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Auf dem Altar der politischen Eitelkeiten geopfert: OREG-Chef Jürgen Walther geht

EINE KISTE ODENWALD überreichte Landrat frank matiaske (links) dem scheidenden OREG-Geschäftsführer Jürgen Walther in Gegenwart des früheren Landrats Horst Schnur (rechts) und dem Geschäftsbereichsleiter Nahverkehr der OREG, Peter Krämer. Foto: Rainer Kaffenberger

Er ist das politische „Bauernopfer“ der Affäre rund um das Standortmarketing im Odenwaldkreis, der Geschäftsführer der Odenwald-Regionalgesellschaft mbH (OREG) Jürgen Walther: Sein am 31. Dezember auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert, und jetzt geht er nach 21 Jahren zum Monatsende vorzeitig

ODENWALDKREIS / ERBACH. - Die seit mehr als drei Jahren andauernde Affäre rund um das Standortmarketing im Odenwaldkreis hat nach dem Verursacher Dietrich Kübler, der bereits im März vergangenen Jahres als Landrat abgewählt worden war, ein weiteres, in diesem Falle unschuldiges, Personalopfer gefordert: Der langjährige Chef der Kreistochter Odenwald-Regionalgesellschaft mbh (OREG) Jürgen Walther beendet mit dem heutigen Freitag, 30. September, nach knapp 21 Jahren seine Geschäftsführertätigkeit für das Unternehmen.

Nachdem sein zum 31. Dezember 2016 auslaufender Zeitvertrag nach politischen Anfeindungen von ÜWG und zuletzt insbesondere der CDU des Odenwaldkreises, als neuem Koalitionspartner der SPD, nicht mehr verlängert worden war, nahm Jürgen Walther jetzt vorzeitig seinen Hut und sucht bei einem IT-Unternehmen im benachbarten Kreis Bergstraße ab 3. Oktober eine neue berufliche Herausforderung.

ÃœWG- und CDU-Beschuldigungen wider besseren Wissens

Überparteiliche Wählergemeinschaft (ÜWG) und CDU des Odenwaldkreises hatten im Landratswahlkampf 2015 wider besseren Wissens dem OREG-Geschäftsführer immer wieder die Schuld an der rechtswidrigen Auftragsvergabe durch den Ex-Landrat an einen diesem nahestehenden Inhaber einer Erbacher Werbeagentur zugeschrieben.

Dieser Vorwurf wurde vor wenigen Wochen nunmehr endgültig durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt, die das Ermittlungsverfahren gegen Jürgen Walther einstellte, widerlegt, während das Verfahren gegen den früheren Landrat Dietrich Kübler noch immer andauert. Ihm hatte die Ermittlungsbehörde schon im September 2014 „rechtswidrige Eingriffe in das Vergabeverfahren“ vorgeworfen.

Detlef Kuhn wird kommissarischer Geschäftsführer

Zum kommissarischen Geschäftsführer ist Detlef Kuhn vom Aufsichtsrat der OREG berufen worden. Er wird bis zur endgültigen Entscheidung über die Besetzung des verantwortungsvollen Postens die OREG-Geschäfte führen "und dann ins zweite Glied zurücktreten, wenn wir uns ergebnisoffen über die Neubesetzung verständigt haben", wie Frank Matiaske verkündete.

"Markant tragende Rolle beim Breitbandausbau"

Küblers Nachfolger als Landrat und OREG-Aufsichtsratsvorsitzender, Frank Matiaske, lobte bei der offiziellen Verabschiedung des Scheidenden gestern dessen unermüdliches Wirken für den Odenwaldkreis: „Jürgen Walther darf für sich einen maßgeblichen und großen Anteil daran in Anspruch nehmen, dass die Region im Bereich Wirtschaftsförderung und in der Regionalentwicklung dank innovativer Ideen und Projekte beachtliche Schritte unternahm und der Wirtschaftsstandort Odenwaldkreis gefestigt und auf eine erfolgreiche Zukunft ausgerichtet werden konnte.

