Trauer um Andrea Alt

Andrea Alt (59), Bildungsreferentin des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald ist gestorben. Foto: Silke Rummel
ODENWALD. - Das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald trauert um Andrea Alt. Die Bildungsreferentin und Koordinatorin der Ehrenamtlichen in der FlĂŒchtlingsarbeit im Landkreis Darmstadt-Dieburg, ist am 4. MĂ€rz nach schwerer Krankheit verstorben.
Die letzten Tage ihres Lebens verbrachte sie im Kreise ihrer Familie. Ein Nachruf von Dekan Joachim Meyer.
Am 10. Dezember 1961 ist sie in Alsfeld in Oberhessen geboren. Hier wuchs sie auf, hier ging sie zur Schule. Das Leben auf dem Land prÀgte ihre Kindheit und Jugend.
Nach dem Abitur machte sie ein einjĂ€hriges landwirtschaftliches Praktikum auf dem Lehr- und Versuchsgut der Uni GieĂen. Sie heiratete kurz vor Weihnachten 1982. Ihr und ihrem Mann wurden drei Kinder geschenkt.
Von 1994 an studierte sie als Familienfrau ReligionspĂ€dagogik an der Evangelischen Hochschule Darmstadt mit Diplomabschluss. AnschlieĂend erweiterte sie ihre Studien mit dem Magisterstudium an der TU Darmstadt in PĂ€dagogik, Soziologie, Theologie.
Zeitgleich begann sie als Lehrbeauftragte nacheinander an der TU Darmstadt, an der Fachhochschule Mannheim und an der Evangelischen Hochschule Darmstadt zu arbeiten.
âPĂ€dagogik im Fokus feministischer Kritikâ, âSoziale Arbeit zwischen ethischem Anspruch und gesellschaftlicher RealitĂ€tâ und âHaupt und Ehrenamt zwischen Konkurrenz und Kooperationâ waren Kurse, die sie anbot.
Engagement fĂŒr GeflĂŒchtete
Von 1997 an bis 2013 war sie Mitglied des Kirchenvorstandes in ihrer Heimatgemeinde Brandau und in der Synode des Evangelischen Dekanats Reinheim, spÀter Vorderer Odenwald.
Von 2008 bis 2014 arbeitete sie als Bildungsreferentin im Evangelischen Dekanat RĂŒsselsheim, danach bis zuletzt als Bildungsreferentin im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald.
Von 2015 bis 2019 war sie mit halber Stelle unterwegs im Landkreis Darmstadt-Dieburg in der Koordination des Ehrenamtes in der FlĂŒchtlingsarbeit â einer Stelle, gefördert vom Landkreis, von den Evangelischen Dekanaten in SĂŒdhessen und dem Diakonischen Werk.
Andrea Alt war eine Netzwerkerin. In ihrer motivierenden und inspirierenden Art gelang es ihr immer wieder, die unterschiedlichen Partner an einen Tisch zu bringen und fĂŒr eine Aufgabe zu begeistern.
Etwa in dem Projekt âVitamin Beâ verband sie 2018 Ehrenamtliche in den Asylkreisen des Landkreises und der Stadt Darmstadt, Diakonisches Werk Darmstadt-Dieburg, Sozialdienst fĂŒr GeflĂŒchtete (kommunal, Landkreis, freie TrĂ€ger), IHK SĂŒdhessen, Handwerkskammer, Agentur fĂŒr Arbeit, Kreisagentur fĂŒr BeschĂ€ftigung Darmstadt-Dieburg, Unternehmerverband SĂŒdhessen e.V., Moscheegemeinde Dieburg, aufsuchende Bildungsberatung des Landkreises, kommunale Bildungskoordination der Stadt Darmstadt und des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Bildungswerk der hessischen Wirtschaft, Arbeitsmarktberatung der Diakonie, Werbeagentur Schlösser (GroĂ-Umstadt), lokale Ehrenamtskoordinatoren (kommunal), örtliche Gewerbevereine zur Integration von GeflĂŒchteten in den Arbeitsmarkt.
Den Schwachen galt ihre Zuwendung
Ein Höhepunkt ihres Engagements war zweifelsohne der 2. September 2017. Kurz vor dem evangelischen ReformationsjubilĂ€um organisierte sie mit vielen Partnern an der HeydenmĂŒhle bei Klingen das Willkommens- und Begegnungsfest der Asylkreise im Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Stadt Darmstadt.
Ăber 500 Besucherinnen und Besucher kamen teils mit gecharterten Bussen und verbrachten im GesprĂ€ch und an den StĂ€nden der Aktionsgruppen einen stimmungsvollen, kontaktfördernden Tag miteinander.
Sie organisierte in ihrem Arbeitsfeld GesprĂ€chsrunden mit Expertinnen und Experten und fĂŒhrte zahllose EinzelgesprĂ€che. Auf Kongressen referierte sie bundesweit. In einem Interview einmal gefragt nach ihrer Lieblingsstelle aus der Bibel nannte sie den Satz aus 2. Korinther 12 âLass dir an meiner Gnade genĂŒgen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mĂ€chtigâ und fĂŒgte hinzu: âEin reformatorischer Satz, wie ich finde.â
Den Schwachen galt ihre ganze Zuwendung â in ihrem Haupt- und in ihrem Ehrenamt. âGnadeâ â Freundlichkeit und StĂ€rkung zu vermitteln, Empowerment â BefĂ€higung, Ermutigung war ihr Herzensanliegen als PĂ€dagogin: in der Familienbildung, im Kontakt zu den KindertagesstĂ€tten, in der Frauenarbeit, in der politischen Bildung, in der Förderung von Ehrenamtlichen und immer wieder und ganz besonders in ihrem fachkundigen und anwaltschaftlichen Eintreten fĂŒr GeflĂŒchtete.
Gefragt nach Menschen, die sie nachhaltig beeindruckt haben, nannte sie in dem schon erwĂ€hnten Interview: meine Eltern, meine Oma, die Theologin Dorothee Sölle und die Philosophen Emmanuel Levinas und Michel Foucault. âWer ist Deine Lieblingsfigur in der Bibel?â â âEva, weil durch ihre Neugier das Wissen in die Welt gekommen ist.â
Als sie uns vor zwei Jahren ihre Erkrankung mitteilte, waren wir im Kollegenkreis erschĂŒttert. Sie selbst und wir mit ihr gaben die Hoffnung auf Heilung nicht auf. Und wir blieben im Kontakt bis zuletzt.
Sie trug ihre schwere Krankheit ohne Illusion und in groĂer Verbundenheit, vor allem zu ihrem Mann, zu ihrer Familie. Sie empfing UnterstĂŒtzung bis zuletzt. Am 4. MĂ€rz morgens ist sie im Kreise ihrer Familie sanft entschlafen.
In der letzten Frage jenes Interviews antwortete sie auf die Frage nach ihrem Lebensmotto: ââŠeinlassen, zulassen, loslassen.â