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Tag für Tag im Einsatz für wilde Patienten im „Koboldhof“

Ehrung in Wiesbaden: Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser (rechts) übergibt Korinna Seybold vom Koboldhof den Hessischen Tierschutzpreis. Foto: Hessische Staatskanzlei

Mahlzeit: Ein Eichhörnchen macht sich an einer Nuss zu schaffen. Das Tier lebt auf dem Koboldhof, weil es nach einem Sturz aus großer Höhe ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat.

Tierschützerin: Korinna Seybold hält in ihrem Koboldhof einen Feldhasen im Arm. Er ist von einem Hund gebissen worden und braucht noch eine Weile, bis er wieder in freier Wildbahn leben kann.

Zeit zur Erholung: Das Braune Langohr wurde auf einer Haustreppe gefunden und kann auf dem Koboldhof wieder zu Kräften kommen. Wenn die Fledermaus wieder fliegen kann, wird sie am Fundort ausgewildert. Fotos: Stefan Toepfer/Kreisverwaltung

Die Idee für die Bewerbung hatte die Sprecherin der Grünen im Odenwald, Petra Neubert (rechts). Gemeinsam mit Bad Königs Bürgermeister Uwe Veith gratulierte sie der Preisträgerein.

Hessischer Tierschutzpreis für Korinna Seybold: Kreis spricht Dank und Respekt aus

ODENWALDKREIS / BAD KÖNIG. - Korinna Seybold kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Im Gegenteil.

Bis zu 300 kranke, verletzte oder verwaiste Wildtiere aus einem großen Einzugsgebiet nimmt sie in ihrem „Koboldhof“ in Bad König jährlich auf, um sie zu pflegen, und beantwortet bis zu 4.000 Notfallanrufe im Jahr.

Kontakte zu Behörden, Förstern und Jagdpächtern wollen gepflegt sein, nicht zuletzt, um die Auswilderung der Tiere zu organisieren.

Sie kooperiert mit Biologen für wissenschaftliche Forschungsprojekte, besucht Schulklassen und hat vor kurzem die Interessensgemeinschaft Hessische Wildtierpflege begründet, um die Bedeutung einer professionellen Wildtierhilfe in Gesellschaft und Politik mehr zu verankern. „Damit sind wir ein Vorreiter in Deutschland“, sagt Seybold nicht ohne Stolz.

Man könnte meinen, das alles sei ihr Hauptberuf. Weit gefehlt. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt die Einundvierzigjährige drei Fahrschulen. Für die Wildtierhilfe arbeitet sie ausschließlich ehrenamtlich, sieben Tage in der Woche.

Grund genug für das Umweltministerium, Korinna Seybold mit dem Hessischen Tierschutzpreis 2018 zu ehren, der ihr am gestrigen Dienstag, 28. August, in Wiesbaden verliehen wurde.

Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser würdigte die Arbeit Seybolds unter anderem als wichtigen Beitrag zum Tier- und Artenschutz und hob die enge Kooperation mit Naturschutzverbänden und Forschungseinrichtungen hervor.

Für den Odenwaldkreis nahm die Kreisbeigeordnete Anni Resch an der Feierstunde teil. Sie sagte, im Koboldhof werde mit „hohem Fachwissen und Herzblut“ gearbeitet.

„Verantwortung für die Tier- und Pflanzenwelt, unsere gesamte Schöpfung, geht uns alle an. Den Menschen, die sich persönlich derart einsetzen und engagieren wie Frau Seybold, gebührt unser besonderer Respekt und Dank.“

Denn Wildtiere aufzunehmen, zu pflegen und sie später in eine Selbstständigkeit zu begleiten, damit sie in der freien Natur leben können, zeuge von hohem Verantwortungsbewusstsein.

Das Preisgeld für den Koboldhof beträgt 2.000 Euro. Außerdem wurden in Wiesbaden zwei Tierschutzprojekte in Nord- und in Mittelhessen mit je 500 Euro bedacht. Der Hessische Tierschutzpreis ist nicht die erste Auszeichnung für Seybold. Im Jahr 2015 kam sie bei der Verleihung des Deutschen Tierschutzpreises auf den dritten Platz.