Sein Artikel „Breitbandausbau im Odenwaldkreis: auf dem Weg zur Gigabitgesellschaft“ im gerade erschienenen Buch „Odenwaldkreis“ in der Reihe Deutsche Landkreise im Portrait“ legt beredtes Zeugnis vom bundesweit einmaligen Beispiel regionaler Eigenständigkeit in Sachen Zukunft-Orientierung ab, ohne dass der Autor dort sagt, welche markant-tragende Rolle er selbst dabei übernahm.“

Bundesweite Anerkennung

Besonders in der zweiten Hälfte der Firmengeschichte habe die OREG bewiesen, dass auch eine ländliche Region auf mehreren Feldern eine Vorreiterrolle einnehmen könne, die bundesweit Beachtung finde, als Modell zur Nachahmung empfohlen und prämiert werde.

Exemplarisch genannt werden dürfe an dieser Stelle der Innovationspreis PPP 2012 in der Kategorie Informationstechnologie für das Breitbandprojekt in Form einer flächendeckenden Glasfaserkabelverlegung. Diese Auszeichnung erhielt das OREG-Tochterunternehmen Brenergo GmbH beim 7. Bundeskongress ÖPP des Behörden-Spiegels in Berlin.

1995 unter ehrenamtlicher Führung gestartet

Mit einer Stammeinlage von 100.000 Mark, dem Odenwaldkreis als alleinigem Gesellschafter und Heinz Walther (Erbach) als ehrenamtlicher Geschäftsführer erfolgte im März 1995 der Handelsregister-Eintrag der Odenwald-Regional-Gesellschaft mbH (OREG). Zum 1. Januar 1996 wurde der Diplom-Informatiker Jürgen Walther (Michelstadt-Würzberg) dann zum hauptamtlichen Geschäftsführer bestellt.

Alle Städte und Gemeinden des Kreises zunächst im Boot

Die Gründung der Gesellschaft ging auf einen engen Schulterschluss des Landkreises mit seinen 15 Städten und Gemeinden sowie den hiesigen Kreditinstituten mit dem Ziel zurück, Verbund- und Querschnittsaufgaben zu bündeln und Synergieeffekte zu erreichen. Ihr Sitz befindet sich nach wie vor im alten Rathaus am Marktplatz in Erbach. Nachdem zwischenzeitliche alle Kreis-Kommunen mit dabei waren, sind seit 2012 Gesellschafter lediglich noch der Kreis sowie Sparkasse Odenwaldkreis und Volksbank Odenwald.

Motor für Touristik, Nahverkehr, Wirtschaftsservice und Regionalentwicklung

Von ihrer Gründung (23. Dezember 1994) an hatte die OREG den Auftrag, die Wirtschafts- und Sozialstruktur in der Region Odenwald zu entwickeln und zu stärken. Ihr Aufgabenspektrum und ihre Rolle als „Motor der Region“ erweiterten sich im Lauf von mittlerweile fast 22 Jahren erheblich.

Zu den Bereichen Touristik, Nahverkehr, Wirtschaftsservice und Regionalentwicklung aus den ersten Jahren kamen zukunftweisende Geschäftsfelder wie Informationstechnologie und Erneuerbare Energien hinzu. Mit der Geschäftsbesorgung für die Odenwald-Schlachthof-Betriebs GmbH setzte die Odenwald-Regional-Gesellschaft in jüngerer Zeit ein Zeichen für Regionalität in der Lebensmittelproduktion.

„Biokreis“-Siegel für Schlachthof steht ebenfalls für erfolgreiche Arbeit

Die Verleihung des neuen Gütesiegels Hessen und des Siegels „Biokreis“ an den Schlachthof stehen für die erfolgreiche Arbeit der OREG, die den Betrieb aus einer kritischen Situation heraus in ruhigeres Fahrwasser lenkte.

Auf die Herausforderungen des Internet-Zeitalters reagierte die OREG schon frühzeitig mit der Gründung der Tochtergesellschaft Odinet GmbH. Unter Federführung des damaligen Landrates Horst Schnur und von Jürgen Walther wurde im Jahr 2000 gemeinsam mit der HEAG Südhessische Energie AG und der HSE Medianet GmbH das Behördenintranet Odenwaldkreis (BIO) gegründet.

