Drei Erbacher Bürgermeisterkandidaten, die sich deutlich unterscheiden
Herausforderer Dr. Peter Traub will aus einem bisher fehlenden und dringend nötigen Stadtentwicklungskonzept Einzelmaßnahmen ableiten und eine attraktive Familienstadt entwickeln, Amtsinhaber Harald Buschmann sich am liebsten wieder zur Wiesenmarkteröffnung auf dem Marktplatz in eine weitere Amtszeit einführen lassen, und Andreas Wagner zum zentralen Volksfest des Odenwaldes ein Lied schreibenERBACH. - Eine Podiumsdiskussion mit den drei Bewerbern um das Bürgermeisteramt in der Odenwälder Kreisstadt Erbach für die Zeit von 2018 bis 2024 ließ zwar viele Fragen unbeantwortet, zeichnete unter den rund 650 Besuchern am Dienstagabend in der Werner-Borchers-Halle dennoch ein klares Stimmungsbild der aktuellen Situation in Erbach und deren unterschiedlichen Einschätzungen durch die Kandidaten.
Dabei oblag es vorwiegend den beiden Herausforderern des seit fast 18 Jahren amtierenden Rathauschefs, den unabhängigen Kandidaten Dr. Peter Traub und Andreas Wagner, konstruktive Beiträge zur Fortentwicklung der Odenwälder Kreisstadt Erbach zu unterbreiten.
„Man muss ein Ziel haben, sonst gibt es gar keinen Weg!“
Dieser Aufgabe kam vor allem der von SPD und ÜWG unterstütze Kandidat Dr. Traub („Ich mache mir Sorgen um die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Stadt“) nach, und mahnte vor allem ein dringend notwendiges Stadtentwicklungskonzept an.
„Wir müssen gemeinsam mit den Bürgern das Haus vom Fundament her bauen, und dazu zunächst einmal das Ziel der Stadt fixieren, eine Vision entwickeln. Man muss ein Ziel haben, sonst gibt es gar keinen Weg!“, befand Traub.
Andreas Wagner beschränkte sich auf kleinere Einzelmaßnahmen („Für Visionen und große Ideen ist Erbach dann doch wieder zu klein“), und Amtsinhaber Harald Buschmann sieht sich mit dem bisher Geleisteten im Soll. Und das obwohl er gerade in jüngster Zeit im Fokus heftiger Kritik stand.
Wirren um Marktplatz und Unzulänglichkeiten um Vergabe von Marketingaufträgen
Neben den Wirren rund um die Sanierung und Erneuerung des Erbacher Marktplatzes waren es aktuell vor allem die Unzulänglichkeiten rund um die Vergabe von städtischen Marketingaufträgen an die Firma Lebensform GmbH, der Wahlkampfagentur Buschmanns, bei der Aufträge und angeblich auch Angebote zurückdatiert und mit falschen Eingangsstempeln versehen worden waren.
Insbesondere die Akquiseaktivitäten des Bürgermeisters für die Agentur gemeinsam mit deren Inhaber Johannes Kessel und dem Ex-Landrat, die anlässlich des Strafprozesses gegen Dietrich Kübler vor dem Amtsgericht Michelstadt zum Jahresende 2017 noch einmal überdeutlich durch Zeugen skizziert worden waren, rückten diese Dinge aktuell noch einmal deutlich ins Blickfeld.
„Marktplatz als zentraler Platz des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im Odenwald“
Die finale Marktplatzgestaltung will Peter Traub ausschließlich am Ziel orientieren, ihn zum „zentralen Platz des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im Odenwald“ zu erheben, und nicht in unzähligen Einzelschritten ohne Gesamtkonzept ziel- und orientierungslos drauflos zu werkeln.
