Wiesenmarkt-Ersatz bereitet keineswegs allen Bürgern der Stadt Erbach eine Freude
Erbacher Gastronomen rund um den Marktplatz führen Klage über „ein rücksichtsloses und uns schädigendes Vorgehen der Stadtverwaltung“ERBACH. - Graf Franz I. wollte im Jahr 1802 gemäß seines erlassenen Marktdekrets mit dem Eulbacher Markt, dem Vorläufer des Erbacher Wiesenmarkts, seinen Untertanen eine Freude bereiten, „wie ein jeder Vater seinen Kindern eine Freude bereitet“.
Getreu diesem Gründungsgedanken will die Stadt Erbach das im zweiten Corona-Jahr erneut ausfallende größte Volksfest Südhessens nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen und hat ein Ersatzprogramm aufgelegt (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Dass die Stadtväter damit jedoch keineswegs allen Bürgern ihrer Stadt eine Freude bereiten, offenbaren zumindest die rund um den Erbacher Marktplatz angesiedelten Gastronomen.
Diese führen Klage über die von der Stadtverwaltung vom eigentlichen Wiesenmarktgelände im Erbacher Sportpark auf den Marktplatz vor das Schloss verlegten Aktivitäten, vor allem jedoch über deren Besetzung in der Zeit vom 16. bis 25. Juli.
„Wir sind keineswegs gegen Wiesenmarkt-Aktivitäten in Erbach als Ersatz zum eigentlichen Volksfest, das wir auch vermissen. Dies darf aber nicht zulasten der einheimischen Gastronomie erfolgen“, sagt Thomas Diamantidis, Wirt des Restaurants >Meraki< am Marktplatz.
Nach acht Monaten Zwangspause durch die Corona-Pandemie sei es eine „arrogante Selbstherrlichkeit der Stadtverwaltung“ der heimischen Gastronomie in einem der umsatzstärksten Monate „einen Biergarten mit einem externen Betreiber vor die Nase zu setzen, und die ortsansässigen Wirte noch nicht einmal zu informieren, geschweige denn einzubinden“, klagt Diamantidis.
Eine entsprechende Presseanfrage dazu von FACT an Bürgermeister Dr. Peter Traub beantwortete Pressesprecherin Theresa Ohl wie folgt: „Wir haben die ortsansässige Gastronomie vorab darüber informiert, dass wir Ersatzaktionen auf dem Marktplatz planen und abgefragt, ob sie auch Zusatzaktionen in dieser Zeit planen, wie etwa einen Frühschoppen.
In den vergangenen Wochen mussten alle Entscheidungen zum Erbacher Sommer sehr kurzfristig getroffen werden, da sich die Verordnungslage immer wieder geändert hat.
Dadurch haben wir es versäumt, die Gastronomen vorab über die genauen Aktionen des Erbacher Sommers zu informieren. Dies werden wir in Zukunft verbessern, an der Planung hätte dies aber nichts geändert.“
Dieser städtischen Darstellung widersprechen die Gastronomen unisono. Zu keinem Zeitpunkt sei man seitens der Stadtverwaltung auf Alexandra Celik (Erbacher Brauhaus), Antonio Pecoraro (Pizzeria Da Nino und Eiscafe La Gondola), Michael Eichhorn (Michels Restaurant, Zum Hirsch, Eichkätzchenstube, Bistro Laurentius) oder Thomas Diamantidis (Restaurant Meraki) zugekommen, um zumindest über das Geplante zu informieren.
„Geschweige denn hat man versucht uns einzubinden“, lässt der Meraki-Betreiber seinem Unmut über „ein rücksichtsloses und uns schädigendes Vorgehen der Stadtverwaltung“ freien Lauf.
Die erste Nachricht an die Gastronomen sei am 28. Juni per Mail erfolgt. „Diese enthielt allerdings nur den Hinweis, wir könnten die geplanten Aktionen demnächst den Medien entnehmen. Daran könnten wir dann teilnehmen.“
Nicht erläutert hätte man allerdings, woran die Wirte teilnehmen sollten, sagt Michael Eichhorn. Dass Bürgermeister Traub den Schaustellern des Wiesenmarktes „auch“ die Möglichkeit einräumen wolle, etwas zu verdienen, sei durchaus nachvollziehbar, solange es eben nicht zu Lasten der einheimischen Gewerbetreibenden und Gastronomie erfolge.
In der weiteren Beantwortung der FACT-Anfrage heißt es aus dem Rathaus: „Der Gastronom, der für den Biergarten auf dem Marktplatz ausgewählt wurde, ist seit 15 Jahren Wirt auf dem Erbacher Wiesenmarkt.
Ebenso sind alle Beschicker der Wiesenmarktstände in der Innenstadt seit vielen Jahren auf dem Wiesenmarkt zu finden. Es war uns wichtig, diese Aktionen als kleinen Ersatz für den Wiesenmarkt zu planen, damit wir auch diese Beschicker in der für alle schwierigen Zeit unterstützen können.
Mit den Aktionen wollen wir viel Leben in die Innenstadt und auf den Marktplatz bringen, wovon auch die angrenzende Gastronomie mit ihrem abwechslungsreichen Angebot profitieren wird.
Wir haben bewusst ein Sortiment ausgewählt, das ansonsten so nicht in der Stadt zu finden ist. Der Biergarten wird lediglich Volksfest-Kleinigkeiten wie Bratwürste, Schaschlik-Spieße und andere Imbissspezialitäten anbieten.“
Der Biergarten >Zum Hirschwirt< auf dem Erbacher Marktplatz schenke zum Wiesenmarkt-Ersatz Schmucker-Bier aus, heißt es abschließend von städtischer Seite.
Auch diesen Argumenten können sich die Wirte nicht anschließen, denn den externen Schaustellern werde die Verdienstmöglichkeit „nun zu unseren Lasten ermöglicht, während wir in den 10 Tagen, einem Drittel des drittbesten Monats im Jahr, so gut wie keinen Umsatz machen“.
Auch der städtische Hinweis auf den „Wiesenmarkt in normalen Jahren“ greife hier nicht, „denn der findet nicht auf dem Marktplatz statt. Gäste, die keine Wiesenmarktgänger sind, haben dann die Möglichkeit unbehelligt vom Wiesenmarkttrubel zu uns zu kommen.“ Diese Möglichkeit hätten sie in diesem Jahr nicht mehr.
Die einzige Hoffnung, die den Gastronomen rund um den Erbacher Marktplatz für die bevorstehenden zehn Tage bleibe, sei, dass es auf dem Marktplatz zu so einem Versorgungs-Chaos komme, wie beim ersten Streetfood-Markt. „Dann weichen die Besucher eventuell doch wieder in die organisierte und ansässige Gastronomie aus.“