NEWS

Richter Helmut Schmied: „Bescheißen darf man nicht, und hier ist beschissen worden!“

Ex-Landrat Dietrich Kübler (links) auf der Anklagebank im Amtsgericht Michelstadt mit seinem Verteidiger Georg Dürig.

Vorsitzender Richter Helmut Schmied und die beiden Schöffen Horst Arndt (links) und Kai Fischer.

Dietrich Kübler (Mitte) mit seinen Verteidigern Andrea Combé und Georg Dürig.

"Keine Verletzung der dem Angeklagten Dietrich Kübler (links) obliegenden Vermögensbetreuungspflicht", sah Verteidiger Georg Dürig. Fotos: © by er

Staatsanwältin Brigitte Lehmann warf dem früheren Landrat Dietrich Kübler vor als „absolutistischer Herrscher“ seine widerrechtlichen Bestrebungen verfolgt zu haben

ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - „Bescheißen darf man nicht, und hier ist beschissen worden!“ Mit dieser deutlichen Aussage in seiner Urteilsbegründung beendete der Vorsitzende Richter Helmut Schmied den mit zwölf Prozesstagen in fünfeinhalb Monaten seit Anfang Juli diesen Jahres längsten am Amtsgericht Michelstadt je geführten Strafprozess gegen den früheren Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (67, ÜWG, Hüttenthal).

Nach umfangreicher Beweisaufnahme mit gut 30 Zeugen, die teilweise mehrfach geladen worden waren, sah es das Schöffengericht Michelstadt jetzt als erwiesen an, dass sich der Ex-Landrat der Untreue schuldig gemacht habe.

Mit der Strafzumessung von sieben Monaten Haft, die drei Jahre lang zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie einer Geldstrafe von 25.000 Euro an fünf gemeinnützige Organisationen im Odenwaldkreis war das Gericht am unteren Ende des Strafrahmens geblieben (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/details/?tx_ttnews).

Als „absolutistischer Herrscher“ widerrechtliche Bestrebungen verfolgt

Staatsanwältin Brigitte Lehmann warf dem Angeklagten vor, er habe als „absolutistischer Herrscher“ widerrechtliche Bestrebungen verfolgt mit dem Ziel seinem Wahlkampfmanager und Nachbarn den Großauftrag Standortmarketing zukommen zu lassen. Sie hatte deshalb eine achtmonatige Haft- und eine Geldstrafe von 30.000 Euro als „ausreichend, aber auch notwendig“ gefordert.

Dieser Forderung traten die beiden Verteidiger Andrea Combé (Heidelberg) und Georg Dürig (Trier) mit Freispruch-Forderungen entgegen. Combé wollte ihren Mandanten mit teilweise höchstrichterlichen Vergleichsurteilen und Schuldzuweisungen an die Protagonisten der mit der administrativen Abwicklung betrauten Kreistochter Odenwald-Regionalgesellschaft (OREG) und dem Hauptabteilungsleiter im Landratsamt Oliver Kumpf reinwaschen.

Dürig behauptete „es gab keine Verfehlungen der Aufsichtspflicht“, und Kübler selbst, der während des gesamten Prozessverlaufs mit Ausnahme eines kurzes Eingangs-Statements geschwiegen hatte, sah in seinem Schlusswort noch immer „politische Spielchen“ als Auslöser der jahrelangen Affäre.

Er habe seine sechsjährige Amtszeit genutzt, um einige Projekte umzusetzen, „deshalb tut es mir und meiner Familie besonders weh, was hier jetzt passiert“, sagte der Ex-Landrat.

Gericht sieht die Schuld Küblers als erwiesen

Diesen Vorträgen konnte sich das Gericht jedoch nicht anschließen, sondern wertete einige Zeugenaussagen, die nicht dem Erinnerungsvermögen entzogen waren, als klare Indizien für die dem Angeklagten zuzuordnenden „schwere Vergabeverstöße“, die zum Teilwiderruf der bewilligten EU-Fördergelder in Höhe von 68.780 Euro geführt hatten.

Ein weiterer Schaden über 28.820 Euro, die ohne erkennbare Rechtsgrundlage über den ursprünglichen Angebotspreis hinaus von der Agentur beansprucht und auch bezahlt worden waren, wurden Dietrich Kübler entgegen der ursprünglichen Klageschrift nicht angelastet, weil „nicht zu klären war, wer dazu Aufträge erteilt hat“.

„Beharrliche Vorgehensweise bis hin zur missbräuchlichen Anwendung seiner Machtposition“

Strafmildernd, so der Vorsitzende Helmut Schmied, habe sich ausgewirkt, dass Kübler „nicht vorbestraft, und auch im fortgeschrittenen Alter ist“. Strafverschärfend sei „seine beharrliche Vorgehensweise bis hin zur missbräuchlichen Anwendung seiner Machtposition“ gewesen.

Dies habe sogar bis zur Degradierung einer Mitarbeiterin der OREG geführt, weil diese sich seinem widerrechtlichen Begehren nicht unterworfen hatte. Mit der Strafzumessung sei das Gericht dennoch am „unteren Rahmen“ geblieben.

„Vor dem Gesetz sind alle gleich“

„Sie sind eine Person des öffentlichen Lebens“, wandte sich der Vorsitzende direkt an Dietrich Kübler und ergänzte: „wenn man die Glaubwürdigkeit der Justiz erhalten will, dann muss man den Menschen vermitteln, dass vor dem Gesetz alle gleich sind“.

Er habe häufig Sozialhilfeempfänger vor sich auf der Anklagebank sitzen, sagte Helmut Schmied, und müsse diese ohne jegliche Chance auf Verfahrenseinstellung verurteilen, weil sie beispielsweise einen Nebenverdienst von 500 Euro nicht angegeben, und damit Sozialbetrug begangen hätten.

„Da lässt es sich nicht vermitteln, dass man ein Verfahren, bei dem der Odenwaldkreis einen Schaden von mindestens 100.000 Euro erlitten hat, einstellt.“