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Odenwaldkreis: Autoschieberbande oder nur illegale Kfz-Werkstatt?

In diesen Garagen in der Erbacher Kernstadt werden illegal, vorwiegend nachts sowie an Sonn- und Feiertagen, PKW lackiert und hergerichtet. Archivfoto: Recherchenetzwerk SĂŒdhessen

Seit Jahren werden in Erbach heimlich nachts Kraftfahrzeuge bearbeitet + + + Behörden halten ihre Augen fest verschlossen

ERBACH. - Auf Lastkraftwagen mit osteuropÀischen Kennzeichen werden sie nachts angeliefert und in Garagen im Mischgebiet geschoben, Pkw verschiedener Marken, mal mit und mal ohne Nummernschilder.

Nachts umlackiert und im Morgengrauen wieder verladen

Nachts sollen sie nach Zeugenaussagen umlackiert und vor Morgengrauen wieder verladen oder weggefahren werden.

Besonders markante Fahrzeugtypen werden in den frĂŒhen Morgenstunden von Wachpersonal mit großen Decken vor den Augen von zufĂ€llig vorbeikommenden Passanten verborgen.

So lĂ€uft es fast jede Nacht, auch und besonders an Sonn- und Feiertagen an einer belebten Durchgangsstraße der OdenwĂ€lder Kreisstadt Erbach. Bis heute.

Im zweiten Halbjahr 2014 fielen die anscheinend zunĂ€chst semiprofessionellen Arbeiten erstmals unangenehm auf, LackierdĂ€mpfe und laute ArbeitsgerĂ€usche drangen aus zwei privaten Garagen eines BĂŒrogebĂ€udes.

Professionelle nÀchtliche ArbeitsablÀufe

Aus diesen relativ geringfĂŒgigen AnfĂ€ngen hat sich mittlerweile ein professioneller Arbeitsablauf entwickelt mit Wachleuten angeblich osteuropĂ€ischen Aussehens und sogar elektronischer Überwachung der Umgebung.

Jede Bewegung rund um die suspekten Garagen wird hörbar akustisch nach drinnen gemeldet und ein nicht ganz stiller Alarm ausgelöst.

Hinweise und Anzeigen aus dem örtlichen Umfeld gehen bereits im Dezember 2014 bei den örtlichen Behörden ein, beim stÀdtischen Ordnungsamt, bei der Bauaufsicht und der Polizei.

War die Angelegenheit von fast tĂ€glicher Bearbeitung stets unterschiedlicher Fahrzeugtypen in einer Privatgarage schon merkwĂŒrdig genug, so gab das Verhalten aller involvierten Ämter erst recht RĂ€tsel auf. Sie unternahmen nĂ€mlich ... nichts. Was dazu fĂŒhrte, dass sich der Betreiber oder Mieter der Garage immer sicherer fĂŒhlte und die Arbeiten ausweitete.

Wachleute schĂŒchtern Passanten und Anwohner ein

Mittlerweile wurden Wachleute gesichtet, die Beobachter, zufĂ€llige oder Anwohner, nach verschiedenen Aussagen einschĂŒchterten und bedrohten. Was dann tatsĂ€chlich zu einer Polizeiaktion fĂŒhrte.

Die Ortsbesichtigung durch die örtlichen Beamten fiel dann allerdings weit weniger professionell aus als die heimlichen Arbeiten an den Kfz. Denn die Polizei meldete sich höflicherweise zuvor an, und fand dann in der Garage ... nichts.

Damit war die Sache fĂŒr sie erledigt. Selbst die zustĂ€ndige Staatsanwaltschaft und das regionale PolizeiprĂ€sidium interessierten sich lange nicht fĂŒr die seltsamen VorgĂ€nge in der Kreisstadt.

Nach der versemmelten Aktion der Ordnungsbehörde ging es dann richtig los. Jetzt wurde auch nachts gearbeitet, stets professionell gerĂ€uschgedĂ€mpft, GeruchsbelĂ€stigung der Umgebung reduziert, zur Überlagerung der LackierdĂ€mpfe wurden gelegentlich sogar Holzkohlegrills angeworfen, nur wurde nie gegrillt.

Die bearbeiteten Autos werden noch unter dem Schutz der Dunkelheit auf ein Außenlager am Stadtrand verbracht. Mehrmalige Benachrichtigungen der verschiedenen Behörden wurden vollends ignoriert. MerkwĂŒrdige Reaktionen bestimmter Behördenmitarbeiter lassen inzwischen mit ziemlicher Sicherheit darauf schließen, dass zumindest von einem Amt aus die Hand ĂŒber die illegalen Praktiken gehalten wurde.

Illegale Arbeiten werden von mindestens einer Behörde gedeckt

Denn illegal sind die Handlungen, das wurde von der Pressestelle des Landratsamts am 14. Februar dieses Jahres auf Anfrage offiziell verlautbart. Demnach wurde bereits im Jahr 2014 ein Nutzungsverbot der Garage fĂŒr den Betrieb einer Autowerkstatt ausgesprochen. Dieses werde in unregelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden ĂŒberprĂŒft.

So zumindest die Behauptung der Behörde. Wie eine solche ÜberprĂŒfung vonstattengeht, konnten sich Pressevertreter anhand zahlreicher Unterlagen ansehen. Wann immer eine Beschwerde ĂŒber BelĂ€stigung durch LĂ€rm oder Lackiergeruch bei einer bestimmten Behörde einging, rief ein bestimmter Mitarbeiter kurz darauf zurĂŒck.

Und dieser fragte nicht etwa: „Sind die Arbeiten eingestellt?“. Stattdessen fragte er: „Hört man noch etwas?“ Und in der Tat, stets nach Eingang einer Klage ĂŒber bestimmte UmstĂ€nde wurden diese sofort ab-, nicht aber die illegalen Arbeiten eingestellt.

Autoschieber oder nur illegale Werkstatt?

Zum Beispiel wird an die Behörde berichtet, dass DÀmpfe stören. Kurze Zeit spÀter sind die LackierdÀmpfe im Umfeld der Garagen beseitigt. Es wird von LÀrm berichtet, der wird in der nÀchsten Nacht gedÀmpft. Es wird ins Amt gemeldet, dass jetzt Kennzeichen notiert werden. Ab der nÀchsten Nacht haben die Pkw keine Kennzeichen mehr oder werden mit Decken abgeschirmt.

Die Kommunikation zwischen Behördenmitarbeiter und Garagenbetreiber funktioniert demnach einwandfrei. Völlig unĂŒblich angesichts der Erfahrungen der meisten BĂŒrger mit ihren Ämtern.

Eine weitere Frage steht im Raum: Handelt es sich bei den illegalen nÀchtlichen Arbeiten um das Werk einer Autoschieberbande, oder nur um einen unerlaubten Lackierbetrieb?