Über die hessische Auszeichnung freut sich Seybold besonders, und das nicht zuerst wegen des Preisgeldes, das sie für ihre Arbeit gut gebrauchen kann. „Vor allem trägt sie dazu bei, dass die Wildtierhilfe in unserem Bundesland mehr wahrgenommen wird.

Der Haustierschutz steht deutlich mehr im Fokus der Öffentlichkeit, aber es gibt auch bei uns einen dringenden Handlungsbedarf“, sagt Seybold und verweist darauf, dass die Pflegestationen in Hessen finanziell besser ausgestattet werden müssten, so wie im Land Niedersachsen.

In ihrer eigenen Station fallen monatlich Kosten von bis zu 1.500 Euro an. Nur einen Teil kann Seybold über Spenden refinanzieren, nicht selten investiert sie ihr eigenes Geld in Futter oder den Bau von Volieren.

Die Interessengemeinschaft Hessische Wildtierpflege soll sowohl nach innen als auch nach außen wirken: „Wir müssen uns auf Standards für die Pflege verständigen, nur so wird unsere Arbeit auf Dauer anerkannt und kann eines Tages auch öffentlich gefördert werden“, so Seybold, die sich ihr Fachwissen in mehreren Fortbildungen angeeignet hat.

Derzeit leben auf dem Koboldhof in Bad Königs Stadtteil Nieder-Kinzig 40 Tiere: Eichhörnchen, Sieben- und Gartenschläfer, Fledermäuse und Feldhasen. Auch einen Dachs hatte Seybold schon einmal aufgenommen.

Der Grund der Pflegebedürftigkeit ist unterschiedlich. Mal sind die Tiere aus großer Höhe gestürzt oder sie wurden von anderen Tieren verletzt. In mehr als 80 Prozent der Fälle sei der Grund für die Aufnahme allerdings menschliches Verschulden, so Seybold. Als Beispiele nennt sie den Straßenverkehr, Dachsanierungen und Baumfällungen sowie ungesicherte Kellerschächte oder Regentonnen.

Gebracht werden die Tiere zumeist von Polizei und Feuerwehr sowie von Tierkliniken und Privatleuten. Ein Teil der behördlich genehmigten Pflegestation ist im Wohnhaus untergebracht, in dem Seybold mit ihrer Familie seit neun Jahren lebt, ein Teil auf dem großen Grundstück.

Seinen Namen hat der Hof nicht von ungefähr, wie Seybold erläutert: „Er heißt so, weil einige der wilden Patienten umgangssprachlich ,Kobolde‘ oder ,Kobolde der Nacht‘ genannt werden.“

Die Tiere sind unterschiedlich lang bei Seybold. Ein Feldhase, der von einem Hund gebissen und vor kurzem aus einer Tierklinik gebracht wurde, muss noch etwa zwölf Wochen gepflegt werden. Sonst wäre er in freier Wildbahn nicht überlebensfähig.

Auch das Braune Langohr, eine Fledermaus, die hilflos auf einer Haustreppe gefunden wurde, braucht noch einige Zeit, bis sie wieder bei Kräften ist. Für Fledermäuse gibt es eigens eine Voliere, in der sie ihr Flugtraining absolvieren können.

„Ich beobachte sie dabei und wenn sie Starts und Landungen gut bewältigen, die Flughöhe halten und mindestens eine halbe Stunde fliegen können, wildere ich sie am Fundort wieder aus“, erläutert Seybold. Auch das Eichhörnchen mit dem Schädel-Hirn-Trauma wird noch eine Weile bei ihr sein, denn noch kann es Sprungdistanzen nicht richtig einschätzen und läuft viel auf dem Boden herum – im Wald wäre es eine leichte Beute.

Die Hauptsaison neigt sich langsam dem Ende entgegen. Die meisten Tiere werden von Februar bis Oktober gebracht. Dass Seybold im Winter mehr Zeit hat, ist aber nicht gesagt. Für dieses Mal hat sie sich vorgenommen, Firmen als Sponsoren zu gewinnen. Der Hessische Tierschutzpreis könnte ihr gut helfen, Türen zu öffnen.