Windkraft im Odenwald: „Nicht wehklagen, wir müssen mehr tun!“
Planunterlagen zurückgewiesen und die Beratung des vorgelegten Plans verweigert: Der Zeitplan ist geplatzt! + + + „FDP weist auf eine Ungereimtheit des Plans nach der anderen hin“ODENWALDKREIS / REICHELSHEIM. - „Die ÜWG-Fraktion hat diese Dringlichkeit nicht geschaffen, das waren andere“, sagte Dr. Tobias Robischon in der von den „Überparteilichen“ initiierten Sondersitzung des Odenwälder Kreistags in der Reichelsheimer Reichenberghalle (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Zum Teilplan Erneuerbare Energien (TPEE) mit Windkraft-Vorrangflächen im Regionalplan Südhessen sollte ursprünglich die Regionalversammlung Südhessen am Freitag, 14. Dezember, entscheiden, weshalb dem Dringlichkeitsantrag der Odenwälder ÜWG die Fraktionen von SPD und CDU sowie weitere Abgeordnete aus anderen Fraktionen beigetreten waren.
Noch erheblicher Klärungsbedarf zur Vorlage
Zwischenzeitlich hatten sich die Koalitionäre aus CDU und SPD in der Regionalversammlung über eine Absetzung des Tagesordnungspunktes verständigt, da beide Fraktionen noch erheblichen Klärungsbedarf haben zur Vorlage des Regierungspräsidiums Darmstadt.
Das Präsidium der Regionalversammlung habe gemeinsam mit dem Darmstädter Regierungspräsidium nach der Landtagswahl Ende Oktober einen straffen Zeitplan vorgelegt: „Nur dreieinhalb Wochen, dann sind die Fraktionsvoten zu rund 3.000 Beschlussempfehlungen abzugeben", sagte der ÜWG-Sprecher.
„Noch eine lange Ausschussitzung zu ein paar Detailfragen,für die Massenabstimmung im Block, schnell durch den Haupt-und Planungsausschuss und zwei Wochen später, noch bevor es eine neue Regierungskoalition (in Wiesbaden, Anm. d. Redaktion) gibt, Beschluss des Windkraftplanes in der Regionalversammlung.“
„Planer in Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt schieben Windkraftanlagen weit weg von sich“
So habe sich das Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid wohl gedacht. „Mit diesem Beschluss wäre der Odenwälder Windkraftplan Altpapier. Das RP hat sogar angekündigt, dass es sich schon nach der Beratung der aktuellen Vorlage – also noch vor einem Beschluss der Regionalversammlung – in Genehmigungsverfahren an den Plan gebunden sieht“, machte Robischon deutlich.
„Die Planer in Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt schieben die Anlagen der Windindustrie weit weg von sich, in die von ihnen aus hintersten Ecken des Landes. Der Regionalplan Windkraft behandelt uns und andere als Abstellkammern der Metropolregion.
In anderen Kontexten nennt man das Neokolonialismus: Die Strategie entwickelter Staaten, Lasten zu externalisieren, sie in geographische Randgebiete abzuschieben, und dies ohne jede Kompensation, ohne irgendwelche Ausgleichsleistungen“, kritisierte der ÜWG-Sprecher.
„Abschieben in Randgebiete ohne irgendwelche Ausgleichsleistungen“
Es bestehe keine Veranlassung dazu, Ruhe zu bewahren. Die Bürgermeister des Odenwaldkreises hätten ebenso wie der Landrat geharnischte Resolutionen gegen die Überbauung des Odenwaldes mit Windkraftanlagen verfasst und die Bürgerinitiativen hätten in wenigen Tagen mehr als 20.000 Unterschriften für ihre Petition gegen den Regionalplan Windkraft erhalten.
„Und wir sind mit diesem Aufschrei nicht allein. Überall in Südhessen rumort es.“ Als deutlichstes Zeichen dafür machte Dr. Robischon das Verhalten der beiden Koalitionspartner CDU und SPD in der Regionalversammlung aus.
„Sie haben die Planunterlagen in der ersten Ausschusssitzung zurückgewiesen und die Beratung des vorgelegten Plans verweigert. Der Zeitplan ist geplatzt! Die FDP weist auf eine Ungereimtheit des Plans nach der anderen hin.“
Besonders erzürnt habe die CDU-Vertreter, dass der Taunuskamm im jetzt vorgelegten Plan wieder als Vorranggebiet auftauche. Just an dieser Stelle also, wo erst kürzlich vom RP der Bau von Windkraftanlagen wegen Trinkwassergefährdung untersagt worden war.