Flächendeckendes Breitband im ländlichen Raum als bundesweitetes Pilotprojekt

Bald nach diesem Schritt starteten die Glasfaserkabeltechnik und andere breitbandige Lösungen, die im ländlichen Raum Abläufe in der Verwaltung dank neuer Medien effizienter sowie kunden- und nutzerfreundlicher gestalteten.

Mit dem ersten Spatenstich für ein flächendeckendes Glasfasernetz im August 2010 im Park für grüne Technologien (Hainhaus) schlug die Brenergo GmbH für die Bürgerinnen und Bürger des Odenwaldkreises ein neues Kapitel in der Internetnutzung im Odenwaldkreis auf. Der flächendeckende Ausbau fand im März 2012 seinen Abschluss. Seitdem ist der Odenwaldkreis bundesweit der am besten versorgte Flächenkreis mit Datenübertragungsraten von bis zu 50 Mbit/s.

Weitere Tochterunternehmen

Im Bewusstsein der Verantwortung für künftige Generationen und den Klima- und Umweltschutz sowie im Sinne einer ressourcenschonenden Energiepolitik hatte der Kreistag des Odenwaldkreises bereits 2001 das Ziel formuliert, im Kreisgebiet bilanziell so viel Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren wie die Region in den Sparten Strom und Wärme verbraucht.

Um dies zu erreichen, rief die OREG 2002 das Tochterunternehmen rEnergO GmbH - Gesellschaft für regenerative Energien – ins Leben. Das Kompetenznetzwerk für Erneuerbare Energien wurde 2004 um CLEO, das Cluster Erneuerbare Energien Odenwaldkreis, ergänzt.

Selbstkritische Rückschau zum Park für grüne Technologien

Im September 2007 war dann nach vieljährigen Verhandlungen im ehemaligen Munitionsdepot Hainhaus (Gemeinde Lützelbach) der Park für grüne Technologien eröffnet worden.

Die Verwertung von Biomasse (Brennholz, Holzhackschnitzel, Holz-Briketts und Pellets) erhielt Priorität. Parallel dazu trieb die 2005 gegründete Betreibergesellschaft Odenwald-Solarenergie GmbH (OSE) den Ausbau von Fotovoltaik-Anlagen an Schulen und kreiseigenen Gebäuden voran. 2012 erwarb die OREG das erste „Bürgerwindrad“ im Kreisgebiet. An der Drei-Megawatt-Windenergieanlage (Vestas) auf dem Gelände des Technologieparks ist die OREG-Tochter Windpark Hainhaus GmbH & Co. KG beteiligt.

Speziell in Punkto der Entwicklung des „Parks für grüne Technologien“ am Hainhaus und beim Erwerb der Windkraftanlage muss aber auch selbstkristisch Rückschau gehalten werden. Diese Themen werden die Geschellschaft auch für die Zukunft fordern.

Bahn-Modernisierung und neues Konzept „Garantiert mobil“ als Vorzeigemodelle

Die millionenschwere Modernisierung der Odenwaldbahn stellt auch nach zehn Jahren unverändert als eine der bedeutendsten Investitionen in die Zukunft der Region dar. Die spürbar verbesserte Verkehrsanbindung vor allem in die Mainmetropole Frankfurt hat sich zur Hauptschlagader im öffentlichen Personennahverkehr entwickelt.

Pionierarbeit leistete der für den ÖPNV verantwortliche Geschäftsbereich der OREG unter der Leitung von Peter Krämer einer vollständigen Neuorganisation vor dem Hintergrund von Zuständigkeitsübertragungen von der Landesebene auf die Kommunen.

Zentral für alle 15 Kreis-Kommunen wurde die Verkehrsinfrastruktur zusammen mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund und lokalen Verkehrsunternehmen strukturiert und koordiniert, so dass der Odenwaldkreis heute über ein sehr kundenfreundliches und effizientes ÖPNV-Angebot verfügt.

