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Kostspielige Hinterlassenschaft des früheren Erbacher Stadtbaumeisters

Kosten für illegal errichteten Konferenzraum in der Werner-Borcher-Halle drohen in fünffache Höhe des Planansatzes zu explodieren + + + Weder Nutzungsänderung beantragt noch Bauantrag gestellt + + + Im Vorjahr rund eine Million Euro städtische Mehreinnahmen

ERBACH. - Die wichtigste Nachricht kam am Ende der jüngsten Sitzung der Erbacher Stadtverordneten. Und das auf Nachfrage.

Bernd Pfau (SPD) wollte wissen, was es mit dem jetzt in der Sitzung des parlamentarischen Bauausschusses am 27. April vorgelegten städtischen Bauantrag für einen Konferenzraum in der Werner-Borchers-Halle (Erbacher Festhalle) auf sich habe.

Der betreffende Konferenzraum ist bereits seit einigen Monaten fertiggestellt und diente auch schon zur Beherbergung diverser Sitzungsrunden.

„Äußerst missliche Angelegenheit“

Bürgermeister Dr. Peter Traub erklärte: „Wir stehen mittleren Herausforderungen gegenüber, weil diverse Auflagen des Brandschutzes nicht berücksichtigt wurden“, und bezeichnete die Angelegenheit als „äußerst misslich“.

Weil die fehlenden brandschutztechnischen Voraussetzungen einer gefahrlosen Nutzung des Konferenzraums entgegen stehen würden, habe das zuständige Kreisbauamt beim Odenwaldkreis schon vor einigen Wochen eine Nutzungsuntersagung erlassen.

Schaden von der Stadt abwenden - Eigenschadenversicherung infformiert

Wie der Verwaltungschef weiter erläuterte, werde geprüft, inwieweit die erforderliche Nachrüstung zu Mehrkosten gegenüber einer ursprünglich erforderlichen Ausstattung führen würden. Einen solchen Schaden müsse man dann in entsprechender Höhe von der Stadt abwenden.

Darüber habe man die Eigenschadenversicherung bereits entsprechend informiert. Aktuell würden Kostenangebote zur Umsetzung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen für die einzelnen Gewerke eingeholt. Erst nach Vorlage dieser Angebote könne man die zusätzlich entstehenden Kosten benennen.

Diese müssten dann in einem Nachtragshaushalt abgebildet und beschlossen werden, da im aktuellen Haushaltsplan keine entsprechenden Finanzmittel bereit stünden.

Deutlich kostenintensiver als bisher bekannte Informationen vermuten lassen

Die Fakten rund um dieses Projekt sind indes wesentlich komplexer und vor allem kostenintensiver als die seither bruchstückhaft bekannten Informationen zu diesem Thema vermuten lassen.

Rückblende: Der als Alternative zum großen Saal in der Werner-Borchers-Halle geplante Konferenzsaal sollte für Veranstaltungen und Tagungen in kleinerem Rahmen hergerichtet werden.

Dazu hatte die Stadtverordnetenversammlung für das vom früheren Erbacher Stadtbaumeister Martin La Meir geplante Projekt die von ihm errechneten Kosten in Höhe von 50.000 Euro im Haushalt bereitgestellt.

Planansatz schon jetzt um rund 50 Prozent überschritten

FACT-Recherchen zufolge übersteigen allerdings die bisher entstandenen Kosten den Planansatz für den Konferenzraum bereits um rund 50 Prozent. Sie sollen derzeit schon bei knapp 75.000 Euro liegen ohne dass entsprechende Brandschutzvorkehrungen getroffen worden sind.

Schlimmer noch: wie sich jetzt herausstellte wurde unter La Meir's Verantwortung vor der Umbaumaßnahme weder eine Nutzungsänderung beantragt noch ein gesetzlich erforderlicher Bauantrag für das Projekt gestellt.

Der neue Konferenzraum in der Werner-Borchers-Halle wurde folglich von der Bauabteilung in der Erbacher Stadtverwaltung illegal errichtet.

Neben Finanz- auch erheblicher Image-Schaden

Neben dem zu erwartenden finanziellen Schaden im sechsstelligen Bereich – Insider beziffern die erforderlichen Gesamtkosten inklusive der Nachrüstung des Projekts inzwischen auf rund 250.000 Euro – hinterlässt der zwischenzeitlich altersbedingt ausgeschiedene frühere Stadtbaumeister mit diesem Handeln der Stadt Erbach am Ende seiner Amtszeit einen weiteren nicht unerheblichen Imageschaden.

