Trauer um Andrea Alt
Bildungsreferentin des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald ist am 4. März verstorbenODENWALD. - Das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald trauert um Andrea Alt. Die Bildungsreferentin und Koordinatorin der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit im Landkreis Darmstadt-Dieburg, ist am 4. März nach schwerer Krankheit verstorben.
Die letzten Tage ihres Lebens verbrachte sie im Kreise ihrer Familie. Ein Nachruf von Dekan Joachim Meyer.
Am 10. Dezember 1961 ist sie in Alsfeld in Oberhessen geboren. Hier wuchs sie auf, hier ging sie zur Schule. Das Leben auf dem Land prägte ihre Kindheit und Jugend.
Nach dem Abitur machte sie ein einjähriges landwirtschaftliches Praktikum auf dem Lehr- und Versuchsgut der Uni Gießen. Sie heiratete kurz vor Weihnachten 1982. Ihr und ihrem Mann wurden drei Kinder geschenkt.
Von 1994 an studierte sie als Familienfrau Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule Darmstadt mit Diplomabschluss. Anschließend erweiterte sie ihre Studien mit dem Magisterstudium an der TU Darmstadt in Pädagogik, Soziologie, Theologie.
Zeitgleich begann sie als Lehrbeauftragte nacheinander an der TU Darmstadt, an der Fachhochschule Mannheim und an der Evangelischen Hochschule Darmstadt zu arbeiten.
„Pädagogik im Fokus feministischer Kritik“, „Soziale Arbeit zwischen ethischem Anspruch und gesellschaftlicher Realität“ und „Haupt und Ehrenamt zwischen Konkurrenz und Kooperation“ waren Kurse, die sie anbot.
Engagement fĂĽr GeflĂĽchtete
Von 1997 an bis 2013 war sie Mitglied des Kirchenvorstandes in ihrer Heimatgemeinde Brandau und in der Synode des Evangelischen Dekanats Reinheim, später Vorderer Odenwald.
Von 2008 bis 2014 arbeitete sie als Bildungsreferentin im Evangelischen Dekanat RĂĽsselsheim, danach bis zuletzt als Bildungsreferentin im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald.
Von 2015 bis 2019 war sie mit halber Stelle unterwegs im Landkreis Darmstadt-Dieburg in der Koordination des Ehrenamtes in der Flüchtlingsarbeit – einer Stelle, gefördert vom Landkreis, von den Evangelischen Dekanaten in Südhessen und dem Diakonischen Werk.
Andrea Alt war eine Netzwerkerin. In ihrer motivierenden und inspirierenden Art gelang es ihr immer wieder, die unterschiedlichen Partner an einen Tisch zu bringen und fĂĽr eine Aufgabe zu begeistern.
Etwa in dem Projekt „Vitamin Be“ verband sie 2018 Ehrenamtliche in den Asylkreisen des Landkreises und der Stadt Darmstadt, Diakonisches Werk Darmstadt-Dieburg, Sozialdienst für Geflüchtete (kommunal, Landkreis, freie Träger), IHK Südhessen, Handwerkskammer, Agentur für Arbeit, Kreisagentur für Beschäftigung Darmstadt-Dieburg, Unternehmerverband Südhessen e.V., Moscheegemeinde Dieburg, aufsuchende Bildungsberatung des Landkreises, kommunale Bildungskoordination der Stadt Darmstadt und des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Bildungswerk der hessischen Wirtschaft, Arbeitsmarktberatung der Diakonie, Werbeagentur Schlösser (Groß-Umstadt), lokale Ehrenamtskoordinatoren (kommunal), örtliche Gewerbevereine zur Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.
Den Schwachen galt ihre Zuwendung
Ein Höhepunkt ihres Engagements war zweifelsohne der 2. September 2017. Kurz vor dem evangelischen Reformationsjubiläum organisierte sie mit vielen Partnern an der Heydenmühle bei Klingen das Willkommens- und Begegnungsfest der Asylkreise im Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Stadt Darmstadt.
Über 500 Besucherinnen und Besucher kamen teils mit gecharterten Bussen und verbrachten im Gespräch und an den Ständen der Aktionsgruppen einen stimmungsvollen, kontaktfördernden Tag miteinander.
Sie organisierte in ihrem Arbeitsfeld Gesprächsrunden mit Expertinnen und Experten und führte zahllose Einzelgespräche. Auf Kongressen referierte sie bundesweit. In einem Interview einmal gefragt nach ihrer Lieblingsstelle aus der Bibel nannte sie den Satz aus 2. Korinther 12 „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ und fügte hinzu: „Ein reformatorischer Satz, wie ich finde.“
Den Schwachen galt ihre ganze Zuwendung – in ihrem Haupt- und in ihrem Ehrenamt. „Gnade“ – Freundlichkeit und Stärkung zu vermitteln, Empowerment – Befähigung, Ermutigung war ihr Herzensanliegen als Pädagogin: in der Familienbildung, im Kontakt zu den Kindertagesstätten, in der Frauenarbeit, in der politischen Bildung, in der Förderung von Ehrenamtlichen und immer wieder und ganz besonders in ihrem fachkundigen und anwaltschaftlichen Eintreten für Geflüchtete.
Gefragt nach Menschen, die sie nachhaltig beeindruckt haben, nannte sie in dem schon erwähnten Interview: meine Eltern, meine Oma, die Theologin Dorothee Sölle und die Philosophen Emmanuel Levinas und Michel Foucault. „Wer ist Deine Lieblingsfigur in der Bibel?“ – „Eva, weil durch ihre Neugier das Wissen in die Welt gekommen ist.“
Als sie uns vor zwei Jahren ihre Erkrankung mitteilte, waren wir im Kollegenkreis erschĂĽttert. Sie selbst und wir mit ihr gaben die Hoffnung auf Heilung nicht auf. Und wir blieben im Kontakt bis zuletzt.
Sie trug ihre schwere Krankheit ohne Illusion und in großer Verbundenheit, vor allem zu ihrem Mann, zu ihrer Familie. Sie empfing Unterstützung bis zuletzt. Am 4. März morgens ist sie im Kreise ihrer Familie sanft entschlafen.
In der letzten Frage jenes Interviews antwortete sie auf die Frage nach ihrem Lebensmotto: „…einlassen, zulassen, loslassen.“