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Ex-Landrat verurteilt: Sieben Monate Haftstrafe und 25.000 Euro an gemeinnützige Institutionen

Der verurteilte frühere Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (67/Mossautal).

Amtsrichter Helmut Schmied.

Tatort Landratsamt in der Odenwälder Kreisstadt Erbach.

Darmstädter Staatsanwältin Brigitte Lehmann.

Verteidigung: Rechtanwältin Andrea Combé (Heidelberg), Angeklagter Ex-Landrat Dietrich Kübler, Rechtsanwalt Georg Dürig und Rechtsanwältin Martina Prechtl (beide Trier, von links nach rechts). Fotos: © by –pdh-

Strafverfahren gegen früheren Landrat des Odenwaldkreises Dietrich Kübler: Längstes Strafverfahren in der Geschichte des Amtsgerichts Michelstadt ist beendet

ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Zwölf Verfahrenstermine sind vorüber, sechs Monate lang stand der frühere Odenwälder Landrat Dietrich Kübler (67/ÜWG) wegen vermuteter Untreue zu Lasten des Odenwaldkreises vor dem Schöffengericht im Amtsgericht Michelstadt.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt wirft dem früheren Landrat vor, durch rechtswidrige Bevorzugung den befreundeten Inhaber einer Erbacher Werbeagentur in den Genuss eines mit EU-Fördergeldern bezuschussten größeren Marketingauftrags des Kreises gebracht zu haben.

Schadenshöhe auf nachweisbare Summe reduziert

Den nachzuweisenden tatsächlichen Schaden bezifferte Staatsanwältin Brigitte Lehmann in ihrem Plädoyer am Mittwoch auf etwa 68.800 Euro. Es sei dem Kreis zwar weiterer Vermögensschaden entstanden, der jedoch nicht eindeutig zu belegen sei.

Weil der Ex-Landrat nicht mehr im Amt und nicht vorbestraft sei, ein ähnliches Verhalten damit nicht zu befürchten steht, forderte Lehmann eine reduzierte Strafe von acht Monaten Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro wegen nachgewiesener Untreue.

Erwartungsgemäß plädierten die Verteidiger Andrea Combé (Heidelberg) und Georg Dürig (Trier) auf Freispruch, weil nach ihrer Meinung dem Beklagten keine der vorgeworfenen Untreuehandlungen zuzurechnen seien.

Verteidigung weist Schuld den Mitarbeitern zu

In ihren z.T. langen Plädoyers wiesen sie anderen Personen die Schuld an den durch viele Zeugen bestätigten Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe und der vorausgegangenen Bewerberauswahl zu (FACT berichtete vielfach).

So habe der damalige Geschäftsführer der Odenwald Regionalgesellschaft (OREG), Jürgen Walther, auch gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstoßen und nicht auf Forderungen des früheren Landrats auf hohe Zahlungen an die Werbeagentur positiv reagieren dürfen.

Vergiftete Komplimente an Mitarbeiter, denen klammheimlich die Schuld zugeschoben wird

Regelrecht vergiftet war die von Combé vordergründig vorgebrachte Anerkennung der Leistungen des Hauptabteilungsleiters des Landratsamts, Oliver Kumpf. Sie bezeichnete ihn als hervorragende Kraft im Amt, dem der Landrat stets so gut wie blind vertrauen konnte und auf dessen Urteilsvermögen der Landrat sich voll und ganz verlassen hätte.

Soll heißen, auch dieser trägt die Schuld an möglichem Fehlverhalten, denn der Landrat, Laie in Verwaltungs- und Vergabefragen, könne mangels eigenem Wissen nicht belangt werden, sondern seine Mitarbeiter.

Dietrich Kübler hat auch die nicht unerheblichen Verfahrenskosten zu tragen

Am heutigen Mittwoch nun wurde das Urteil gesprochen. Das Gericht sieht die Untreue als bewiesen an und verurteilte den früheren Landrat Dietrich Kübler zu einer Haftstrafe von sieben Monaten und eine Zahlung in Höhe von 25.000 Euro an gemeinnützige Organisationen.

Die Verfahrenskosten hat der Angeklagte ebenfalls zu bezahlen. Die Haftstrafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Andrea Combé äußerte sich nebulös zur Frage, ob die Verteidigung in Berufung gehen werde. „Man wird sehen", sagte sie kurz angebunden.

Amtsrichter Schmied hatte ihre lange Verteidigungsrede zur völligen Unschuld ihres Mandanten knapp mit dem Satz kommentiert: „Man darf nicht bescheissen, und hier ist beschissen worden.“

Damit war die Tätigkeit des Beklagten gemeint, aber der Satz ist sicher ebenfalls an eine Reihe Zeugen der Verteidigung gerichtet, die immer im richtigen Moment riesige Erinnerungslücken bei entscheidenden Fakten vorwiesen, aber bei ihnen wichtigen Details alle Einzelheiten widergeben konnten.

Wer bezahlt die Kosten des Odenwaldkreises?

Mit dem Urteil geht das wohl längste Strafverfahren vor dem Amtsgericht Michelstadt zu Ende, an das sich die Richter und Mitarbeiter auf Nachfrage erinnern können. Zwar wird im Gericht keine Statistik geführt, aber an Verfahren mit mehr als zehn Sitzungen können sich alle vom Direktor des Amtsgerichts Befragte nicht erinnern.

Für den früheren Landrat wird die Angelegenheit damit nicht erledigt sein. Dem Landkreis sind durch sein Handeln weitere Kosten durch Gerichtsverfahren, Anwaltsgebühren, Beratungskosten und Strafzahlungen an benachteiligte Bieter entstanden, die sich in Höhe von etwa 400.000 Euro bewegen.

Sollten sich die heute Verantwortlichen im Odenwaldkreis nicht mit der Forderung nach Begleichung dieser Schäden an ihren früheren Verwaltungschef wenden, könnte ihnen selbst Untreue vorgeworfen werden, wenn Steuermittel aufgewandt werden müssten.