Zu den Eckpfeilern der positiven Entwicklung zählen neben der Bahn-Modernisierung die RMV-Mobilitätszentrale am Bahnhof in Michelstadt und das neue Konzept „Garantiert mobil“, das in absehbarer Zeit realisiert werden soll.

Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft meistern

Mit dem 2013 reorganisierten Geschäftsbereich Wirtschaftsservice wurde ein verstärktes Augenmerk auf die Beratungs- und Qualifizierungstätigkeit für Existenzgründer gerichtet. Im Jahr 2016 erweise sich die Odenwald-Regional-Gesellschaft als gut aufgestellt, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu meistern. Dazu dient auch ein von der Kreispolitik 2015 angestoßener und eng begleiteter Prozess der Neuaufstellung der OREG.

Die Entwicklungen in der Informationstechnologie und das schnelle Internet werden den Datenaustausch, die Verwaltungsabläufe und die Kommunikation innerhalb der Gebietskörperschaften weiter verändern und vor allem weiter beschleunigen.

Neue Ideen und Projekte sollen Wirtschaftsstandort Odenwaldkreis fördern

Um Information und Wissen zu bündeln und zu aktualisieren, arbeitet die OREG daran, mit neuen Ideen und Projekten den Wirtschaftsstandort Odenwaldkreis zu fördern und die Region gegenüber den Ballungsräumen Rhein-Main und Rhein-Neckar als ebenso innovativen wie nachhaltig wirkenden Wirtschaftsraum zu etablieren.

Landrat Frank Matiaske betonte und unterstrich anlässlich einer Feierstunde zur Verabschiedung von Geschäftsführer Jürgen Walther dessen wichtige und tragende Rolle in der Vergangenheit der Gesellschaft und dankte ihm hierfür sehr herzlich. Die Neuausrichtung der OREG biete aber zugleich auch die Möglichkeit der Zäsur und die Chance, mit neuen Köpfen die gute Basis weiterzuentwickeln.

„Neue Herausforderungen bieten die Chance, persönlich zu wachsen“

Dies gelte für die OREG, insbesondere aber auch für Jürgen Walther, im Hinblick auf seine neue berufliche Herausforderung, persönlich. Der Landrat verwies dabei auf seine eigene Lebensbiografie und die großen Zufriedenheit, die er mit seinem Wechsel ins Landratsamt nach wie vor verbindet.

„Neue Herausforderungen bieten die Chance, persönlich zu wachsen“, so Matiaske. „Und sich neue Ziele zu stecken und ausgetretene Pfade zu verlassen, sind die Triebfedern unserer Gesellschaft und der Menschheit“.

Peter Krämer dankt für die Belegschaft dem scheidendem Chef

Für die OREG Belegschaft dankte Peter Krämer dem scheidenden Geschäftsführer für dessen „stets menschlichen Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und erinnerte an einige Anekdoten, die sich in den mehr als zwei Jahrzehnten gemeinsamen Wirkens für den Odenwaldkreis angehäuft hatten.

OREG-Aufgaben in der Kreisverwaltung nicht zu leisten

Horst Schnur, unter dessen Landrats-Ära die OREG ins Leben gerufen worden war, erinnerte ebenfalls an zahlreiche gemeinsame Erlebnisse, die den einstmals fruchtbaren gemeinsamen Weg in Bruchteilen nachzeichnete.

Schnur, zeigte noch einmal die Notwendigkeit der Entkoppelung der OREG-Aufgaben vom Verwaltungshandeln der Kreisverwaltung auf, dankte wie alle anderen Redner Jürgen Walther, mit dem er "ein gutes Team gebildet" habe, für dessen Arbeit und wünschte viel Glück auf seinem weiteren Weg.

Walthers Dank an seine aufrichtigen Weggefährten

Jürgen Walther selbst verabschiedete sich mit bewegenden Worten von „einer langen Zeit, die mich geprägt hat, und vielen aufrichtigen Mitarbeitern und Weggefährten, die loyal zu mir standen, und mich auf dem nicht immer leichten Weg gestützt haben."