Dr. Peter Traub: „Die Arbeit reicht noch für mindestens neun Jahre“
Ende Juli startete der Erbacher Bürgermeister in die zweite Hälfte seiner zunächst auf sechs Jahre limitierten Amtszeit + + + FACT sprach mit dem Rathauschef und erfuhr, dass zwei seiner Wahlversprechen nicht mehr eingelöst werden sollenERBACH. - „Es gibt noch viel zu tun. Die Arbeit reicht noch für mindestens neun Jahre“, sagt Erbachs Bürgermeister Dr. Peter Traub augenzwinkernd.
Dabei ist es dem Rathauschef der Odenwälder Kreisstadt zur „Halbzeit“ seiner ersten sechsjährigen Amtszeit mit den neun Jahren durchaus ernst, auch wenn diesen nach weiteren drei Jahren im ersten Halbjahr 2024 das Votum der Erbacher Bürgerinnen und Bürger vorgeschaltet ist.
Dann nämlich wird Traubs Bilanz der ersten sechs Jahre an der Spitze der Stadtverwaltung gemessen an den Wahlaussagen vor der Bürgermeisterwahl 2018 auf dem Prüfstand stehen und die Wählerinnen und Wähler müssen entscheiden, ob der im März 2018 gewährte Vertrauensvorschuss gerechtfertigt war und für weitere sechs Jahre Bestand haben kann.
Ein Wahlversprechen soll weiter Bestand haben
Einlösen will der Chef der Erbacher Stadtverwaltung mit einer Kandidatur für eine zweite Amtszeit eines seiner Wahlversprechen mit der Aussage, er werde – soweit er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung bleibe – für zwei Wahlzeiten zur Verfügung stehen.
Von zumindest zwei anderen Wahlaussagen hat sich Dr. Traub inzwischen verabschiedet und sieht sich an diese aktuell nicht mehr gebunden.
In Summe nennt der Bürgermeister seine Tätigkeit nach nunmehr der halben Amtszeit im Gespräch mit der FACT-Redaktion einen „hochinteressanten, facettenreichen und zeitintensiven Job, der einiges abverlangt, aber auch viel Freude bereitet“.
„Mehr als ein Fulltimejob“
Rückblickend wie vorausschauend sieht Dr. Peter Traub zu Beginn der zweiten Hälfte seiner aktuellen sechsjährigen Wahlzeit die Themen an der Spitze der Erbacher Stadtverwaltung als „sehr komplex“.
Die Optimierung der Strukturen und Abläufe in der Verwaltung mit mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei „mehr als ein Fulltimejob“. Eine besondere Herausforderung sei derzeit die Digitalisierung.
Viel Zeit verschlingen würden auch Sitzungen von Verbänden und Organisationen, „das war mir so vor Amtsantritt nicht bewusst“, sagt Traub und relativiert: „aber es war und ist meine freie Entscheidung mich dafür einzubringen“.
„Hier wird sehr viel zerredet, wünschte, wir wären schon weiter“
Auch sei es für ihn eine nicht unerhebliche Umstellung gewesen von gewohnten Strukturen in der freien Wirtschaft Abschied zu nehmen und „mich mit den sehr viel langsamer vorangehenden Abläufen in der Kommunalpolitik vertraut zu machen“.
Hier werde „sehr viel zerredet“, während in der freien Wirtschaft vorwiegend schnellere Entscheidungen und deren ebenso rasche Umsetzung anstünden.
Auch wenn er die Stadt in jüngster Zeit mit vielen neuen Kulturveranstaltungen ausgestattet sieht, „wünschte ich, wir wären schon weiter“, sieht Traub noch deutlich Luft nach oben.
„Sehr viel Unternehmergeist geweckt“
„Dennoch bilde ich mir ein, dass es gelungen ist, die Stadt stärker als Partner für alle Erbacherinnen und Erbacher zu positionieren.“ Das habe auch „sehr viel Unternehmergeist geweckt“.
Auch wenn das initiierte Projekt „Lebendiges Erbach“ zuletzt Corona-bedingt auf Eis gelegt worden sei, partizipiere man schon jetzt von diesem insgesamt noch in den Startlöchern verharrenden Vorhaben.
