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Vielleicht waren es Traufenkinder

Zu Boden geht der Blick naturgemĂ€ĂŸ in diesen Tagen in der LĂŒtzel-Wiebelsbacher Kirche, wo Skelettfunde Aufschluss ĂŒber die Geschichte geben (von links: ArchĂ€ologin Silke Hesemann, Thomas Becker vom Landesamt fĂŒr Denkmalpflege Hessen, Nicole Braunwarth von der Bauabteilung der Landeskirche und Dekan Carsten Stein). Foto: Bernhard Bergmann

LÜTZEL-WIEBELSBACH. - Die Bauarbeiter haben vorĂŒbergehend das Werkzeug beiseitegelegt. Stattdessen sind andere Fachleute gekommen, die Pinsel und besonders feine Instrumente in den HĂ€nden haben.

Und wo vorher schaufelweise die Erde aus dem Boden der evangelischen Kirche in LĂŒtzel-Wiebelsbach entfernt wurde, geschieht dies nun allenfalls noch in Löffelportionen.

Grund: Bei den Arbeiten fĂŒr eine neue Heizung und einen anderen Boden in dem Gotteshaus (wie berichtet) fanden sich nun Skelette – zunĂ€chst nur einige wenige, mittlerweile jedoch sind es schon knapp 30, und es ist anzunehmen, dass noch weitere dazukommen: Schließlich ist fĂŒr die nachfolgenden Bauarbeiten eine gewisse Aushub-Tiefe erforderlich.

Die Anzahl lĂ€sst darauf schließen, dass es keine Adligen oder Geistlichen sind, die hier einst an vermeintlich prominenter Stelle bestattet worden sind, sondern dass höchstwahrscheinlich schlichtweg der VorgĂ€ngerbau, von dem auch etliche Relikte wie Grundmauern und der Fuß eines Ă€lteren Altares zum Vorschein gekommen sind, kleiner war als die heutige Kirche und somit der inzwischen ĂŒberbaute Bereich frĂŒher zum AußengelĂ€nde gehörte.

Und das war eben Friedhof, wie es auch bei der heutigen Kirche der Fall ist. Wobei die NĂ€he zum Gotteshaus dann doch auch wieder eine Rolle gespielt haben könnte, wie ArchĂ€ologe Thomas Becker vom Landesamt fĂŒr Denkmalpflege Hessen nun bei einem Ortstermin erlĂ€uterte.

Oft nĂ€mlich wurden Kinder frĂŒher nahe der Kirche beigesetzt, damit auf ihre GrĂ€ber das Wasser vom Kirchendach fĂ€llt und sie so – welch bemerkenswerter Glaube – gleichsam etwas zusĂ€tzlichen Segen bekommen. Man nannte sie „Traufenkinder“. In der Tat seien einige der Skelette klein, wenngleich nicht alle, so Becker.

Ist alles vorsichtig freigelegt, werden die Funde dokumentiert und schließlich interpretiert werden. Wie und wo die Skelette anschließend dann wieder bestattet werden, ist noch offen.

Zu dem Ortstermin waren auch Dekan Carsten Stein, Nicole Braunwarth von der Bauabteilung der Landeskirche sowie Mitglieder von Vorstand und Bauausschuss der Kirchengemeinde gekommen, um zu erfahren, womit die ArchÀologen von AAB-ArchÀologie (Berlin) unter Leitung von Silke Hesemann und Joachim Juraszek derzeit beschÀftigt sind.

Sie berichteten auch, dass außer den Skeletten und den erwĂ€hnten Überresten vom VorgĂ€ngerbau noch weitere interessante Befunde zutage traten: Drei MĂŒnzen aus dem vierzehnten Jahrhundert wurden ebenso gefunden wie eine Anzahl von Keramikscherben, die allerdings nicht allzu alt sein dĂŒrften.

Außerdem weisen Verkohlungsspuren im Innenfundamentbereich an der Nordseite der Kirche auf einen Brand hin. Ob dieser von einem Blitzeinschlag mit nachfolgendem Brand im Jahr 1860 herrĂŒhrt, ist nicht sicher, indessen gut denkbar.

An der LĂŒtzel-Wiebelsbacher Kirche entsteht, wie berichtet, ein Anbau, und im Zuge der Arbeiten wird auch im Inneren des Gotteshauses einiges getan.

Zu dem geplanten finanziellen Aufwand hierfĂŒr kommen nun die Kosten, welche durch die Verzögerung und die archĂ€ologischen Arbeiten entstehen.

Die Evangelische Bergkirchengemeinde LĂŒtzelbach bangt nun deswegen um den gesamten Finanzierungsplan, wie Dekan Carsten Stein – bis vor einigen Monaten Ortspfarrer hier und dem Bauprojekt weiterhin eng verbunden – erlĂ€uterte.

Thomas Becker sagte dabei UnterstĂŒtzung zu, dennoch hoffen Stein und der Kirchenvorstand auf Spenden, die dabei helfen, alles wie geplant zu vollenden.

Wer hierzu einen Beitrag leisten möchte, kann dies mit einer Spende auf folgendes Konto tun: Evangelische Regionalverwaltung Starkenburg-Ost, IBAN: DE46 5085 0150 0002 0078 00 bei der Sparkasse Darmstadt, BIC: HELADEF1DAS; Verwendungszweck: RechtstrÀger 1480, Abrechnungsobjekt 811001.