„Seltsame Plankategorie ist in die Diskussion geraten“
„Schon jetzt gibt es einen Änderungsantrag der CDU-SPD-Koalition, mit dem eben diese Fläche am Taunus wieder herausgenommen werden soll. Da passiert was!“, machte Robischon auch den Odenwälder Windkraftgegnern Mut.
Der Tonfall sei ein ganz anderer geworden. Was dies für den Plan und das Verfahren bedeute, sei noch offen. Es könne mündliche Anhörungen geben. Die „seltsame Plankategorie“ sei in die Diskussion geraten.
Die Ergebnisse abgewiesener Genehmigungsanträge sollten in die Flächenkulisse eingearbeitet werden. Auch wenn es aktuell keinen Beschluss der Regionalversammlung dazu gebe, sei Spannung angesagt. „Die Dinge sind in Bewegung.“
Veto gegen geplante großdimensionierte Ausweisung von Vorrangflächen für Windkraftanlagen
Wenn man etwas für den Odenwald erreichen wolle, „dann müssen wir jetzt unsere Ablehnung des Regionalplans Windkraft deutlich machen “, forderte Dr. Robischon auf zum Beschluss der von seiner Fraktion vorgelegten Resolution.
Deren wichtigste Botschaft ist das Veto des Kreistags des Odenwaldkreises „gegen die geplante großdimensionierte Ausweisung von Vorrangflächen für Windkraftanlagen im Odenwaldkreis“.
Der gemeinsame Odenwälder Flächennutzungsplan mit knapp 2 % Windkraftvorrangflächen in acht Teilflächen wurde abgelehnt. „Jetzt kriegen wir das Doppelte“, beklagt Robischon, und verweist auf einen möglichen Phyrrhussieg: „Was haben wir erreicht, wenn wir tatsächlich vor dem Verwaltungsgerichtshof gewinnen?“
„Es reicht nicht aus, vor Gericht eine Genehmigung des Odenwälder Windkraftplans zu erstreiten“
Selbst für diesen Fall sei zu erwarten, dass der Odenwälder Plan dem höherrangigen Regionalplan Windkraft angepasst werde. „Schon jetzt aber ist klar: Es reicht nicht aus, vor Gericht eine Genehmigung des Odenwälder Windkraftplans zu erstreiten.“
Dr. Robischon machte seine These am Beispiel aus dem benachbarten Wald-Michelbach im Landkreis Bergstraße deutlich. Dort hat die Kommune in enger Zusammenarbeit mit dem RP ebenfalls einen eigenen kommunalen Flächennutzungsplan aufgestellt, der im Sommer dieses Jahres vom RP auch genehmigt wurde.
„Dieser schöne neue Flächennutzungsplan hat in der aktuellen Fassung des Regionalplans Windkraft keine Spuren hinterlassen.“ Das RP habe nun mitgeteilt, Wald-Michelbach müsse seinen Flächennutzungsplan an den Regionalplan anpassen.
„Odenwald braucht einen Plan B in Sachen Windkraft“
Im übrigen werde der Flächennutzungsplan der Wald-Michelbacher im Zuge von Genehmigungsverfahren keine Anwendung finden. Dort halte sich das RP an den Regionalplan. „Sehen Sie hier irgendwo einen Kompromiss?
Und wir reden hier so, als sei ein genehmigter Flächennutzungsplan für Windkraft so etwas wie der planerische >Heilige Gral<. Der Odenwald braucht einen Plan B in Sachen Windkraft!“
Man könne hier nicht bloß wehklagen, „wenn uns wieder mal deutlich vor Augen geführt wird, dass wir hier die Ecke sind, in der man den Krempel abstellt, den man aus den Augen haben will. Wir müssen mehr tun!“
Erhebliches Schadenspotential
Wir sehen, gemeinsam mit der CDU-Fraktion, durch die geplanten Windkraftvorrangflächen ein erhebliches Schadenspotential sowohl als Standort, als auch für den Lebensraum“, rief SPD-Fraktionschef Raoul Giebenhain seinen Kreistagskollegen zu.
„Wir stellen uns keineswegs gegen die Energiewende, protestieren aber in aller Deutlichkeit gegen die ideologische Politik der Darmstädter Regierungspräsidentin, die darin gipfelt, dass der Odenwaldkreis mit Windkraftanlagen über Gebühr belastet werden soll.
Wir protestieren, dass der Odenwald als hessischer Windkraftpark herhalten soll, um Defizite, die an anderer Stelle entstehen, zu kompensieren. Dies ist in höchstem Maße ungerecht, und kann von uns so nicht hingenommen werden.“
„Grundstückseigentümer müssen Farbe bekennen“
Protest allein aber werde nicht ausreichen, sagte Giebenhain, und appellierte an „Grundstückseigentümer wie Grafenhäuser, Kirchen und das Land Hessen selbst, Farbe zu bekennen“.
