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Bürgermeister Harald Buschmann bestätigt Unterschlagung im Erbacher Rathaus

Turbulenzen im Rathaus der Odenwälder Kreisstadt Erbach: Wie jetzt aufgrund von Presserecherchen offenkundig wird, ist dort im vergangenen Jahr eine Unterschlagung von mindestens rund 112.000 Euro entdeckt worden. Foto: © by -pdh-

Mindestens 111.775 Euro soll ein inzwischen entlassener Mitarbeiter an der Erbacher Stadtkasse vorbei für sich vereinnahmt haben

ERBACH. - Bestätigt hat der Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann am Freitag, 19. Januar, eine Anfrage der Presseagentur -pdh- (Reichelsheim) wonach es im Erbacher Rathaus einen Unterschlagungsfall in der Größenordnung von mindestens 111.775 Euro gab. Der betreffende Mitarbeiter wurde fristlos gekündigt.

Mit ungewohnt freimütigen Details beantwortet der Rathauschef die Presseanfrage und leitet die Antwort zeitgleich an alle Erbacher Mandatsträger sowie den lokalen Presseverteiler weiter. In der Anfrage hatte der Journalist noch explizit darauf hingewiesen, falls es in diesem Zusammenhang besondere Rücksichtnahmen zu ergreifen gelte, sei er „in gewissem Umfang nach Rücksprache gerne dazu bereit“.

Infos zum Unterschlagungsfall mit „nächste Wahlkampfwelle rollt“ überschrieben

Entgegen diesem pdh-Angebot bemüht Harald Buschmann dann jedoch jedes Detail des seit Jahresbeginn 2017 bekannt gewordenen Unterschlagungsfalles und stellt die Anfrage unter das Motto: >Die nächste Wahlkampfwelle rollt<.

„Normalerweise würde ich Sie damit auch gar nicht behelligen, jedoch ist leider die nächste Indiskretion und damit ein Vertrauensbruch bezüglich des Magistrats verbunden. Scheinbar ist im letzten Jahr gezielt gesammelt worden, um nun im Bürgermeisterwahlkampf Schritt für Schritt Themen und Informationen an die Öffentlichkeit zu spielen. Hintergrund ist eine erneute Presseanfrage, die ich Ihnen im Anhang zur Kenntnis gebe.“

Wahlkampfsprechstunde in Zusammenhang mit Presseanfrage gestellt

Noch deutlicher stellt Buschmann in seiner Rundmail den Zusammenhang der Anfrage mit dem „bemerkenswerten“ Hinweis her, „dass im gleichen Zeitkorridor der Anfrage gestern Nachmittag wieder eine Wahlkampfsprechstunde einer meiner Gegenkandidaten in einem örtlichen Gastronomiebetrieb stattfand“.

Zum eigentlichen Unterschlagungsfall nennt der Bürgermeister dann folgende Fakten: Am 20./21. Februar 2017 seien bei der Vorbereitung zur Steuererklärung durch Wirtschaftsprüfer im Bereich Touristik erhebliche Mindereinnahmen gegenüber dem Vorjahr festgestellt worden.

Fehlende 2.300 Euro aus Touristikbereich als Auslöser

Bis Anfang Mai, nach Vorlage der Umsatzsteuererklärung, wurde, nach Buschmanns Angaben, durch die Leiterin der Stadtkasse in Stichproben der Wochenbericht der Touristik mit den Einzahlungen im Kassenbuch verglichen.

Dabei ergaben sich quittierte Beträge von 2.300 Euro, die in der Stadtkasse abgeliefert, dort jedoch nicht als Zahlungseingang ersichtlich waren.

Dem Mitarbeiter sei am 5. Mai 2017 die Möglichkeit eröffnet worden, die fehlenden Buchungen aufzuklären, da die Möglichkeit von fehlerhaften Buchungen bestanden habe. „Im Ergebnis konnte er keinen entlastenden Nachweis führen.“

Bürgermeister ordnet Prüfung des Jahres 2015 an und stellt Mitarbeiter frei

Buschmann selbst, will erst am 8. Mai 2017 über den Sachverhalt informiert worden sein, wie er in dieser Chronologie vermerkt. Er habe dann eine vollständige Prüfung des Jahres 2015 und die Freistellung des Mitarbeiters für den Prüfungszeitraum von etwa zwei Wochen verfügt.

Nach Abschluss der Jahresprüfung 2015 durch Mitarbeiter der Stadtkasse und der Finanzverwaltung sei er über den ermittelten Fehlbetrag in Höhe von 7.454,71 Euro informiert worden und habe daraufhin den Mitarbeiter weiterhin von der Arbeit freigestellt und zu einem Anhörungsgespräch am 24. Mai geladen.

Zu diesem Termin habe der Mitarbeiter den Fehlbetrag nicht erklären können. Er habe vielmehr um Bedenkzeit und einen erneuten Gesprächstermin gebeten. Am gleichen Tag sei in einer Magistratsvorlage mit Information zum Sachverhalt der Beschlussvorschlag zur fristlosen Kündigung erfolgt, zwei Tage später der Leiter des Revisionsamtes beim Odenwaldkreis telefonisch informiert worden.

