Erntedank in der Strohkirche in Vielbrunn
VIELBRUNN. - Hofgottesdienste zum Erntedankfest haben immer den Charme des „Nahe-dran“. Nicht hinter Kirchenmauern mit ihrer sakralen Anmutung, sondern direkt an dem Ort, wo der Dank für eingefahrene Ernte seinen folgerichtigen Platz hat.
Meist kommt zum „Nahe-dran“ auch noch das Draußen, und das war in Vielbrunn diesmal ziemlich kalt. Wobei die gastgebende Familie Siefert doch so etwas wie eine Naturkirche erbaut hatte, nur bestand die hier, authentisch für einen Hofgottesdienst, aus wuchtigen Strohmauern, mit Maisstauden als Wandschmuck.
Zum Gottesdienst gehörte auch die Taufe des jüngsten Sprösslings der Landwirtsfamilie, Töchterchen Karla Anja. Pfarrer Micha-Steffen Stracke wurde bei Lesungen und Gebeten von Konfirmanden unterstützt, der Posaunenchor der Kirchengemeinde hatte die musikalische Gestaltung übernommen.
In seiner Predigt – ob der Kälte und des Windes etwas gekürzt, wie Stracke verriet – erinnerte der Pfarrer daran, dass „nichts selbstverständlich ist, schon gar nicht das, was wir zum Leben haben“.
Alle, die zum Gottesdienst gekommen waren, hatten ein Tütchen mit Kressesamen erhalten, darauf die Aufschrift „Wir säen Hoffnung“. Es sei eine symbolische Antwort auf die andere Saat, die in der Welt leider vielfältig aufgeht: Neid, Hass, Gewalt, zum Beispiel.
Auch Liebe solle immer wieder ausgesät werden, und zwar reichlich, in der Hoffnung, dass auch diese Saat aufgehe und Menschen auch davon immer wieder ernten könnten, so Stracke. Und mit Bezug auf die vorangegangene Taufe wies er darauf hin, dass gerade auch die Zuwendung zu Kindern eine Form der Saat sei.
Vielleicht ist es ja auch kein Zufall, dass der evangelische Kindergarten in Vielbrunn „Apfelbäumchen“ heißt. Auch hier finden Aussaat und Ernte statt, und eine Kostprobe bekam die Gemeinde in Form von einigen Liedern, mit denen Kita-Kinder und Erzieherinnen den Gottesdienst bereicherten.
Die Kinder brachten auch den reichhaltigen Erntewagen herein und teilten die bunten Früchte und Gemüsesorten nach den Farben des Regenbogens auf – auch als Erinnerung an den, von dem alles herkommt: Ist doch der Regenbogen laut der alttestamentlichen Noah-Geschichte das unverbrüchliche Zeichen für Gottes bleibenden Bund mit den Menschen.
Nach dem Gottesdienst ging es im Vielbrunner Gemeindehaus mit dem traditionellen Herbstmarkt weiter. Und wie es mittlerweile in den Kirchengemeinden des Evangelischen Dekanats Odenwald Brauch ist, wurden auch wieder Lebensmittelspenden für die Erbach-Michelstädter Tafel gesammelt.