Die SPD-Fraktion stehe nach wie vor hinter dem gemeinsamen Flächennutzungsplan Windenergie der Odenwälder Kommunen.
„Der Plan ist unser einzig wirksames Mittel, um einerseits unseren Beitrag zur Energiewende zu leisten, andererseits aber auch den Wildwuchs von Windrädern zu verhindern, und den Einzelinteressen kapitalkräftiger Investoren Einhalt zu gebieten.
Zeigen Sie sich mit dem Odenwaldkreis solidarisch, und kämpfen Sie weiter mit uns für unseren gemeinsamen Flächennutzungsplan“, forderte der SPD-Fraktionschef.
Die CDU will keine Windkrafträder im Odenwaldkreis
„Partei und Fraktion der CDU haben seit Anbeginn der Diskussion um Windkraftanlagen eine klare und eindeutige Position: Wir wollen keine Windkrafträder im Odenwaldkreis“, bekräftige Harald Buschmann für die Christdemokraten und forderte, dass „unsere Landschaft weitgehend so erhalten bleiben muss“.
Ursächlich für die Diskussionen rund um Windkraftanlagen sieht der Christdemokrat die Subventionen, die es ermöglichen auch im Odenwald Windräder zu bauen, obwohl diese Mittelgebirgslandschaft für Windkraft eigentlich gar nicht geeignet sei.
Mit Verweis auf die wirtschaftlichen Nachteile des einzigen hessischen Landkreises ohne Autobahnanschluss, appellierte Buschmann, der Region keine weitere Belastung mit Windkraftanlagen aufzubürden. „Unsere Chance für die Zukunft liegt in unserer Landschaft und unserer besonderen Lage.“
„Wir brauchen einen Plan, der für uns akzeptabel ist“
Gleichwohl brauche man einen Plan, um nicht rechtlos zu bleiben, sagte der CDU-Fraktionschef. „Aber wir brauchen einen Plan, der für uns akzeptabel ist. Dabei gilt für uns als Maßstab unser eigener Planungswille.“ Eigentum bringe Verantwortung, und die dürfe nicht zu Lasten der Gesellschaft gehen, um sich selbst zu bereichern, sagte Buschmann in Richtung der Grundstückseigentümer.
„Wollen wir die Energiewende oder nicht?“, fragte Elisabeth Bühler-Kowarsch, Fraktionssprecherin der GRÜNEN. Der gemeinsame Flächennutzungsplan der Odenwälder Kommunen müsse als gescheitert angesehen werden. „Der Regionalplan schafft einen geregelten Zustand.“
„Sollten nicht auch noch eine Normenkontrollklage gegen Regionalplan in Erwägung ziehen“
Für den gemeinsamen Flächennutzungsplan seien über 500.000 Euro Steuergelder umsonst ausgegeben worden. „Dieser schmerzlichen Tatsache müssen wir uns so langsam stellen und sollten nicht auch noch eine Normenkontrollklage gegen den Regionalplan in Erwägung ziehen.“
Der TPEE sei kein grüner Plan. „Auch können wir GRÜNE den Entwurf des TPEE nicht zur Umsetzung bringen, hier fehlt es uns eindeutig an der Mehrheit in der Regionalversammlung, denn dort besteht eine große Koalition aus CDU und SPD“, sagte die GRÜNEN-Sprecherin.
Der Odenwald sei weder abgehängt noch eklatant überproportional belastet. „Wir wollen die Energiewende und wir sind auch bereit, unseren Beitrag zu leisten“, betonte Bühler-Kowarsch und konstatierte keine Übereinstimmung ihrer Fraktion mit der mehrheitlichen Auffassung im Odenwälder Kreistag zu dieser Thematik.
Das Nein der Liberalen zu Windkraftanlagen im Odenwaldkreis bekräftigte Dr. Alwin Weber. Der FDP-Sprecher verwies auf eine Einschätzung des Bundesrechnungshofs, der bei Erneuerbaren Energien eine bessere Bewertung der Maßnahmen als wünschenswert erachte.
„Wenn ein Unternehmen so handeln würde, wäre es pleite“
Eine Koordination zwischen den Ministerien sei derzeit nicht erkennbar. „Die Zielerreichungskriterien werden nicht überprüft“, kritisierte Weber und ergänzte „Wenn ein Unternehmen so handeln würde, wäre es pleite.“
Nach wie vor fordere die FDP für Windräder im Odenwaldkreis die Abstandsregelung von zwei Kilometern zu bebauten Flächen. Die Rodung von Wald müsse bei Windkraftprojekten den gleichen Kriterien unterliegen, wie bei der Gewinnung von Braunkohle.