Angesichts dieses Negativ-Highlights zum Sitzungsende der Stadtverordnetenversammlung gerieten die eigentlichen Tagesordnungspunkte fast zur Nebensache.

Zwei Anträge in Ausschüsse verwiesen

Ein gemeinsamer CDU- ÜWG-Antrag, die Stadt solle einen Beitritt zur >Entega Kommunale Beteiligungsgesellschaft mbH< prüfen, änderten die Antragsteller kurzfristig mit der Maßgabe der Vorberatung im Haupt- und Finanzausschuss, wie Erich Petersik (CDU) erläuterte.

Auch der CDU-Antrag, der eine Magistrats-Prüfung zum Ziel hat, inwieweit bestehende Gewerbegebiete unter Einbeziehung brachliegender Gebiete und leer stehender Gebäude weiterentwickelt oder neue Standorte geschaffen werden können, wurde zunächst in die zuständigen Ausschüsse verwiesen.

Korrektur der Badeordnung einstimmig beschlossen

Einstimmig verabschiedeten die Parlamentarier die Korrektur der bisher gültigen Badeordnung für das Alexanderbad. In Abstimmung mit der Nachbarstadt Michelstadt handelt es sich dabei um ausgewiesene „Rauchfreie Zonen“, die auch für elektrische Zigaretten, Shishas und Wasserpfeifen gelten.

Auch ein auf 45 Minuten vor Betriebsende geänderter Eingangsschluss ist in dieser Entscheidung beinhaltet. Die wichtigste Änderung, „ein Kompromiss, der in Abstimmung mit Michelstadt erfolgte“ (Bürgermeister Traub), betrifft die Kinder.

Konnten seither Kids ab sieben Jahren ohne Begleitung das Bad aufsuchen, müssen sie ab sofort das Mindestalter von neun Jahren erfüllen, um alleine Badefreuden im Alexanderbad genießen zu dürfen. Jüngere Kinder haben nur in Begleitung einer Aufsichtsperson Zutritt.

Gernot Schwinn (SPD) will indes schon für die nächste Badesaison eine weitere Korrektur mit dem Ziel, Kindern erst ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr alleine den Zutritt ins Freibad zu gewähren. Dabei könne auch die Maßgabe greifen, schon Neunjährigen Alleinzugang zu gewähren, wenn diese sichere Schwimmer sind.

Städtisches Jahresergebnis 2021 um rund eine Million Euro verbessert

Auf Nachfrage von Gernot Schwinn erläuterte Stadtkämmerer Ulrich Horn die Eckdaten des städtischen Jahresabschlusses 2021. Dieser fiel um rund eine Million günstiger aus als im Planansatz ausgewiesen. So kehrte sich der negative Ansatz von knapp 700.000 Euro um in einen Jahresüberschuss von 371.000 Euro.

Dieses Ergebnis resultiert aus Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer von 600.000 Euro und solchen bei den Einkommensteueranteilen von 380.000 Euro.

Gernot Schwinn wollte weiter wissen, ob die anstehende Schwimmbadsanierung, für die Kosten in Höhe von 360.000 Euro veranschlagt sind, zu Förderprogrammen angemeldet ist.

Dazu erläuterte der Bürgermeister, die Mittel für solche Maßnahmen seien begrenzt und man habe sich unter den Bürgermeistern des Kreises verständigt, diese Mittel in diesem Jahr der Gemeinde Fränkisch-Crumbach für deren umfangreicher Schwimmbadsanierung zukommen zu lassen. Erbach habe keinen Antrag gestellt.

Volker Scheuermann (ÜWG) bemängelte, er höre in Erbach nie etwas von umgesetzten Förderprogrammen. Dem entgegnete Traub: „Wir brauchen auch die Menschen, die solche Anträge stellen.“ Das sei in erster Linie eine personelle Frage.

„Es ist nicht so, dass wir nichts machen, vielleicht müssen wir noch mehr klappern“, sieht der Erbacher Bürgermeister offenbar kommunikativen Verbesserungsbedarf in seiner Verwaltung.

Parlamentsvorsteher Antonio Duarte gab eingangs der Sitzung bekannt, eine Bürgerversammlung sei für den 9. September geplant.