Oberzent: „Chance nutzen für integrierte medizinische Versorgungsmöglichkeiten“
GesundheitsVersorgungsKooperation Oberzent zum geplanten GesundheitsVersorgungsZentrum Oberzent: „In der Oberzent entsteht ein Projekt mit Modellcharakter“OBERZENT / BEERFELDEN. - Zu den größten Herausforderungen der neuen Stadt Oberzent zählt eine ärztliche Versorgung, die nicht nur die bereits vorhandenen Lücken schließt, sondern auch den Anforderungen der Zukunft gerecht wird.
Nach Ansicht der GesundheitsVersorgungsKooperation Oberzent steht die neue Stadt vor einer Herausforderung, die nur in Form eines weitreichenden Versorgungskonzepts, angepackt werden kann, das die medizinischen und sozialen Belange der Bevölkerung im Rahmen der Daseinsvorsorge verbindet.
„Eine Lösung, die nur darauf abzielt, einen oder zwei Hausärzte zu gewinnen, greift nicht weit genug und spart andere Probleme aus, wie wir sie in einer ländlichen Region mit dünner Besiedlung, weiten Wegen und mit einem hohen Anteil an älteren Menschen haben“, macht der zweite Vorsitzende der GesundheitsVersorgungsKooperation, Alwin Weber, auf den wichtigen Unterschied aufmerksam.
Die Ausgangslage ist denkbar schwierig, denn bei einer Unterversorgung von derzeit 2,5 Hausärzten liegt der Versorgungsgrad gerade mal bei 60 Prozent und geeignete größere und zukunftsfähige Praxisräume sind auch nicht vorhanden.
Ein Problem, das nicht nur die Oberzent betrifft. Einer statistischen Hochrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge werden in den nächsten sieben Jahren weitere 35 Hausärzte benötigt, um das altersbedingte Ausscheiden von Medizinern im Odenwaldkreis auszugleichen.
Gleichzeitig steigt jedoch der Bedarf an Gesundheitsleistungen durch die veränderte Altersstruktur und dem steigenden Anteil an Patienten mit mehreren Erkrankungen. Aus diesem Grund hat sich bereits vor mehr als zwei Jahren die GesundheitsVersorgungsKooperation auf den Weg gemacht, um einen Plan für ein interdisziplinär besetztes GesundheitsVersorgungsZentrum (GVZ) Oberzent auszuarbeiten.
Dieses sieht vor, unter einem Dach neben einer ausreichenden Versorgung durch Haus- und Fachärzte auch Lösungen anzubieten, die von nichtärztlichen Leistungsanbietern wie Physiotherapeuten, Logopäden und Ernährungsberatung über Hilfs- und Beratungsangebote in der ambulanten und stationären Pflege bis hin zur Lebens-, Krisen- und Suchtberatung, Unterstützung von Demenzkranken und ihren Angehörigen sowie zur Vermittlung von haushaltsnahen Leistungen reichen.
Wie eine Umfrage des Fachbereiches Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt im Rahmen einer Promotionsarbeit zeigt, entspricht dies auch genau der Vorstellung der Bevölkerung in der Oberzent.
Ausgehend von der Zielsetzung, im Odenwaldkreis mehrere regionale Versorgungszentren einzurichten, haben bereits im Jahr 2014 Fachleute ein 100 Seiten starkes Strategiepapier ausgearbeitet, dessen Umsetzung für die Oberzent am weitesten fortgeschritten ist.
Das Hessisches Ministerium für Soziales und Integration hat den Modellcharakter dieser in Hessen bisher einmaligen Initiative erkannt und seit 2013 entsprechend gefördert. Unterstützung erfährt das Konzept auch aus dem Kompetenzzentrum für Interkommunale Zusammenarbeit und von der Robert Bosch Stiftung.
Einen wichtigen Anfang stellt das Erstangebot des GVZ Oberzent dar, das in Kürze unter der Adresse der Breimer GmbH in der Mümlingtalstraße 58 von Beerfelden mit drei Facharztpraxen, einem Psychotherapeuten und einer Heilpraktikerin in Betrieb gehen wird.
Bis Juli 2018 sollen weitere Ärzte und die Beratungsangebote der Wohlfahrtsverbände , Caritaszentrum, Diakonisches Werk und Deutsches Rotes Kreuz folgen. Als erstes wechselten zum 1.11.2017 das Büro der Geschäftsstelle der GesundheitsVersorgungsKooperation Oberzent und ein Patientencoach in die neuen Räumlichkeiten.
„Dabei handelt es sich um eine Zwischenlösung, für die rund 550 Quadratmeter zur Verfügung stehen“, macht Weber deutlich. In einer nächsten Ausbaustufe, die in einem Neubau erfolgen wird, soll das Angebot ausgeweitet werden und weitere Angebote der Prävention, Rehabilitation und Palliation integriert werden, was auch Gesundheitsgeschäfte einschließt.
„Wichtiger Bestandteil einer tragfähigen Lösung ist die Vernetzung, die neue Möglichkeiten eröffnet. Ich denke da an die Nutzung von ePat, einem Patienteninformationssystem, der Ärzte entlastende Einsatz von Casemanagern und Lotsen oder interdisziplinäre Sprechstunden“, stellt Weber beispielhaft vor, wie in einer ländlichen Region die Zukunft aus einer koordinierten medizinischen Versorgung unter Berücksichtigung von Qualitätsmerkmalen aussehen kann.
Außenstellen in den Stadtteilen in Verwaltungsgebäuden, Betrieben und Hotels und Strukturen zur Patientenfahrt und –begleitung sollen zusätzlich der zu versorgenden Fläche und den Stadtteilen Rechnung tragen.
Der Vorstand der GesundheitsVersorgungsKooperation Oberzent setzt daher unter der Führung des Beerfeldener Bürgermeisters Gottfried Görig auf eine breite Unterstützung und Mitarbeit von Beteiligten sowie aus der Bürgerschaft heraus: „Gesundheitsversorgung ist integraler Bestandteil der Daseinsfürsorge. Hierfür sollten Individual- oder politische Interessen hinten anstehen.“