Zwei Lebensform-Angebote zum selben Projekt mit 51.000 Euro Preisunterschied
Kreistochter OREG musste auf Anweisung von Ex-Landrat Dietrich Kübler auch Rechnungen für nicht beauftragte Leistungen bezahlenODENWALDKREIS. - „Mir wurde die Geschäftsführung vom damaligen Landrat und dessen Hauptabteilungsleiter faktisch aus der Hand genommen“, sagte Jürgen Walther, früherer Chef der Odenwald-Regionalgesellschaft (OREG) mbH am dritten Prozesstag vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Michelstadt als Zeuge aus.
Die Aussage untermauert den von der Staatsanwaltschaft Darmstadt vertretenen Klagevorwurf der Untreue zu Lasten des Odenwaldkreiseses, weswegen sich der frühere Landrat Dietrich Kübler (67, ÜWG) derzeit vor Gericht verantworten muss.
Von Mauscheleien ungekannten und vor allem ungeahnten Ausmaßes im Odenwälder Landratsamt unter der Führung Küblers und seines Hauptabteilungsleiters Oliver Kumpf berichtete Walther am dritten Verhandlungstag gegen den früheren Chef der Odenwälder Kreisverwaltung (siehe auch FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Lebensform-Angebote über 81.000 Euro und 132.000 Euro zum selben Projekt
Dazu zählten unter anderem auch zwei unterschiedliche Angebote der Erbacher Agentur Lebensform GmbH, die diese der Kreistochter OREG und parallel dazu auch der von Kübler geführten Kreisverwaltung vorgelegt haben soll.
Während sich das Lebensform-Angebot an die OREG auf das geforderte Leistungsspektrum bezog und auf 81.000 Euro belief, sei von der Lebensform-Agentur zum gleichen Projekt ein zweites Angebot mit umfangreicheren Leistungen zum deutlich höheren Preis von 132.000 Euro der Odenwälder Kreisverwaltung zugeleitet worden.
Odenwaldkreis bestellte Leistungen, die die OREG bezahlen musste
Die dem weitergehenden Angebot an den Odenwaldkreis zugrunde liegenden Leistungen seien dann ohne Kenntnis und Beauftragung der OREG wohl auch erbracht und die entsprechenden Rechnungen der Verwaltung des Odenwaldkreises eingereicht worden, obwohl mit den administrativen Aufgaben alleine die OREG betraut gewesen sei, berichtete der frühere OREG-Geschäftsführer.
Bezahlen musste jedoch die OREG auch die nicht von ihr beauftragten Leistungen. Das habe Ex-Landrat und OREG-Aufsichtsratsvorsitzender Kübler vom damaligen OREG Geschäftsführer Walther verlangt und ihm im Weigerungsfalle gar mit Repressalien gedroht.
Als Jürgen Walther die mangelnde OREG-Beauftragung für die entsprechende Leistungen und den unzulässigen Rechnungsausgleich der Forderung an einen anderen Adressaten moniert habe, sei ihm vom Hauptabteilungsleiter im Landratsamt gesagt worden, man könne die Rechnungen ja entsorgen und mit neuem Adressaten OREG ausstellen lassen. Diesem Ansinnen habe er sich jedoch widersetzt, sagte Walther.
Nur 25.730 Euro Fördergelder durch WI-Bank ausgezahlt
Zuvor hatte auch der Sachbearbeiter der Wirtschafts- und Infrastrukturbank (WI-Bank) Hessen, Winfried Pfannkuche, verdeutlicht, dass gleich mehrere Vergabeverstöße vorgelegen hätten, weshalb die Bank von den zuvor gewährten EU-Fördermitteln in der Gesamthöhe von 137.900 Euro insgesamt nur 25.730,70 Euro in zwei Tranchen ausgezahlt habe.