Denn mit der „Erbacher Plattform“, einem gemeinnützigen Verein für Innenstadtprojekte e.V., sei ein Impulsgeber für die Etablierung einer möglichst offenen und umfassenden Bürgerbewegung im Sinne einer lebenswerten und dynamischen Stadt entstanden.
In diesem Sinne müsse die Stadt weitere Rahmenbedingungen schaffen, sieht sich Traub auf dem richtigen Weg in die Zukunft der Stadt.
Zwei der Wahlversprechen gestrichen
In diesem „Aufwind“ streicht der Bürgermeister zumindest zwei seiner ursprünglichen Wahlversprechen. So wird zunächst das in Aussicht gestellte städtebauliche Entwicklungskonzept zeitnah nach Traubs Vorstellung keine Realisierung erfahren.
Jenes Konzept also, das schon im Jahr 2017 als Grundlage für die Förderung der Marktplatzsanierung unter dem damaligen Bürgermeister Harald Buschmann und seinem Stadtbaumeister Martin La Meir fehlte, und letztlich zur Rückforderung von 650.000 Euro und damit mehr als der Hälfte der Fördermittel für die Sanierung des Marktplatzes führte, wird auch nach den Vorstellungen des aktuellen Bürgermeisters zumindest vorläufig nicht realisiert.
Daran, wie an weitere Sünden der Vergangenheit unter der Verantwortung seines Amtsvorgängers, wie auch des damaligen und aktuellen Stadtbaumeisters, schließt sich auch die zweite Abkehr von einer ursprünglichen Wahlaussage: der lückenlosen Aufarbeitung der die Stadtkasse erheblich belastenden Verfehlungen.
„Immenser Kostenfaktor für ein städtebauliches Entwicklungskonzept durch Profis“
Ursächlich für die Nichterfüllung des versprochenen städtebauliche Entwicklungskonzepts nennt Traub „den immensen Kostenfaktor, der durch die Auftragsvergabe eines solchen Konzepts an professionelle Entwickler entstehen würde“.
Ein komplettes städtebauliches Entwicklungskonzept sei auch langfristig ausgelegt, und so könnten einzelne Maßnahmen, die vorausschauend geplant würden, zum Zeitpunkt ihrer Realisierung nicht mehr zeitgemäß sein, sieht der Bürgermeister einen weiteren Grund für die Abkehr von diesem ursprünglich versprochenen Vorhaben.
Einzelprojekte im Fokus
Für den Rathauschef stehen aktuell vielmehr Einzelprojekte im Fokus. Diese sieht er unter dem Stichwort „Innenstadtbelebung mit z.B. Kultur und Gastronomie“ oder „Südstadtentwicklung mit einem entsprechenden Bebauungsplan“ (Anmerkung der Redaktion: Gelände des ehemaligen Möbelhauses Schmidt bis zur Illigstraße) vorrangig.
„Für dieses Projekt haben wir aktuell drei interessante Gesprächspartner zum Thema Hotelansiedlung auf dem inzwischen städtischen Gelände des ehemaligen Möbelhauses“, hofft der Bürgermeister auf eine möglichst baldige Realisierung.
„Schlossgraben und Bahnstraße mehr Leben einhauchen“
Weitere Einzelprojekte jenseits eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts sieht Traub im Bereich Schlossgraben und Bahnstraße, denen er „mehr Leben einhauchen“ möchte. Dies lasse sich beispielsweise im Bereich „Handwerkerhof“ durchaus „flexibel, keineswegs statisch“ realisieren.
Auch die untere Hauptstraße mit dem >Platz der Freundschaft< am Übergang zur Werner-von-Siemens-Straße gelte es „optisch in Fluss zu bringen“ und damit harmonischer zu gestalten. Ein weiteres Projekt sei der Treppenweg, „den wir grundlegend angehen müssen“.
Die Infrastruktur des Schwimmbades stehe ebenfalls auf der Agenda. Hier seien vorwiegend Umwälzpumpen zu erneuern, Solaranlagen zu installieren. Auch schwebt dem Bürgermeister ein größerer Kiosk vor.
