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„BUND im Kreis Bergstraße verharmlost Konfliktpotenzial für streng geschützte Arten beim Windenergieausbau“

Der in der vergangenen Woche im Eiterbachtal bei Wald-Michelbach in unmittelbarer Nachbarschaft zum Windpark Stillfüssel ausgewilderte Jung-Uhu ist zurück an seiner Geburtsstätte. Fotos: Stefan Hördt

Initiative Hoher Odenwald (IHO) und Naturschutzinitiative e.V. (NI): Reichlich Belege für Revierzentren und Raumnutzung von Schwarzstörchen und Greifvögeln

ODENWALD. - In seiner Pressemitteilung drängt der BUND im Kreis Bergstraße darauf, es habe bei der Planung regionaler Windkraftstandorte „keinen einzigen Brutnachweis“ von Schwarzstörchen und anderen EU-geschützten Vogelarten in Tabubereichen gegeben.

„In dieser Verharmlosung liegt eine große Gefahr für die Beachtung des EU-rechtlichen Habitat- und Artenschutzes im Odenwald. So räumt Herwig Winter zwar ein, die Gutachten >belegen unstrittig eine Reihe von Einzelbeobachtungen<, kommt aber zu falschen Schlussfolgerungen“, sagt der Vorsitzende der Initiative Hoher Odenwald (IHO), Michael Hahl.

Dem sei entgegen zu halten, dass es EU-artenschutzrechtlich bedenklich sei, wenn das ausgeprägte Vorkommen von Schwarzstorch, Rotmilan, Wespenbussard, Uhu und anderen Arten der Vogelschutzrichtlinie überhaupt erst durch die Aktivitäten von neuen Naturschutzvereinen und Bürgerinitiativen belastbar dokumentiert werden müsse, wie dies am Stillfüssel, am Kahlberg oder auch am Greiner Eck der Fall sei.

Die zahlreichen Dokumentationen dieser windkraftrelevanten Arten durch Augenzeugen hätten überdeutlich gezeigt, dass diese Gebiete maßgeblichen Anteil am Aktionsraum dieser Vogelarten haben.

„Entscheidend ist in derartigen Fällen zunächst einmal die Raumnutzung, weil diese zum erhöhten Tötungsrisiko führen kann. Daher wäre für den Planungs- und Genehmigungsprozess mindestens eine vollumfängliche Raumnutzungsanalyse für die Bewertung der Situation im räumlich-funktionalen Zusammenhang erforderlich gewesen.

Diese muss methodischen Standards entsprechen und bei schwer zu erfassenden Arten wie dem Schwarzstorch durch nachweislich erfahrene Art-Spezialisten durchgeführt werden.“

In Fachkreisen sei unstrittig, dass Brut- und Lebensstätten des scheuen Schwarzstorchs meist erst durch profunde Raumnutzungsanalysen nachweisbar seien, indem aus Flugbeobachtungen und Verhaltensweisen auf Revierzentren geschlossen werden könne. Die sehr wohl existenten, aber in abgelegenen Waldarealen versteckten Brutstätten würden oftmals gar nicht erst aufgefunden.

„Eine Zuordnung von Schwarzstorch-Revierzentren durch die Analyse der Funktionsräume greift aktuell nun auch am Kahlberg, woraus sich Defizite im Planungsprozess ableiten lassen.“

Zu der lokalen Schwarzstorchpopulation im Odenwald beschreibe etwa Prof. Michael Wink, Direktor der Abteilung Biologie an der Heidelberger Universität, in einer Expertise zum Stillfüssel: „Durch intensive Beobachtungen konnten 2016 und 2017 weit über 130 Sichtungen der Art im Bereich Eiterbach, Ulfenbach sowie im Planungsgebiet Stillfüssel belegt werden.“

Auch ein junger Schwarzstorch wurde bereits 2016 am Eiterbach gesichtet. Die als FFH-Fließgewässer geschützten Bachläufe stellten essenzielle Nahrungshabitate dar, die notwendigerweise Überflüge generieren. Ganz ähnlich sehe es hier für Rotmilan, Wespenbussard und andere Greif- und Eulenvögel aus.

„Hinzu kommt, dass gerade am Stillfüssel etliche Brut- und Lebensstätten, die erst von engagierten Bürgern entdeckt wurden, im Laufe des Planungs- und Genehmigungsprozesses nicht ausreichend ermittelt und bewertet wurden.

Davon zeugen leider auch die Zerstörung eines Horstes im Planungsgebiet, der vermutlich auch vom Uhu genutzt wurde, sowie weitere zu erwartende funktionale Schädigungen dokumentierter Brut- und Lebensstätten durch Bau oder Betrieb von Windenergieanlagen.“

In seiner Expertise vom August 2017 komme der renommierte Ornithologe Prof. Wink weiter zum Schluss: „Offenbar wurde für die Planungen zum Windenergiepark Stillfüssel eine ornithologische und artenschutzrechtliche Erfassung nur oberflächlich durchgeführt.

Denn die Untersuchungen aus den Jahren 2016 und 2017 belegen das Vorkommen von vielen Vogelarten, die bei WEA-Planungen berücksichtigt werden müssen (wie Schwarzstorch, Wespenbussard, Rotmilan und Uhu).“ Ähnliches gelte für den Kahlberg und das Greiner Eck.

„Unter anderem aufgrund der Artenschutzprüfungen ohne fachlich ausreichende Raumnutzungsanalysen muss die Frage gestellt werden, ob durch Fehleinschätzungen in der Vorprüfung fälschlicherweise die Durchführung vollständiger Umweltverträglichkeitsprüfungen umgangen wurden.

Auch Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen wurden nicht ausreichend geprüft. – Der BUND sollte den vermeintlichen Klimaschutz nicht gegen Artenschutzrecht ausspielen, sondern seinen Pflichten als Umwelt- und Naturschutzvereinigung nachkommen.

Immerhin haben die bislang etwa 28.000 Windenergieanlagen in Deutschland zu keiner Senkung des CO2-Ausstoßes geführt. Stattdessen führt der weitere Ausbau von ineffizienter Nennleistung zunehmend zu einem Desaster für die biologische Vielfalt und zur Zerstörung unserer Landschaften und Lebensräume. Es zeigt sich immer mehr, dass Windenergie-Ausbau und Naturschutz nicht vereinbar sind.“