KOMMENTAR: UnwĂĽrdiger Auftakt zur neuen Legislatur in Erbach
Das Erbacher Stadtparlament hat sich nach der Kommunalwahl vom 14. März konstituiert und dabei gleich einen Vorgeschmack auf die Legislatur bis 2026 geliefert. Und der lässt nichts Gutes erahnen.
Deutliche Hinweise dazu lieferten die Parlamentarier sogleich mit ihrer ersten Amtshandlung, der Wahl des Stadtverordnetenvorstehers. Gemäß gutem, wenngleich gesetzlich nicht verankerten parlamentarischen Brauch, hatte die SPD als nach wie vor stärkste Fraktion aus ihren Reihen den seitherigen Parlamentsvorsteher Antonio Duarte zur Wahl nominiert.
Weitere Vorschläge gab es auch auf Nachfrage des Alterspräsidenten, der die Sitzung eröffnete, ausdrücklich nicht. Vielmehr überraschte dann das Ergebnis nach der von der ÜWG-Fraktion beantragten geheimen Wahl.
Mit dem denkbar kappsten aller möglichen Ergebnisse votierten gerade noch 16 der 31 Mandatsträger für Antonio Duarte. 15 Gegenstimmen belasten das Amt des alten und neuen Parlamentsvorstehers ebenso wie die denkbare Variante, dass er auch mit den Stimmen der beiden erstmals im Parlament vertretenen beiden AfD-Abgeordneten ins Amt gewählt sein könnte.
Auch wenn es selbstverständlich völlig legitim ist, einem Personalvorschlag aus der stärksten Fraktion für die Besetzung des wichtigsten Parlamentsamtes nicht zu entsprechen, so offenbarte sich doch das hier gewählte Procedere – die Ablehnung ohne Gegenvorschlag – als absolut unwürdig für das Amt.
Ă„hnliches, wenngleich auch hier den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, vollzog sich bei der Besetzung der acht vorgesehenen Magistratssitze. Hier outete sich eine Listenverbindung zwischen ĂśWG, CDU und FDP, die ebenfalls von der AfD (zumindest mit einer Stimme) mitgetragen wurde.
Das jedenfalls lassen die Voten der beiden von SPD und GRÜNEN vorgeschlagenen Besetzungen erkennen, die der jeweiligen Fraktionsstärke entsprechen. Eine Stimme war ungültig, wie erst nachträglich auf Anfrage bekannt wurde. So entfielen auf die von der AfD gestützte Listenverbindung fünf Magistratssitze.
Dass mit dieser Listenverbindung ein der SPD nach dem Wahlergebnis zustehender dritter Magistratssitz entzogen und in das „Verbindungslager“ wanderte, ist freilich nur als ein nach der Hessischen Gemeindeordnung zulässiger taktischer Schachzug zu werten.
Völlig unklar bleibt aktuell auch die Situation um die beiden neuen AfD-Mitglieder, Andreas Wagner und seiner Mutter Ella, hinsichtlich eines Fraktionsstatus.
Andreas Wagner, der ĂĽber die AfD-Liste auch ein Kreistagsmandat erhielt, hat sich auf Kreisebene von der AfD verabschiedet und sitzt als fraktionsloser Abgeordneter im kĂĽnftigen Kreisparlament.
Im Falle eines erfolgten Austritts aus der Erbacher AfD-Fraktion hätte diese - analog zur Situation im Odenwälder Kreistag - auch im Erbacher Stadtparlament keinen Fraktionsstatus mehr und somit auch keinen Anspruch auf einen Sitz in den jeweiligen Parlamentsausschüssen.
Auch diese Situation blieb bis Dienstagabend unklar (zumindest wurde sie nicht öffentlich kommuniziert) und führte sogar dazu, dass der AfD im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt per Losentscheid mit der gleichstarken FDP-Fraktion ein Sitz zuteil wurde, der ihr möglicherweise nicht zusteht.
Insgesamt also ein eher peinlicher Auftakt des Erbacher Stadtparlaments zur neuen Legislatur 2021 bis 2026. Da bleibt nur der Hinweis auf das Zitat von Georg Christoph Lichtenberg: Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es besser werden soll.