Für die später eingeforderten weiteren Fördergelder von 89.861,79 Euro habe die WI-Bank in Abstimmung mit der hauseigenen Rechtsabteilung, dem Hessischen Wirtschaftsministerium und der Darmstädter Staatsanwaltschaft wegen mehrerer schwerer Vergabeverstöße, von denen jeder einzelne zur Zahlungsverweigerung geführt hätte, die Auszahlung verweigert und per 9.06.2015 einen entsprechenden Teilwiderruf des ursprünglichen Förderbescheids erlassen.
Ex-Landrat korrespondierte für die OREG ohne deren Wissen
Der aus Kassel angereiste Banker und der zuvor vom Rechtsamt des Odenwaldkreises gehörte Zeuge Bernhard Hering offenbarten unisono auch eine weitere Kuriosität. So hatte Ex-Landrat Kübler per 2. Januar 2012 die WI-Bank im Namen der OREG, ohne das Wissen, geschweige des Einverständnisses deren Geschäftsführung, um Auskunft ersucht.
Der frühere Landrat wollte damals wissen, ob die Auftragsvergabe nach den offiziellen Richtlinien der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) oder der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erfolgen könne. Im Falle der möglichen VOF-Richtlinien nämlich hätten durch die von ihm favorisierte Agentur Lebensform die im ursprünglichen Angebot fehlenden Preisangaben nachgereicht werden können, glaubten Kübler und sein Hauptabteilungsleiter.
Erbacher Bürgermeister Buschmann und Stadtbaumeister La Meir wollten Kübler helfen
Dieses Vorgehen entsprach auch einem Tipp aus der Erbacher Stadtverwaltung von Bürgermeister Harald Buschmann und dessen Stadtbaumeister Martin La Meir, die dem damaligen Landrat Kübler zur Seite gesprungen waren und damit einer widerrechtlichen Auftragsvergabe an die Erbacher Agentur Lebensform zur Rechtssicherheit verhelfen wollten.
Die WI-Bank gab sich in ihrer damaligen Antwort vom 16.01.2012 jedoch „auf Weisung der Hausleitung“ bedeckt, wie Pfannkuche sagte, und machte keine Aussagen zum Vergabeverfahren. „Diese ergeben sich aus dem jeweiligen Förderbescheid.“
Ungeachtet dessen seien fehlende Angebotspreise wie im vorliegenden Fall durch keine der beiden Vergaberichtlinien nachträglich zu heilen, und der Bieter entsprechend auszuschließen. Das hatte die WI-Bank schon beim Teilwiderruf ihres ursprünglichen Förderbescheids klar mitgeteilt.
Auch die frühere Bereichsleiterin Wirtschaftsförderung bei der OREG, Gabriele Quanz, hatte bereits am ersten Verhandlungstag gegen Dietrich Kübler davon berichtet, dass sie sich „ab einem bestimmten Zeitpunkt jede Korrespondenz mit Bietern im Landratsamt abzeichnen lassen“ musste (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/odenwaldkreis/details/?tx_ttnews).
Hauptabteilungsleiter Kumpf telefonierte mit Zeugen
Später hatte der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Kübler verfügt, dass Quanz von ihrem Bereichsleiterposten abberufen und degradiert werden musste, weil sie sich bei der Abstimmung über die Auftragsvergabe nicht für die Lieblingsagentur Küblers entschieden habe. Gabriele Quanz hat seither einen monatlichen Einkommensverlust von 400 Euro hinzunehmen.
Einen interessanten Aspekt sprach der Vorsitzende Richter Helmut Schmied auch an, als er einem Zeugen, dem Kreisausschussmitglied Michael Gänssle, auf dessen Einlasssung, er habe es vermieden mit anderen Kreisausschussmitgliedern über die Angelegenheit zu sprechen, vorhielt: „Sie haben aber mit Oliver Kumpf telefoniert.“ Der Zeuge hatte ein in der vergangenen Woche geführtes Telefonat mit dem Hauptabteilungsleiter zuvor selbst eingeräumt.