Hilft Krieg, Frieden zu schaffen?

Dekan Carsten Stein (links) und Theresa Möke (rechts) moderierten das PodiumsgesprĂ€ch mit den Landtagsabgeordneten (von links) Sandra Funken, Frank Diefenbach, RĂŒdiger Holschuh und Moritz Promny. Foto: Bernhard Bergmann
BAD KĂNIG. - Dass die evangelische Kirche mitten in der Gesellschaft auch eine wichtige Aufgabe fĂŒr ein verantwortliches Miteinander hat, daran erinnerte Dekan Carsten Stein zum Beginn der Podiumsdiskussion âErst Krieg â dann Frieden?â, bei der vier OdenwĂ€lder Landtagsabgeordnete der Einladung des Evangelischen Dekanats Odenwald in die Bad Königer Wandelhalle gefolgt waren.
Die Moderation vor kleinem Publikum teilte sich Stein mit Theresa Möke, der Dekanatsreferentin fĂŒr Gesellschaftliche Verantwortung; sie hatte die Veranstaltung auch organisiert.
Offensichtlich ist ja, dass der Krieg in der Ukraine sich mit seinen Folgen bereits jetzt weit ĂŒber den Bereich des eigentlichen Geschehens hinaus ausweitet â in den Sorgen und Ăngsten der Menschen vor allem, Treibstoffpreisen, ebenso in den sich abzeichnenden Problemen Energiebeschaffung, Inflation und Teuerung, Lebensmittelknappheit, um nur einige Stichworte zu nennen.
So gesehen ist er auch hierzulande und darum auch im Odenwald mehr als prĂ€sent. Alle hoffen auf ein schnellstmögliches Ende des Krieges, auf Frieden. Aber ist Krieg beziehungsweise dessen UnterstĂŒtzung durch Waffenlieferungen denn ein geeignetes Mittel zum Zweck, Frieden zu schaffen, lautete eine der Fragen.
âDie GrĂŒnen sind da einen nicht schmerzfreien Weg gegangenâ, bekannte Frank Diefenbach (BĂŒndnis 90/GrĂŒne). Als die Partei in den frĂŒhen Achtzigerjahren antrat, stand eine klare Gegnerschaft zu Krieg, Waffen und NachrĂŒstung ganz oben im Parteiprogramm.
Bereits im Kosovokrieg in den Neunzigern habe hier allmĂ€hlich ein Umdenken eingesetzt, so Diefenbach. Und jetzt gehe es um die bare Notwendigkeit, âein Land gegen einen Angriffskrieg zu verteidigenâ.
Deutlich Position zu beziehen, aber Deutschland nicht in den Krieg mit hineinziehen zu lassen, ist auch RĂŒdiger Holschuh (SPD) wichtig. Bisher habe die deutsche Regierung âklug gehandeltâ, befand er und benannte die verĂ€nderte Situation.
âWir stehen vor einer Zeitenwende. Was noch im Herbst galt, gilt nicht mehr.â Alle Parteien hĂ€tten sich in ihrer Haltung neu aufstellen mĂŒssen.
Konkret bei Sandra Funken (CDU) fragte Carsten Stein nach, wie es mit der christlichen Position des Pazifismus aussehe â in Hinblick auf das âCâ im Namen der Partei.
Dieser Krieg habe keine zwei Akteure, so Funken, âPutin hat angegriffenâ, die Ukraine mĂŒsse sich schlieĂlich verteidigen, wenn sie ĂŒberleben wolle. Niemand wisse zudem, ob der russische PrĂ€sident mit seinem aggressiven Verhalten aufhöre, wenn er irgendwann die Ukraine eingenommen hĂ€tte.
Dieser Haltung stimmte auch Moritz Promny (FDP) zu: Durch Pazifismus könnten Ungerechtigkeit und Barbarei manifestiert werden â dann nĂ€mlich, wenn ein rĂŒcksichtsloser Aggressor ungehindert agieren könne und so letztlich den Sieg davontrage.
In der Wirtschaftspolitik habe der Westen den Fehler begangen, nicht mit der Mitte der russischen Gesellschaft Handel zu betreiben, sondern âmit Oligarchen und dem PrĂ€sidentenâ, diagnostizierte Promny. Der Grundsatz âWandel durch Handelâ gelte, und vorausschauend solle man hierbei auch an LĂ€nder wie Indien und China denken.
âSeit einigen Jahren gibt es eine andere Art der Politikâ, sagte Promny weiter: Umfragen und Mehrheitsmeinungen in den Blick zu nehmen, sei wichtig, um die Menschen zu gewinnen und gleichsam mitzunehmen. âRegieren ist ein Rendezvous mit der RealitĂ€tâ, meinte der FDP-Politiker.
Ab einem gewissen Punkt könne man nicht mehr nur kritisieren, sondern mĂŒsse handeln, betonte Frank Diefenbach. Und die unmittelbare Betroffenheit mache eben viel aus im Hinblick auf das eigene Handeln, in diesem Fall auch der deutschen Regierung, die etwa durch Waffenlieferungen die Ukraine im Kampf gegen Russland unterstĂŒtzt.
Was die Auswirkungen innerhalb Deutschlands anbetrifft, so werde es eine der wichtigsten Aufgaben der Politik in den kommenden Monaten sein, die Gesellschaft zusammenzuhalten, wenn etwa eine Energiekrise fĂŒr zunehmende Spannungen sorgt, vermutet RĂŒdiger Holschuh.
Dem schloss sich auch Sandra Funken an, die darauf hinwies, dass die Gesellschaft gegenwĂ€rtig zunĂ€chst durch Corona und dann durch den Krieg unter Druck stehe. Und: âEs gibt keine einfachen Antworten, sondern immer mehr und immer neue Fragen. Klar ist nur: Die Ukraine braucht UnterstĂŒtzungâ, so Funken.
Den Blick noch einmal buchstĂ€blich vor die eigene HaustĂŒr richtete Dekan Carsten Stein in seinem Schlusswort, indem er verdeutlichte: âKrieg und Frieden beginnen vor Ort im Miteinander.â