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„Die Gedanken sind frei“ beim Dorftreff Olfen

Jürgen Poth singt unter seinem Künstlernamen „Odenwälder Guggugg“ Lieder zur Deutschen Revolution 1848 und stellt den Michelstädter Ludwig Bogen in besonderer Weise in den Mittelpunkt. Foto: Traudel Schnur

OLFEN. - Als Duo traten beim jüngsten Olfener Dorftreff am 29. Oktober Jürgen Poth als „Odenwälder Guggugg“ und Horst Schnur auf, als die deutsche Revolution von 1848 und 1849 als Thema im Mittelpunkt stand.

Während Jürgen Poth Lieder aus der Revolutionszeit zur Gitarre vortrug, fügte Horst Schnur Beiträge aus der Odenwälder Regionalgeschichte ein.

Die Thematik knüpfte an das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes mit seinen bürgerlichen Grundrechten an, die dem Entwurf der Verfassung aus der Frankfurter Paulskirche gleichen, wo seit dem 18. Mai 1848 das erste gesamtdeutsche demokratisch gewählte Dort tagte die Frankfurter Nationalversammlung.

Sie sollte die deutsche Einheit vorbereiten und eine Verfassung für den neuen Einheitsstaat ausarbeiten. Das geschah am 27. Dezember 1848 nach vielen kontroversen Debatten mit der Paulskirchenverfassung und den Grundrechten am 28. März 1849.

Jürgen Poth stellte den Michelstädter Revolutionär und Politiker Ludwig Bogen in den Mittelpunkt seiner Beiträge, der der Nationalversammlung in der Paulskirche angehörte und 1848 zur Volksversammlung auf dem Lindenplatz in Michelstadt aufgerufen hatte. Er war ein maßgeblicher Verfechter der Freiheitsrechte für die Bürgerschaft, Bauern und Tagelöhner.

Für das Empfinden der Zeit standen die Volkslieder: „Brüder, so kann´s nicht gehn, lasst uns zusammen stehn. Duldets nicht mehr!“ und „Die Gedanken sind frei“.

In Beerfelden waren die Unruhen der Aufständigen am heftigsten. Eine Menschenmasse versammelte sich am Metzkeil und zog durch die Straßen, warfen bei Beamten und Juden die Fensterscheiben ein.

Bürgermeister Breimer notierte in der Stadtchronik, dass die Unruhen „vom Militär durch Gewalt der Waffen aufgelöst wurden“. Darüber erzählte Horst Schnur, wie auch über den Triumphzug der Rückführung der drei gotischen Glasfenster aus dem Erbacher Schloss, die Graf Franz I. im Jahre 1803 aus der Beerfeldener Kirche nach Erbach in den Rittersaal geholt hatte.

Glücklicherweise hatten sie dort den verheerenden Stadtbrand im Jahre 1810 überstanden und zieren heute die große Beerfeldener Martinskirche. Sie waren eine „Siegestrophäe“ aus der Revolutionszeit, wie Bürgermeister Breimer in der Stadtchronik vermerkte.

Nicht nur die Bürgerrechte waren Gegenstand der Revolution, sondern auch die deutsche Einheit. Unter der schwarz-roten-goldenen Fahne wurde das „Lied der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben gesungen, von dem es noch heute in der 3. Strophe der Nationalhymne heißt: „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“

Sein Bekenntnis zur Freiheit erklang auch in seinem „Michels Abendlied“ mit der Zeile: „Ich bin ein freier Mann, nie ficht die Furcht mich an. Für Fortschritt nehm' ich stets Partei, ich denke, red´ und handle frei - Mit Polizeierlaubnis.“

Im Jahr 1849 scheiterte die Deutsche Revolution und ging mit den badischen Aufständischen im preußischen Militär unter. Jürgen Poth sang das „Badisches Wiegenlied“ von 1849: „Schlaf, mein Kind, schlaf leis, dort draußen geht der Preuß. Deinen Vater hat er umgebracht, deine Mutter hat er arm gemacht. Schlaf, mein Kind, schlaf leis.“

Anführer war der Revolutionär und Rechtsanwalt Friedrich Hecker, der mit seinem großen schwarzen Hut eine markante Persönlichkeit war.

In einem Lied „Es lebe Hecker“ heißt es: „Es klingt ein Name stolz und prächtig im ganzen deutschen Vaterland; Und jedes Herz erzittert mächtig, wenn dieser Name wird genannt. Ihr kennt ihn wohl, den edlen Mann: Es lebe Hecker – stoßet an!“

Bei der großen Volksversammlung am 23. Mai 1849 auf dem Erbacher Wiesenmarktgelände hatte der Arzt und Politiker Ferdinand von Löhr die Aufständigen zu einem Odenwälder Hilfszug in die Heppenheimer Exklave Ober-Laudenbach aufgerufen, wo sich die letzten Rebellen zurückgezogen und verschanzt hatten.

In diesem Dorf kam es zu einer wilden Schießerei, bei der 13 Odenwälder erschossen wurden, zwei Männer aus Beerfelden waren darunter. Die Namen sind auf einem Gedenkstein aufgeführt.

Horst Schnur erzählte dazu eine Anekdote vom 24. Mai 1999 als Heimatfreunde aus Neustadt und Michelstadt in Erinnerung an das damalige Ereignis vor 150 Jahren einen Marsch nachstellten, wobei die Fußgruppe mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und Gesang von Freiheitsliedern auf der Juhöhe kurz vorm Ziel durch ein Heppenheimer Polizeiaufgebot mit kugelsicheren Westen gestoppt und verhört wurde. Die Zeitungen sprachen damals von einer Realsatire der Gegenwart.

Nachdem Preußische Truppen 23. Juli 1849 die badische Revolution beendeten, was auch maßgeblicher Endpunkt der Deutschen Revolution 1848/49 war, war der „März“ vorbei.

Friedrich Hecker, Ludwig Bogen und Ferdinand von Löhr, der zum Tod verurteilt worden war, entzogen sich dem neu erstarkten Feudalismus durch ihre Auswanderung nach Amerika.

Jürgen Poth sang: „Ein stolzes Schiff streicht einsam durch die Wellen. Es führt uns uns´re deutschen Brüder fort! Die Flagge weht, die weißen Segel schwellen, Amerika ist der Bestimmungsort.“

Die 48er und 49er, wie sie genannt wurden, waren auch in der neuen Heimat politisch aktiv. Ludwig Bogen gründete in Neu-Ulm eine Zeitung und wurde Chefredakteur.

Die Besucher in der vollbesetzten Gaststätte „Zum Spälterwald“, die aus dem gesamten Odenwald, aus dem Neckartal und von der Bergstraße gekommen waren, spendeten dem unterhaltsamen Vortrag reichlich Beifall.

Horst Schnur dankte dem kreativen „Odenwälder Guggugg“ mit einem essbaren Honorar. Der nächste Dorftreff Olfen ist zum Jahresausklang am Dienstag, 25. November, mit einem adventlichen Programm und einer Musikgruppe zum Mitsingen von Weihnachtsliedern und Geschichten über deren Entstehung.