Werner-Borchers-Halle statt.

Dazu hatten sich nahezu ausschließlich Windkraftgegner formiert, die ihren Unmut über die überproportionale Windkraftanlagen-Belastung deutlich bekundeten.

Mit einem kurzen Demonstrationszug von der Post bis zum etwa dreihundert Meter entfernten Veranstaltungsort machte die mehr als 300 Personen starke Truppe lautstark und mit zahllosen Transparenten auf ihr Anliegen aufmerksam.

„In wunderschön gewachsener Naturlandschaft nur wichtig: Wie sieht's aus?“

In Standortbürgermeister Dr. Peter Traub fanden die WKA-Gegner denn auch gleich einen Verbündeten: „Ich möchte möglichst wenige Windräder hier im Odenwald sehen, zumindest deutlich weniger als im Regionalplan – und auch deutlich weniger als im Flächennutzungsplan des Odenwaldkreises vorgesehen sind“, outete sich Traub in seiner Begrüßung und erntete tosenden Applaus in der voll besetzten Werner-Borchers-Halle.

„In einer wunderschön gewachsenen Naturlandschaft sind Prozente nicht wichtig, sondern vielmehr die Frage >Wie sieht's aus?<“, entgegnete der Bürgermeister der zweiprozentigen Windkraftflächenvorgabe der Landesregierung und ergänzte: „Das Abendland wird’s überleben, wenn ein paar weniger hier stehen.“

„Warum mit Zeitdruck, und wenig Einbindung der Bevölkerung?“

Gleichwohl sei auch er für die Energiewende, betonte Traub: „Warum aber findet diese mit einem derartigen Zeitdruck, und mit so wenig Einbindung der Bevölkerung statt?“, lautete seine auch an diesem Abend unbeantwortete Frage.

Hier seien Eigenvorschläge aus der Bevölkerung der individuellen Gebiete erforderlich, betonte Peter Traub, mahnte aber: „Lasst uns ungeachtet aller Widerstände die Debatte respektvoll, zivilisiert und friedlich führen.“

Referenten mit sachlich-kritischen Fragen überhäuft und verspottet

Einen schweren Stand hatten in der Folge die vier Referenten, die sich den sachlich-kritischen Fragen aus dem Auditorium stellen mussten, und häufig verspottet und verhöhnt wurden ob ihrer ihrer mehrfach widerlegten Aussagen und Erklärungsversuchen.

Von der Geschäftsstelle der Regionalversammlung Südhessen beim RP Darmstadt waren Ulrike Güss und Till Felden, die den Planungsablauf skizzierten, gekommen.

Für die Abteilung Regionalplanung, Bauwesen, Wirtschaft und Verkehr im RP stand Abteilungsleiter Dr. Helmuth Beck zur Verfügung und Peter Engemann (Groß-Gerau, FDP) vertrat als Vorsitzender den Ausschuss für Umwelt, Energie und Klima in der Regionalversammlung.

Keineswegs irgendwelche Neuigkeiten

Der vom RP als Beschlussvorlage aktuell vorliegende Teilplan Erneuerbare Energien soll die Windkraftvorhaben steuern.

„Der Vorteil ist, dass es die Möglichkeit der Konzentration der Windenergienutzung und die verbindliche Festlegung eines Ausschlussraumes gibt. Außerdem sind pauschale Kriterien und Abstandsregelungen möglich", verkündete Ulrike Güss in ihrem Vortrag keineswegs irgendwelche Neuigkeiten.

Grafiken erläuterten „harte“ und „weiche“ Kriterien bei der Planung zur Errichtung von Windkraftanlagen.

„Weißflächen“ standen im besonderen Fokus

Till Felden stellte einige Methoden der Abwägung vor. „Hier spielen vor allem Arten-, Denkmal- und Grundwasserschutz sowie die Bewertung des Landschaftsbildes eine große Rolle.“

Im besonderen Fokus der Besucher standen dabei auch die sogenannten „Weißflächen“, Teilgebiete, die als Vorrangflächen dienen sollen, derzeit jedoch noch nicht abschließend auf deren Tauglichkeit überprüft und deshalb vorläufig ausgeklammert sind.