Für den abwesenden liberalen Landtagsabgeordneten Moritz Promny erklärte Dr. Weber, dieser könne sich „nirgendwo im Odenwald weitere Windkraftanlagen vorstellen" und werde als Mitglied in der Regionalversammlung auch entsprechend votieren.
„Lehne verantwortungslose Landschaftszerstörung durch subventionierte Windindustrieanlagen ab“
Horst Schnur, SPD-Kreistagsmitglied und früherer Landrat des Odenwaldkreises, erinnerte daran, dass er vor exakt zwei Jahren als stellvertretendes Mitglied in der Regionalversammlung der Regierungspräsidentin vorgehalten habe, dass die beabsichtigte Planung im TPEE Wind den Odenwaldkreis überproportional belasten werde, und habe gegen das Planwerk gestimmt.
Das habe ihm heftige Kritik aus unterschiedlichen politischen Lagern eingetragen, ohne „eingeknickt“ zu sein. „Die verantwortungslose Landschaftszerstönrung durch subventionierte Windindustrieanlagen mit allen Folgen für die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen, die Trinkwassergefährdung und den Schaden in Flora und Fauna lehne ich ab.
Energiewende macht Odenwald zum Spekulationsgebiet für subventionsgesteuerte Großunternehmen
Ich nehme es wörtlich, wenn gesagt wird, dass in der Politik der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Ministerpräsident Bouffier wird zitiert mit dem Satz: >Windkraft darf nicht gegen den Willen der Menschen durchgesetzt werden!<“ Die Realität strafe diese Aussage Lügen.
„Die Energiewende mit der Ausweisung der privilegierten Flächen macht den Odenwald auf Kosten der Stromverbraucher zu einem Spekulationsgebiet für subventionsgesteuerte Großunternehmen, wodurch in unserem ländlichen und waldreichen Raum kein einziger Arbeitsplatz entsteht.
Ohne einen Wertausgleich zugunsten des Gemeinwohls für entnommene Leistungen durch die Zerstörung der Odenwaldhöhen und der CO2-speichernden Wälder (CO2-Senke) erleben wir eine Form des Regionalkolonialismus, durch den die einen reicher und der Odenwald ärmer wird. Wo viel Geld im Spiel ist, gibt es viel Betrug und Verschleierungen.“
Pfälzerwald und Spessart frei von Rotoren
Schnur wies darauf hin, dass der Pfälzerwald und der bayerische Spessart in der jeweiligen Landesplanung frei bleiben von Windindustrieanlagen, die Bürgermeister des hessischen Spessarts (Bad Orb usw.) sich nun ebenfalls dafür ausgesprochen haben, dass dieser Teil des Spessarts Windkraftfrei bleibt.
Andererseits habe die UNESCO für das Odenwälder Welterbe nichts unternommen hat. „Ich füge an, dass ich bei meinem Besuch auf der Insel Rügen kein Windrad gesehen habe, obwohl dort viel Wind von Natur aus vorhanden ist.
Auch füge ich mein Bedauern an, dass die verantwortliche Politik sind nicht für den Schutz des Odenwaldes in gleicher Weise eingesetzt hat. Interessant ist auch, dass der Regionalplan sehr wohl die Bergstraße aus der Bebauung mit Windindustrie herausnimmt mit dem Argument, dass hier die Siedlungsdichte größer ist als westlich davon im dünn besiedelten Odenwald.“
So argumentiere auch die bayerische Planung in Bezug auf den Odenwald, um die im Spessart eingesparten privilegierten Flächen zu kompensieren.
Zweifel am Staatsziel Nachhaltigkeit bei Windindustrieanlagen
Es bestünden Zweifel, ob das Prinzip der mittlerweile als Staatsziel in der Hessischen Verfassung aufgenommenen Nachhaltigkeit in den Baugenehmigungen für Windindustrieanlagen aufgenommen sei und Flächennachweise für Wiederaufforstung verlangt würden.
„Es schafft kein Vertrauen, wenn alle Argumente gegen die Landschaftszerstörung und für den Schutz der Lebensqualität, den Trinkwasserschutz, den Artenschutz und Denkmalschutz, den Schutz von Flora und Fauna aufgeführt werden und für die Genehmigungsbehörde in der Einzelfallprüfung als unerheblich bewertet werden“, sagte Schnur.
Sowohl die beiden SPD-Abgeordneten Rekha Krings und Oliver Grobeis als auch CDU-Vertreter Harald Buschmann erklärten ihr ablehnendes Stimmverhalten in der Regionalversammlung Südhessen zum vorgelegten Planentwurf TPEE, während die Vertreterin der GRÜNEN Christa Weihrauch Zustimmung signalisierte.