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„Unternehmertum ist keine Einbahnstraße“

Gert Silber-Bonz vollendet am Montag, 8. Juni, in Michelstadt sein 90. Lebensjahr. Foto: Ernst Schmerker

Der Odenwälder Industrie-Pionier Gert Silber-Bonz vollendet neuntes Lebensjahrzehnt

MICHELSTADT. - Ohne Corona-Krise würden sich am Montag, 8. Juni, nicht nur Gäste aus Deutschland an der Chemnitzer Straße 5 einfinden, um Gert Silber-Bonz zum 90. Geburtstag zu gratulieren.

Der ehemals international tätige Unternehmer ist ein Enkel von Philipp Ludwig Arzt, der 1828 in seinem Wohnaus an der Bahnhofstraße 11 in Michelstadt begonnen hatte, Tuch zu weben.

Aus diesen bescheidenen Anfängen entstand die Tuchfabrik Arzt an heutigen Rossbacher Weg mit in Glanzzeiten rund 600 Beschäftigten. Seit 2002 gehört der Standort zur RKW Gruppe.

Aufgewachsen ist der Jubilar in Reutlingen, wo er das Johannes-Kepler-Gymnasium besuchte und Abitur machte. Es folgten Ausbildungen in der Textilindustrie und bei einer Privatbank.

Nach ver-schiedenen Auslandsaufenthalten in Südafrika und den USA übernahm Silber-Bonz die Leitung der Tuchbarik Arzt, einem der damals größten Firmen im Odenwald.

Dort wurden vorwiegend Uniformstoffe hergestellt, was zum Boom in Kriegs- und schwierigen Geschäften in Friedenszeiten führte. Da aber auch Post, Bahn und zahlreiche ausländische Auftraggeber zu den Kunden zählten, florierte das Werk bis Anfang der sechziger Jahre.

Einen Ausgleich bot ab dann die Produktion von Kunststoffprodukten, vornehmlich Folien für die Landwirtschaft unter dem Firmennamen Polydress Plastic.

Gert Silber-Bonz war bereits 1958 zur Gummifabrik Veith AG in Sandbach gewechselt, die sich mehrheitlich im Besitz der Familie Arzt/Silber-Bonz befand.

Nach dem Einstieg des italienischen Reifenherstellers Pirelli bei der Veith AG im Jahre 1963 wurde Gert Silber-Bonz Vorstandsvorsitzender. In dieser Position war er bis zur Pensionierung im Jahr 1995 tätig. Anschließend hatte er bis 2000 den Vorsitz des Aufsichtsrates inne.

Während seiner unternehmerischen Tätigkeit gehörte Gert Silber-Bonz zahlreichen Aufsichtsräten an. Genannt seien die Dura Tufting GmbH, Fulda (Vorsitzender), die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH (stellv. Vorsitzender), die Haindl Papier GmbH (Augsburg), die Coca Cola GmbH (Schweiz), die Brauerei Eder, Groß-Ostheim (Vorsitzender).

Beiratsmitglied war er bei der Eduard Winter Firmengruppe in Berlin, und Stiftungsrat bei „Mission Leben“ in Darmstadt.

Neben seiner Unternehmertätigkeit engagierte sich der Jubilar in der Kommunalpolitik und in der evangelischen Kirche Michelstadt.

Erwähnt seien die Tätigkeit als Vorsitzender des Orgelausschusses beim Neubau der Jann-Orgel in den Jahren 1998/99 und seine beträchtlichen Zuwendungen bei der Kirchen-Innenrestaurierung mitsamt des Dachstuhles.

Zwölf Jahre leitete er die Fraktion der CDU im Michelstädter Stadtparlament. Von 1981 bis 1983 und von 1989 bis 1992 war Silber-Bonz Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie, von 1991 bis 1995 Präsident der IHK Darmstadt.

Er gehörte dem Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie an, war Sprecher des Arbeitskreises evangelischer Unternehmer in Hessen, Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

Langjährig gehörte er dem Kuratoriumsvorstand der Vereinigung von Freunden der TU Darmstadt und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an. Als Vositzender der Industrievereinigung Odenwald (IVO) kümmerte sich Silber-Bonz um ein gu-tes Miteinander von Wirtschaft und Politik.

Seine Verdienste wurden mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse (1987), dem Ehrenbrief des Landes Hessen (1990), dem italienischen Orden „Commen-datore al merito della Repubblica Italiana“ (1998) und dem Kronenkreuz in Gold der Diakonie Deutschland (2014) gewürdigt.

Der Jubilar ist verheiratet und hat mit seiner Frau Edina zwei erwachsene Kinder und fünf Enkelkinder. Die Verwurzelung mit der Region und den dort lebenden Menschen kommt in einer mit einem siebenstelligen Betrag ausgestattete Stiftung zur Förderung u. a. von Jugendlichen und Behinderten, Frauenhäusern, kirchlichen Einrichtungen und der Hospiz-Pflege zum Ausdruck.

Während in früheren Jahren der Jubilar als Mitglied des Aeroclubs Odenwald oft im eigenen Flugzeug auch zur Freizeitgestaltung unterwegs war, sind es heute nicht nur an langen Winterabenden Biographien, die in Mußestunden sein Interesse finden. Mit seiner Frau Edina ist er weiter-hin gerne auf Reisen unterwegs.