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Briefe, manchmal ohne Punkt und Komma

Reges Interesse galt dem neu erschienenen Buch sowie anderen Publikationen des Stadtarchivs. Foto: Bernhard Bergmann

NEUSTADT. - GeschichtsbĂŒcher mit Daten, Fakten und Zahlen sind das eine; die persönlichen Zeugnisse von Menschen, die diese Geschichte erleben, etwas anderes.

Ein eben solches Buch ist nun vom Stadtarchiv Breuberg herausgegeben und in Neustadt vorgestellt worden: „Feldpost und Berichte aus Krieg und Gefangenschaft fern der Heimat“.

Es versammelt Briefe, welche 20 Soldaten aus allen fĂŒnf Breuberger Stadtteilen in den Jahren des Zweiten Weltkriegs nach Hause geschrieben haben. Geboren wurden sie zwischen 1894 und 1929, acht von ihnen kamen im Krieg ums Leben.

Die FĂŒlle an Material war so groß, dass zwei BĂ€nde mit insgesamt ĂŒber 1000 Seiten daraus geworden sind. In etwa erahnbar ist demnach auch die Arbeit, welche in diese Zusammenstellung eingeflossen ist.

Dr. Jutta Reisinger-Weber, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Stadtarchivs und Herausgeberin des Buches, gab einen Einblick: Briefe mussten zunĂ€chst zusammengetragen und dann oft mĂŒhsam entziffert und transkribiert werden. Manchmal bildete die Handschrift eine HĂŒrde, ein anderes Mal der Dialekt, der auch in die Schriftsprache mit einfloss.

„Manche Briefe sind von der Front oder auf dem Marsch geschrieben, nicht selten buchstĂ€blich ohne Punkt und Komma“, verdeutlichte Reisinger-Weber eine der Schwierigkeiten der Mitarbeitenden, die oftmals aufwĂ€ndig recherchieren mussten. Ein ausfĂŒhrlicher Anmerkungsapparat gibt hier zusĂ€tzlich aufschlussreiche ErklĂ€rungen.

Einen eigenen Beitrag hat der im Ruhestand in Breuberg lebende Pfarrer Wilhelm GĂ€nssle den Feldpostbriefen des Pfarrers und spĂ€teren OdenwĂ€lder Dekans Karl Römheld an seine Gemeinde gewidmet, die dieser bis zur Einstellung des Gemeindebriefes „Der Breuberg“ im Mai 1941 verfasste.

Einige der Briefe lagerten bereits im Stadtarchiv, andere stellten die Familien der Soldaten zur VerfĂŒgung. Von den mĂŒhevollen, aber zugleich bereichernden Recherchen in der eigenen Familiengeschichte berichtete Mitautorin Marion Hartmann.

Sie zeigte auf, wie sie aus unterschiedlichsten Anhaltspunkten und Hinweisen die Stationen und Kriegserlebnisse ihres Großvaters Robert Heusel (1908-1984) rekonstruierte.

Fotos bilden einen anderen, wichtigen Bestandteil dieses umfassenden Buches. „Knipserfotos“ nannte Jutta Reisinger-Weber die privaten Bilder, in Abgrenzung zu offiziellen, nicht selten gestellten, allemal die Wirklichkeit schönenden Fotos der damaligen Zeit, welche der Propaganda dienten.

Darauf sind unter anderem Menschen bei einer ukrainischen Hochzeit, Soldaten aus anderen LĂ€ndern, Innenaufnahmen aus Lazaretten oder fast idyllisch anmutende Eselkarren zu sehen.

Ein bemerkenswertes zeichnerisches Talent wiederum zeigen die Karikaturen des Soldaten Helmut Zahn, der mit detailreichem Humor vielleicht auch ein wenig dem schlimmen Kriegsalltag begegnen wollte.

Herausgeberin Reisinger-Weber dankte Heini Helm, Wilhelm GĂ€nssle, Marion Hartmann, Ursula und Ulrich Schoenwaelder, Reinhard Kalbhenn, Ann-Kathrin Weber und Marie-Christin Weber, Karin Hartmann und Andreas Stephan, ohne deren MĂŒhe und Hilfe, teilweise ĂŒber Jahre hinweg, das Buch nicht hĂ€tte entstehen können. Das Team wiederum gab Dank zurĂŒck an Reisinger-Weber.

Musikalisch umrahmt wurde die gut besuchte BuchprĂ€sentation in der Breuberghalle von Christine Schwarzkamp-König und Caterina König. Sie spielten auf dem Klavier StĂŒcke der Zeit, welche in dem Buch zur Sprache kommt und sich auf den Bildern wiederfindet: „Lilli Marleen“ etwa oder „Es steht ein Soldat am Wolgastrand“.

Ein Grußwort steuerte in der Breuberghalle BĂŒrgermeisterin Deirdre Heckler bei; sie sei „sehr stolz, dass wir in Breuberg ein so tĂŒchtiges Team in Stadtarchiv haben“. Mit 400 Euro beteiligte sich die BĂŒrgerstiftung Breuberg an den Druckkosten fĂŒr das eindrucksvolle Geschichtswerk.

Feldpost und Berichte aus Krieg und Gefangenschaft fern der Heimat. Herausgegeben im Auftrag des Stadtarchivs Breuberg von Jutta Reisinger-Weber. Mit BeitrÀgen von Wilhelm GÀnssle, Marion Hartmann, Reinhard Kalbhenn/Ursula Schoenwaelder, Ann-Kathrin Weber und Marie-Christin Weber. Breuberg 2022, 2 BÀnde, zusammen 1040 Seiten. 50 Euro.

Zu beziehen sind die BĂ€nde ĂŒber das Stadtarchiv Breuberg, Homepage https://stadtarchiv-breuberg.jimdofree.com/publikationen/