Mitarbeiter selbst und Personalrat stimmen Kündigung zu

Am 29.05.2017 habe der Mitarbeiter mitgeteilt, dass er eine Kündigung akzeptiert, den Fehlbetrag schriftlich anerkannt und um Ratenzahlung auf 2 Jahre gebeten. Am gleichen Tag habe der Personalrat der beabsichtigten fristlosen Verdachtskündigung zugestimmt.

Zeitgleich habe der Magistrat per Beschluss der fristlosen Kündigung und dem Verzicht auf eine Strafanzeige zugestimmt, sofern kein Schaden für die Stadt entstehe. Bei Nichteinhaltung des Ratenzahlplanes zur Rückzahlung des bis dahin festgestellten Betrages von 7.454,71 Euro sollte Strafanzeige gestellt werden.

Am 30. Mai folgte dann die fristlose Kündigung des Mitarbeiters, von der die Kommunalaufsicht beim Odenwaldkreis zwei Tage später telefonisch informiert wurde.

Schadenssumme erhöhte sich zunächst auf 24.000 Euro, Strafanzeige erfolgte

Per email wurden die Mitglieder des Magistrats am 04. September des Vorjahres darüber informiert, dass weitere Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden und der Schaden mit inzwischen 24.000 Euro anzunehmen sei, aber eine Ausweitung nicht ausgeschlossen werden könne.

Hierzu prüften die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter die Bargeldströme bis zum Jahr 2011 zurück. Ein Prüfungsergebnis wurde für das Jahresende 2017 erwartet. In Anbetracht der Ausweitung der Vorwürfe und der Nichteinhaltung der Ratenzahlung wurde gemäß des entsprechenden Magistratsbeschlusses Strafanzeige bei der Polizei in Erbach gestellt.

Interne Prüfung ergibt Veruntreuung von mehr als 111.000 Euro

Am 17. Oktober schließlich sei die interne Prüfung mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, dass mehr als 111.000 Euro veruntreut wurden. Am 25.10. sei der Leiter des Revisionsamtes beim Odenwaldkreis über den aktuellen Sachstand informiert worden.

Zur Durchsetzung der privatrechtlichen Forderungen gegenüber dem ehemaligen Mitarbeiter benötigt die Stadt Erbach eine Bestätigung der Forderung durch einen Sachverständigen. Ein solches Gutachten konnte das Revisionsamt wegen des zeitlichen Engpasses nicht leisten und schlug deshalb die Beauftragung eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens vor.

Zeitgleich sei Kontaktaufnahme mit dem Versicherer der Stadt Erbach, verbunden mit der Bitte um Prüfung einer Schadensabwicklung erfolgt. Am 1. November erfolgte dann die Information des Magistrats per E-mail über die erfolgte Prüfung mit Schadensausweitung auf 111.775,03 Euro sowie über die geplanten nächsten Schritte.

Noch unklare Buchungen von rund 10.000 Euro werden nochmal geprüft

Der Magistrat habe dann per 20.11.2017 Auftragsvergabe der Unterschlagungsprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer beschlossen. Nach Abschluss der fachlichen Prüfung am 11. Januar 2018 seien die von der Verwaltung festgestellten Differenzen im Abschlussgespräch soweit bestätigt worden. Einige noch unklare Buchungen von rund 10.000 Euro bedürften einer nochmaligen Nachprüfung.

Eine schriftliche Dokumentation des Wirtschaftsprüfers stehe noch aus. Aktuell bereite die Stadtkasse die Erwirkung eines Mahnbescheides / Vollstreckungsbescheides bei Gericht gegenüber dem ehemaligen Mitarbeiter vor.

„Dem Mitarbeiter ist sofort fristlos gekündigt worden, und mittlerweile ist die Stelle wieder besetzt. Die Gremien (über Magistratsmitglieder, Fraktionsvorsitzende und Stadtverordnetenvorsteher wegen der Nichtöffentlichkeit) insgesamt sind und waren zu jeder Zeit informiert“, betont Harald Buschmann in seiner aktuellen Stellungnahme zu diesem Fall.

„Im Sinne der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter, sachlich, fair und vertraulich vorgehen“

„Nun bringt ein solcher Vorfall natürlich auch weitere Probleme mit sich. Bei laufenden Verfahren ist auf alle Fälle das Ergebnis abzuwarten, um auch die Dimension des Vergehens festgestellt zu haben. Immerhin hat in unserem Rechtsstaat jeder auch Persönlichkeitsrechte, die eingehalten werden müssen.

Das betrifft ebenso das familiäre Umfeld, wie auch Freunde und Bekannte. Deswegen war es mir von Anfang an wichtig, im Sinne der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter, sachlich, fair und vertraulich vorzugehen.

Dass dies nun von anderer Seite konterkariert wird, trifft mich und weitere Mitarbeiter im Rathaus sehr. Man fragt sich tatsächlich, soll das der künftige Umgangsstil in der Stadt Erbach sein?“, lenkt der Bürgermeister den Fokus auf vermeintlich andere Baustellen im Umfeld dieses Vorgangs.