Erbach: Keine Aussicht auf Realisierung jahrzehntealter Beschlüsse
BUND: Erbachs Bürgermeister Harald Buschmann spielt auf Zeit - „Werden im Hinblick auf Defizite bei der Umsetzung von grünordnerischen Festsetzungen unsere Bebauungspläne überprüfen“ODENWALDKREIS / ERBACH. - Am 15. Februar hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND-Odenwald) den Erbacher Bürgermeister Harald Buschmann aufgefordert, seine jahrelangen Versäumnisse bei der Durchführung geplanter Umweltschutzmaßnahmen aufzuarbeiten.
Eine Woche später antwortete der Verwaltungschef und bekundete weiteren Abstimmungsbedarf mit der Unteren Naturschutzbehörde des Odenwaldkreises. Buschmann: „Wir werden im Hinblick auf Defizite bei der Umsetzung von grünordnerischen Festsetzungen unsere Bebauungspläne überprüfen.“
Diese Antwort heißt – auf einen ertappten Auto-Raser übertragen – nichts anderes als „Ich habe meinen Führerschein ja gar nicht dabei!“, sagt BUND-Sprecher Harald Hoppe.
Buschmann bleibe ganz auf der von Landrat Frank Matiaske offensichtlich ausgegebenen Losung: „Abwimmeln und auf Zeit spielen!“, denn ähnliche Äußerungen ohne jede konkrete Aussicht auf Änderung der Verwaltungspraxis habe der BUND in diesen Wochen bereits aus Lützelbach, Bad König und Oberzent erhalten.
„Der Bebauungsplan ist das vom Parlament verabschiedete örtliche Gesetz, das die künftige Nutzung von Grundstücken in einem fest umgrenzten Gebiet regelt. Da gibt es kein Abstimmen oder Überprüfen mehr – das Gesetz ist entschieden und verabschiedet. Aber die Verwaltungen haben sich im Odenwaldkreis – und nicht nur hier – darauf eingerichtet, dass die Ignorierung von umweltrelevanten Festsetzungen keinerlei Konsequenzen hat.“
Die für die Bauaufsicht zuständige Kreisverwaltung prüfe bei Bauanträgen nur noch, ob auf dem Papier der Antrag mit dem Bebauungsplan übereinstimme.
Die Verpflichtung des Grundstückseigentümers, gemäß dem Plan sein Grundstück zu nutzen, beginne mit der Genehmigung seines Bauantrages. „Ob die im Plan festgesetzten Hecken und Baumpflanzungen aber auch gemacht werden, interessiert dann niemanden. Es gibt schlicht keine Kontrolle mehr.“
Der pflanzunwillige Bauherr – im Odenwaldkreis seien das etwa 95% aller Fälle – könne höchstens von der örtlichen Verwaltung auf sein Versäumnis angesprochen werden. Aber die habe sich aus dieser Aufgabe schon lange verabschiedet.
„Erheblicher, weil von den zu bepflanzenden Flächen größer, wird die Frage bei den extra für den Naturschutz ausgewiesenen Flächen. Diese sind in der Regel mit besonderen Verpflichtungen belegt, für deren Überwachung und Einhaltung allein die Kommune zuständig ist.
Diese Pflicht beginnt mit dem Tag der Rechtskraft des Bebauungsplanes. Auf diese Flächen hat der BUND die Kommunen im vergangenen Jahr gezielt angesprochen – mit oben geschildertem Ergebnis: weitere Drückebergerei.“
Der grundsätzliche Skandal der Angelegenheit bestehe in der von Politikern und Parlamentariern stets vorgetragenen Behauptung, im Rahmen einer Planaufstellung würden die widerstreitenden Interessen gerecht gegeneinander abgewogen und entsprechende Maßnahmen für den Umweltschutz festgelegt.
Auf dieser Grundlage hätten Odenwälder Parlamente in den letzten 20 Jahren 169 Planungen beschlossen. Die Behauptung entpuppe sich nun im Odenwaldkreis als systematisch betriebene Lüge, neue Pläne seien zur Zeit in Arbeit.
„Dem BUND ist nur aus Oberzent bekannt, dass Parlamentarier von Bündnis90/Die Grünen von der Verwaltung Aufklärung über die Versäumnisse der Verwaltung fordern. In allen übrigen Kommunen schweigen die Parlamentarier.
In Höchst beispielsweise wurde eine diesbezügliche Frage des Umweltverbandes aus 2016 von keiner Fraktion beantwortet. Die Fraktionen in Erbach, Michelstadt, Bad König, Lützelbach und Reichelsheim wurden von den Feststellungen des BUND informiert – ohne Resonanz.“
Den gewählten Vertreterinnen und Vertretern sei es beim Umweltschutz also offenbar egal, ob ihre Beschlüsse von der Verwaltung auch umgesetzt werden. Hauptsache, die Außenwirkung und die Planzeichnung seien grün gemustert.
„Die Bürgermeisterwahl in Erbach dürfte an diesem Politikskandal wenig ändern, solange sich die Bürgerinnen und Bürger das Ignorieren kommunaler Spielregeln durch die Regelgeber weiterhin gefallen lassen“, glaubt Harald Hoppe.