70 Jahre Freimaurerloge „Zu den drei Sternen im Odenwald“

Dreihundert Jahre alt ist das Fachwerkhaus an der Oberen Pfarrgasse 26, das den Odenwälder Freimaurern als Logenheim dient.

„Seit 300 Jahren gibt es die Freimaurerei, seit 70 Jahren unsere Loge. Noch immer geht es um das gleiche Ziel, eine gerechtere, von humanitärem Denken und Handeln geprägte Welt“ sagt Matthias Volk, Meister vom Stuhl der Freimauererloge „Zu den drei Sternen im Odenwald“. Fotos: Ernst Schmerker
MICHELSTADT. - Wenn die Freimaurer der einzigen Odenwälder Loge „Zu den drei Sternen“ in diesem Jahr die 70. Wiederkehr der Lichteinbringung und die 40-jährige Partnerschaft mit der schottischen Loge „Ancient Brazen Nr. 17“ begehen, so ist dies in der 300-jährigen Geschichte dieses weltumspannenden Männerbundes auch ein besonderes lokales Ereignis.
Die Freimaurerei in ihrer Gesamtheit indes hat als Kind der Aufklärung auf ihre Weise dazu beigetragen, die Welt zu verändern. Hervorgegangen ist sie aus der Steinmetzbruderschaft, jenen Dombaumeistern, die bei den Fürsten schon in der spätmittelalterlichen Kleinstaaterei Freizügigkeit genossen.
Die damaligen Werkmaurer mit den nur ihnen vertrauten Arbeitsweisen waren willkommen bei Dombauten in Straßburg, in Nan-cy, Köln oder London. Sie galten als fortschrittlich, gaben sich Ordnungen, hüteten ihre Geheimnisse. Sie waren gleichberechtigt, wie verschieden ihre Gaben und Pflichten auch sein mochten.
Nur wer sich vorstellen kann, welcher Anstrengungen es bedurfte, um in den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg Forderungen nach Humanität, Brüderlichkeit und Toleranz über die rein persönlichen Belange von Selbsterhaltung zu stellen, vermag jenen Männern gerecht zu werden, die 1948 die Johannisloge „Zu den drei Sternen“ installierten.
In den Odenwald verschlagene ehemalige Freimaurer waren es, die sich schon 1946 unter Vorsitz des Erbacher Kammersängers Nieratzky zu einem freimaurerischen Kränzchen zusammenschlossen, um mit Genehmigung des für den damaligen Kreis Erbach zuständigen amerikanischen Militärkommandanten Captain Ray Didlo und dem Protektorat der Darmstädter Loge „Johannes der Evangelist zur Eintracht“ rituell zu arbeiten.
Heute gehören der Bruderschaft Männer aus den verschiedensten Berufen und Altersschichten an. „Es sind dies Gewerbetreibende, Techniker, Künstler, Lehrer, Ärzte, Freiberufler, Wahlbeamte, Rentner“, sagt der 51-jährige Matthias Volk.
Der studierte Diplom-Designer ist der hammerführende Stuhlmeister und weist seinen Brüdern die Arbeit an. „Regelmäßig freitags mit Ausnahme der großen Ferien treffen wir uns im Haus Obere Pfarrgasse 26 zur Logenarbeit nach altüberlieferten Ritualen.
Humanitäre Ziele sind es noch immer, die wir gemeinsam in Selbsterkenntnis durch Toleranz, Menschenliebe und Mildtätigkeit anstreben. Wir nennen dies Arbeit am rauen Stein“, erklärt Volk, der nach zwei Wahlperioden in den nächsten Wochen die Verantwortung abgeben und in die Kolonne zurücktreten wird.
Diskutiert wird über alle Bereiche des Zusammenlebens. Weil Trennendes überwunden und Menschen miteinander verbunden werden sollen, sind nicht nur bei den „Drei Sternen“ Diskussionen über Religionen, Konfessionen und Politik tabu.
Diskutiert wird über alle Bereiche des Zusammenlebens. Wie überall in der Welt achten auch die Odenwälder Freimaurer darauf, dass ihre Zeremonien und Symbole vor Fremden verborgen bleiben. Sie selbst sehen sich als Mitglieder einer „diskreten Gesellschaft“.
Durch die enge menschliche Verbundenheit, die sich über Sprachgrenzen hinweg weltweit schon bei der Begrüßung an der Art des Händedruckes verdeutlicht, wird die Freimaurerei oft fälschlicherweise als Geheimbund bezeichnet.
Freimaurerlogen sind in das Vereinsregister eingetragene Zusammenschlüsse, deren Satzungen und Regularien einer öffentlichen Kontrolle unterworfen sind. Wie beispielsweise heute noch mit finanzieller Unterstützung bei privaten Notlagen geholfen wird, so waren in den sechziger Jahren schon Patenschaften und Ausflugsfahrten für die Bewohner des damals noch städtischen Altenheimes eine Selbstverständlichkeit.
Bei geselligen Veranstaltungen sind auch die Frauen dabei. Nachdem in den vergangenen Jahren vorwiegend ältere Interessenten den Weg zur Loge gefunden hatten, interessieren sich in letzter Zeit verstärkt auch jüngere Männer für die freimaurerischen Ideen und Ziele. Wer sich allerdings als „Suchender“ wirtschaftliche Vorteile durch die Aufnahme erhofft, der wird zurecht enttäuscht sein.
INFO: Wer sich über Freimaurerei informieren möchte, kann dies im Internet unter zddsio.michelstadt.freimaurerei.de oder telefonisch unter 06061-13592 (Anrufbeantworter und Rückruf).