„Veranstaltung entspricht nicht Ihren Vorstellungen, weil die falschen Leute hier sind“

Peter Engemann, selbst bekennender Windkraftkritiker, brachte die aufgebrachte, wenngleich nicht unsachliche Diskussion auf den Punkt: „Wir haben hier eine Veranstaltung, die nicht Ihren Vorstellungen entspricht, weil die falschen Leute hier sind.“

Damit sprach er der deutlichen Mehrheit im Saal aus dem Herzen, denn mehrfach wurde kritisiert, dass sich weder Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid noch Hessens Wirtschafts-und Energieminister Tarek Al Wazir und Ministerpräsident Volker Bouffier der Diskussion stellten.

„Erhebliche Zweifel an der aktuellen Planung sind angebracht“

„Eine Alibiveranstaltung, die uns Sand in die Augen streuen soll“, war mehrfach aus den Reihen der Besucher zu vernehmen. Wald-Michelbachs Bürgermeister Dr. Sascha Weber wurde deutlich: „Erhebliche Zweifel an der aktuellen Planung sind angebracht.“

Die Gemeinde Wald-Michelbach habe für einen örtlichen Teil-Flächennutzungsplan (FNP) in enger Abstimmung mit dem Regierungspräsidium (RP) ein teures Artenschutzgutachten erstellen lassen, das den Meisenberg als Vorrangfläche ausschließe und so auch im vom RP genehmigten FNP verankert sei.

„Vorher abgestimmte Kriterien werden in der aktuellen Planung völlig ignoriert“

„Das wird in der aktuellen Planung jedoch völlig ignoriert, das Gutachten taucht im Regionalplan überhaupt nicht auf, und das Gebiet im zuvor genehmigten FNP wird als Weißfläche ausgewiesen, damit man uns diese Fläche später wieder reinmogeln kann“, ließ Weber seinem Unmut freien Lauf.

„Für den Regionalplan gelten andere Bedingungen“, entgegnete Beck dem Wald-Michelbacher Bürgermeister nur knapp.

„Die Beweislast wird beim Artenschutz umgekehrt“

„Entsetzt, wie das in Hessen gehandhabt wird“, zeigte sich auch Dr. Dieter Marquetand (Airlenbach), der die Abstandsregelung des geplanten Vorranggebietes „Katzenwinkel“ bei Etzean zum Denkmal Beerfeldener Galgen im Fokus hatte.

„Die Beweislast beim Artenschutz umgekehrt“ sieht Michael Karb (Mossautal) durch die aktuellen Planungspraktiken des RP. „Der Odenwald ist seit 1960 als Naturpark ausgewiesen, und jetzt müssen aus der Bürgerschaft finanzierte Gutachten zum Natur- und Artenschutz die Aufgabe des Staates ersetzen“, kritisierte Karb.

„Verfassung wird bei der Bewertung mit Füßen getreten“

Die Verfassung werde auch bei der Bewertung eines Vorranggebietes nahe der Burg Breuberg mit Füßen getreten. „Hier wird eine Bundesentscheidung auch gegen die in der hessischen Verfassung verankerten Nachhaltigkeit durchgedrückt.“

Auch werde mit den überdimensionierten Windkraftvorrangflächen die Wirtschaft geschädigt, „denn Strom ist das Blut der Wirtschaft“, verlautete von einem Besucher, der die Frage stellte: „Was ist der Nutzen dieses Wahnsinns?“

Von der CDU im Landtagswahlkampf propagierte >10-H-Regelung< nicht angewandt

Selbst die von der hessischen CDU im Landtagswahlkampf propagierte >10-H-Regelung< (Anm. der Redaktion: Mindestabstandsfläche von zehnfacher Höhe der jeweiligen Windkraftanlagen zur Wohnbebauung) finde in der aktuellen Planung keine Anwendung.

„Die Windenergie gehört auf den Prüfstand“, forderte auch der frühere Landrat des Odenwaldkreises, Horst Schnur, und begründete dies mit den längst überholten ursprünglichen Fakten, die der im Energiegipfel des Landes festgelegten zweiprozentigen Windkraftvorrangfläche zugrunde liegen.

„Politische Drückeberger Tarek Al Wazir und Volker Bouffier“

„Dazu sollen sich die Drückeberger, Hessens Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al Wazir und Ministerpräsident Volker Bouffier, den Bürgern stellen“, forderten mehrere Besucher und gaben den Referenten die eindeutige Botschaft mit auf den Weg: „Eine dritte Offenlage des gesamten vorliegenden TPEE ist unabdingbar!“