Hilft Krieg, Frieden zu schaffen?
Evangelisches Dekanat befragt Landtagsabgeordnete zu Krieg und FriedenBAD KÖNIG. - Dass die evangelische Kirche mitten in der Gesellschaft auch eine wichtige Aufgabe für ein verantwortliches Miteinander hat, daran erinnerte Dekan Carsten Stein zum Beginn der Podiumsdiskussion „Erst Krieg – dann Frieden?“, bei der vier Odenwälder Landtagsabgeordnete der Einladung des Evangelischen Dekanats Odenwald in die Bad Königer Wandelhalle gefolgt waren.
Die Moderation vor kleinem Publikum teilte sich Stein mit Theresa Möke, der Dekanatsreferentin für Gesellschaftliche Verantwortung; sie hatte die Veranstaltung auch organisiert.
Offensichtlich ist ja, dass der Krieg in der Ukraine sich mit seinen Folgen bereits jetzt weit über den Bereich des eigentlichen Geschehens hinaus ausweitet – in den Sorgen und Ängsten der Menschen vor allem, Treibstoffpreisen, ebenso in den sich abzeichnenden Problemen Energiebeschaffung, Inflation und Teuerung, Lebensmittelknappheit, um nur einige Stichworte zu nennen.
So gesehen ist er auch hierzulande und darum auch im Odenwald mehr als präsent. Alle hoffen auf ein schnellstmögliches Ende des Krieges, auf Frieden. Aber ist Krieg beziehungsweise dessen Unterstützung durch Waffenlieferungen denn ein geeignetes Mittel zum Zweck, Frieden zu schaffen, lautete eine der Fragen.
„Die Grünen sind da einen nicht schmerzfreien Weg gegangen“, bekannte Frank Diefenbach (Bündnis 90/Grüne). Als die Partei in den frühen Achtzigerjahren antrat, stand eine klare Gegnerschaft zu Krieg, Waffen und Nachrüstung ganz oben im Parteiprogramm.
Bereits im Kosovokrieg in den Neunzigern habe hier allmählich ein Umdenken eingesetzt, so Diefenbach. Und jetzt gehe es um die bare Notwendigkeit, „ein Land gegen einen Angriffskrieg zu verteidigen“.
Deutlich Position zu beziehen, aber Deutschland nicht in den Krieg mit hineinziehen zu lassen, ist auch Rüdiger Holschuh (SPD) wichtig. Bisher habe die deutsche Regierung „klug gehandelt“, befand er und benannte die veränderte Situation.
„Wir stehen vor einer Zeitenwende. Was noch im Herbst galt, gilt nicht mehr.“ Alle Parteien hätten sich in ihrer Haltung neu aufstellen müssen.
Konkret bei Sandra Funken (CDU) fragte Carsten Stein nach, wie es mit der christlichen Position des Pazifismus aussehe – in Hinblick auf das „C“ im Namen der Partei.
Dieser Krieg habe keine zwei Akteure, so Funken, „Putin hat angegriffen“, die Ukraine müsse sich schließlich verteidigen, wenn sie überleben wolle. Niemand wisse zudem, ob der russische Präsident mit seinem aggressiven Verhalten aufhöre, wenn er irgendwann die Ukraine eingenommen hätte.
Dieser Haltung stimmte auch Moritz Promny (FDP) zu: Durch Pazifismus könnten Ungerechtigkeit und Barbarei manifestiert werden – dann nämlich, wenn ein rücksichtsloser Aggressor ungehindert agieren könne und so letztlich den Sieg davontrage.
In der Wirtschaftspolitik habe der Westen den Fehler begangen, nicht mit der Mitte der russischen Gesellschaft Handel zu betreiben, sondern „mit Oligarchen und dem Präsidenten“, diagnostizierte Promny. Der Grundsatz „Wandel durch Handel“ gelte, und vorausschauend solle man hierbei auch an Länder wie Indien und China denken.
„Seit einigen Jahren gibt es eine andere Art der Politik“, sagte Promny weiter: Umfragen und Mehrheitsmeinungen in den Blick zu nehmen, sei wichtig, um die Menschen zu gewinnen und gleichsam mitzunehmen. „Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität“, meinte der FDP-Politiker.
Ab einem gewissen Punkt könne man nicht mehr nur kritisieren, sondern müsse handeln, betonte Frank Diefenbach. Und die unmittelbare Betroffenheit mache eben viel aus im Hinblick auf das eigene Handeln, in diesem Fall auch der deutschen Regierung, die etwa durch Waffenlieferungen die Ukraine im Kampf gegen Russland unterstützt.
Was die Auswirkungen innerhalb Deutschlands anbetrifft, so werde es eine der wichtigsten Aufgaben der Politik in den kommenden Monaten sein, die Gesellschaft zusammenzuhalten, wenn etwa eine Energiekrise fĂĽr zunehmende Spannungen sorgt, vermutet RĂĽdiger Holschuh.
Dem schloss sich auch Sandra Funken an, die darauf hinwies, dass die Gesellschaft gegenwärtig zunächst durch Corona und dann durch den Krieg unter Druck stehe. Und: „Es gibt keine einfachen Antworten, sondern immer mehr und immer neue Fragen. Klar ist nur: Die Ukraine braucht Unterstützung“, so Funken.
Den Blick noch einmal buchstäblich vor die eigene Haustür richtete Dekan Carsten Stein in seinem Schlusswort, indem er verdeutlichte: „Krieg und Frieden beginnen vor Ort im Miteinander.“