Arbeiterwohlfahrt in schwerer See
Vertrauenskrise, Pandemie, Mitgliederschwund konterkarieren erfolgreiche SozialarbeitERBACH. - Obwohl die Odenwälder Arbeiterwohlfahrt als Sozialverband auf örtlicher und regionaler Ebene wiederum einen wesentlichen Beitrag zu einer guten sozialen Infrastruktur im Odenwaldkreis und in dessen Städten und Gemeinden leistete, sind die unangemessenen Geschäftspraktiken der Leitungs- und Führungsebenen in den AWO Kreisverbänden Frankfurt und Wiesbaden sowie des Bezirksverbands AWO Hessen-Süd an der Kreisorganisation und den sieben Ortsvereinen nicht spurlos vorübergegangen.
Sie hatten einen zwölfprozentigen Mitgliederschwund zur Folge. Trotz der Abgrenzung und der damit bekundeten Autarkie des Kreisverbandes waren es insbesondere enga-gierte Unterstützer, die ihren Ortsverein verließen. Registriert waren in den sieben Ortsvereinen zum Jahresende 381 Mitglieder.
Dies wurde auf der Kreiskonferenz verdeutlicht, die am Samstag coronabedingt zum zweiten Mal in der Werner-Borchers-Halle stattfand.
Wie Kreisvorsitzender Dr. Michael Reuter und Kreisgeschäfts-führer Oliver Hülsermann in den Rechenschaftsberichten darlegten, konnte im Zusammenwirken von Professionalität und Ehrenamtlichkeit vielen Mitbürgern Hilfe und Unterstützung in diversen Lebensbereichen zuteil werden. Beschäftigt waren beim Kreisverband und dem Tochterunternehmen AWO Soziale Dienste 77 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Covid-19-Pandemie bestimmte weitestgehend das Geschehen. Die Maßnahmen zur Kontaktreduzierung und Eindämmung der Virus-Ausbreitung hatten spürbare Auswirkungen auf alle Tätigkeitsfelder.
Zeitweise mussten das Mehrgenerationenhaus geschlossen und die Durchführung der Angebote der Familienbildungsstätte und des Familienzentrums ausgesetzt werden.
An 41 von ursprünglich geplanten 89 Kursen, Seminaren, Workshops und Vorträgen Veranstaltungen nahmen 216 Erwachsene und 128 Kinder teil.
Beim Familienzentrum als Begegnungs-, Bildungs-, Unterstützungs- und Erfahrungsort konnte trotz der Einschränkungen eine Optimierung der familiären Lebensqualitäten, hinsichtlich Bildung, Ökonomie, Worklife-Balance und Gesundheit erzielt werden.
Zu den 82 diversen Angeboten gehörten neben Schwimmkursen für Kinder und Erwachsene auch Meditationen und Yoga, Tanzkurse, Kreativangebote, Handwerkliches Gestalten, Gymnastik, Selbstverteidigungskurse, Workout-Veranstaltungen, Kommunikationsforen, Thematische Kreise und Gruppen, Offene Treffs und Selbsthilfegruppen.
Des Weiteren wurden in den Oster-, Sommer- und in den Herbstferien insgesamt Ferienspiele für Grundschulkinder mit unterschiedlichen Themen angeboten. Der Bewegungskin-dergarten Brombachtal und die Grundschulbetreuungen konnten vor allem im Frühjahr und Sommer nur im Notdienst oder im eingeschränkten Regelbetrieb arbeiten.
Die schulischen Ganztagsangebote, Schulsozialarbeit, Schulbegleitung und soziale Gruppenarbeit waren aufgrund der verordneten Lockdowns, Schulschließungen oder der Aufhebung der Präsenzpflicht im Unterricht nur begrenzt aufrecht zu erhalten.
Auch Betreuungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung sowie die Tätigkeiten in den Beratungsstellen waren vielfach nur eingeschränkt und nach vorheriger telefonischer Terminabsprache möglich.
Die meisten ehrenamtlichen Aktivitäten und Angebote der AWO- Ortsvereine mussten ab Frühjahr pandemiebedingt abgesagt werden. Es entfielen die Filmvor-führungen im Kino Höchst und die Seniorennachmittage in verschiedenen Kommunen, ebenso diverse Ausflüge und Feierlichkeiten zu verschiedenen Anlässen.
Die Hilfstransporte nach Litauen und Albanien konnten nicht stattfinden. Mitte des Jahres endete das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterhaltene Projekt „Internationales Café im Mehrgenerationenhaus“. Federführend in diesem Projekt war die Flüchtlingshilfe Bad König, die Deutschkurse, Hausaufgabenunterstützung und Einzelbegleitungen anbot.
Das Internationale Café wird mittlerweile von der Erbach-Michelstädter Flüchtlingshilfe geführt. Nach den Sommerferien wurde die Nachmittagsbetreuung an der Grundschule in Lützelbach eingestellt.
Erweitert wurde die Angebotspallette durch die Übernahme der Trägerschaft des schulischen Ganztags an der Georg-Ackermann-Schule in Rai-Breitenbach und der Schulsozialarbeit an der Grundschule Lützelbach.
Der im Rahmen der Pandemie ins Leben gerufene Einkaufsdienst „AWO Odenwald – direkt“ war älteren Menschen eine Hilfe. Finanziell wurde im Berichtszeitraum ein Überschuss von 179.000 Euro erzielt. 66.000 Euro für Instandsetzungen an Betriebsgebäuden wurden als Gewinnrücklagen eingestellt.
Der Jahresüberschuss konnte bei nahezu mit dem Vorjahr erzielten Leistungsvolumen erreicht werden. Sowohl im Prüfbericht der AWO SDO als auch im Plausibilitätsbericht für den Kreisverband wurden keine Verstöße gegen Rechnungslegung, Buchführung und Jahresabschluss festgestellt.
Die Entlastung des Vorstandes erfolgte mit Stimmenmehrheit. Bevor in der Aussprache die zu einer Vertrauenskrise geführten Machenschaften diskutiert wurden, versprach die seit Ende 2020 amtierende Bezirksvorsitzende Stephanie Becker-Bösch eine entschlossene und konsequente Aufarbeitung der Geschehnisse.
„Ich habe kein Verständnis, wenn sich Menschen persönlich bereichern und werde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen“, so ihr Versprechen.
Nicht nur von Gerlinde Krönung, Anneliese Gutzeit-Gläser, Horst Pilger hinterfragt wurden die Aktivitäten von Torsten Hammann, von Anfang 2016 bis Ende Mai 2019 Generalbevollmächtigter für die Geschäftsführung des Bezirksverbands, dem auf Kosten der AWO lukrative Geschäfte mit Immobilien nachgesagt werden.
Geschäftsführer Oliver Hülsermann stellte hierzu klar: „Wir waren nicht involviert, wir sind sauber!“ Erfreuliches zum Schluss: Die AWO-Hessen-Süd-Vorsitzende Becker-Bösch zeichnete Elfriede Gebhard mit dem Ehrenbrief des Bezirksverbandes aus.
Sie gehört dem Sozialverband seit 44 Jahren ist, war 30 Jahre Mitglied im Kreisvorstand, stand ein Vierteljahrhundert dem Ortsvereins Breitenbrunn vor.
In dieser Zeit hat sie nicht nur Bastel-, Näh-, Koch- und Blumensteckkurse abgehalten, sondern auch den Nikolausumzug in Breitenbrunn ins Leben gerufen und die jährlichen Weihnachtsfeiern durchgeführt.