Neuen Kiosk am Schwimmbad möglichst zweiseitig nutzen
Dieser könne beispielsweise in der südwestlichen Ecke gegenüber des Wohnmobilstellplatzes angesiedelt und möglichst von in- wie externer Seite als Treffpunkt genutzt und damit dieser Bereich mit Leben gefüllt werden.
„Allerdings dürfen wir nicht alle Infrastruktur in die Kernstadt ziehen, müssen vielmehr auch unsere Stadtteile voran bringen“, will Traub „jeden Stadtteil für sich lebensfähig erhalten“. Dazu zählen für ihn neben Gasthäusern und Tante-Emma-Läden auch Kitas.
„Ortsbeiräte anders einbinden“
Vorrangig gelte es deshalb zunächst die „Ortsbeiräte anders einzubinden“ und die Fragen zu klären „wo wollt ihr hin mit Eurem Stadtteil?“
Ein besonderes Augenmerk will der Bürgermeister auch „der sozialen Verantwortung der Stadt“ widmen. Die präventive Arbeit in diesem Bereich sei sehr schwer.
Deshalb gelte es „Menschen ohne strukturierten Tagesablauf beispielsweise mit einem Streetworker oder Integrationsarbeiter in einem Haus mit entsprechenden Angeboten“ in das städtische Leben zu integrieren.
Digitalisierung der Verwaltung als große Herausforderung
„Das kostet zwar Geld, rechnet sich jedoch insoweit, als wir ansonsten immer größere Folgekosten aufwenden müssen“, sagt der Kreisstadtbürgermeister.
Verwaltungsintern sieht der Rathauschef neben der altersbedingt erforderlichen personellen Umbesetzung in allen Hauptabteilungen vor allem die Digitalisierung und das damit in Zusammenhang stehende Onlinezugangsgesetz als große Herausforderung, die es zu bewältigen gelte.
Keine Aufarbeitung der Sünden und Versäumnisse seines Vorgängers
Wer, wie vom Bürgermeister im Vorfeld seiner Wahl 2018 versprochen, noch auf die Aufarbeitung der Sünden und Versäumnisse seines Vorgängers Harald Buschmann wie auch des Stadtbaumeisters Martin La Meir hofft, wird enttäuscht werden, denn damit will sich Traub nicht mehr beschäftigen.
„Für mich galt und gilt es in erster Linie die Stadt voran zu bringen. In diesem Umfeld wurde die Aufarbeitung auf die lange Bank geschoben“, räumt der Bürgermeister ein.
Er sieht die Aufarbeitung der zumindest teilweise rechtswidrigen, in jedem Falle aber mehr als grenzwertigen Handlungen aus der Zeit seines Vorgängers bis Mitte des Jahres 2018, die bereits von der Dienstaufsicht gerügt wurden, als „Wahnsinnsakt“, bei dem „die Chancen etwas hieb und stichfestes zu erarbeiten, sehr gering“ seien.
Ein von ihm dazu beauftragtes umfangreiches juristisches Gutachten einer namhaften Kanzlei hätte aufgezeigt, dass „am Ende der damit verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zu einer möglichen justiziablen oder disziplinarischen Verantwortung“ stehe.
„Vergaberechtlich viele Sachen nicht rechtskonform gelaufen“
Vergaberechtlich seien damals sicher „viele Sachen nicht rechtskonform gelaufen“, gleichwohl hätten diese Verstöße vom damaligen Magistrat und der damaligen Stadtverordnetenversammlung aufgearbeitet werden müssen.
„Die hätten sich nicht so einfach abspeisen lassen dürfen“, sieht Traub die Verantwortung bei den damaligen Mandatsträgern, deren Pflicht es gewesen wäre, das Verwaltungshandeln zu überwachen und kontrollieren, sowie die Missstände aufzuzeigen.
Verluste von deutlich über einer Million Euro
Somit bleiben nach der jetzt bekundeten Nichtverfolgung der Verursacher die in der Erbacher Stadtverwaltung vergeudeten Beträge für die Stadtkasse verloren. Die immense Summe von insgesamt deutlich über einer Million Euro verbleibt zu Lasten der steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürgern der Odenwälder Kreisstadt.