Harald Buschmann hingegen sieht den Marktplatz bereits als „zukunftsfest“ und eine zentrale Stelle, an der man „alles machen“ könne. Andreas Wagner kommentierte das Geschehen rund um und mit dem Marktplatz kurz und trocken so: „Der Marktplatz war vorher gut, ist auch jetzt schön, und eine Million ist weg.“
Nahezu ausschließlich die Wahlkampfagentur des Bürgermeisters beauftragt
Viel Geld wurde auch investiert in Marketingmaßnahmen der Stadt Erbach. Analog der rechtswidrigen Vorgehensweise beim Standortmarketing des Odenwaldkreises wurde dazu nahezu ausschließlich die Agentur beauftragt, die von Anbeginn der Bürgermeistertätigkeit Buschmanns somit exklusiv, ohne Ausschreibung und damit ohne Wettbewerb frei kalkulierbare Dienstleistungen erbringen konnte.
Von Moderator Gerhard Grünewald dazu befragt, befand Peter Traub ein solches Vorgehen „moralisch nicht ok“, wenn ein Amtsinhaber eine für ihn im Wahlkampf tätige Agentur diese nach Amtsantritt quasi exklusiv mit öffentlichen Aufträgen versorgt.
Andreas Wagner sah in der Beauftragung der Wahlkampfagentur Buschmanns nichts grundlegend Falsches, äußerte aber auch Verwunderung darüber, dass ausschließlich diese Agentur zum städtischen Exklusivwerbepartner auserkoren wurde. Unter Beteiligung mindestens einer zweiten Agentur hätte man das „Risiko streuen“ können.
Presseagentur und Internetmagazin als Verantwortliche ausgemacht
Harald Buschmann wies die Kritik einmal mehr zurück und sieht darin analog des früheren Landrats Kübler im Jahr 2014 eine „Kampagne“, die dem Wahlkampf geschuldet sei. „Ich habe immer redlich und korrekt gehandelt, und alle Unterlagen dem Landrat zur Überprüfung vorgelegt“, rechtfertigte sich der Bürgermeister.
Ansonsten gehe er recht offensiv mit der Angelegenheit um und „lege die Karten auf den Tisch“. Gleiches gelte auch für einen Unterschlagungsfall im Rathaus, den er „zum Schutz des Betroffenen und dessen Familie“ zunächst nicht öffentlich gemacht, nach einer Presseanfrage jedoch ebenfalls komplett offengelegt habe.
Einer entsprechenden Moderatorenfrage, ob denn angesichts dieses Falles „im Rathaus noch alles im Lot“ sei, erklärte Harald Buschmann, eine Presseagentur und „ein dubioses Internetmagazin“ verantwortlich für das Negativimage, das daraus entstanden sei.
Leere Räume in der Werner-Borchers-Halle ungeignet für ein neues zeitgemäßes Hotel
Einig war sich der amtierende Kreisstadtbürgermeister mit seinen beiden Herausforderern in der Beurteilung, dass der Standort des früheren Elfenbeinmuseums in der Werner-Borchers-Halle für ein neues zeitgemäßes Hotel ungeeignet sei. Auch generell sei der Standort Erbach für größere Hotelketten aktuell kaum für Investitionen geeignet.
Auch in diesem Punkt verwies Peter Traub einmal mehr auf das erforderliche Stadtentwicklungskonzept über das die Kleinstadt Erbach mittelfristig Investoren und Betreiber für einen attraktiven und zeitgemäßen Hotelkomplex gewinnen könnte.
Die Verwendung der leeren Räumlichkeiten in der Borchers-Halle könnte hingegen von den zu erarbeitenden Zielvorstellungen abgeleitet werden und ebenfalls in Einzelmaßnahmen im Sinne des Beispiels einer attraktiven Familienstadt münden.
Harald Buschmann sieht für diesen Bereich ein gemeinsames Projekt mit der Nachbarstadt Michelstadt ebenso möglich, wie er für die Unterbringung der viel genutzten städtischen Bücherei in diesem Areal warb.
Auch bei der Feier deutlich unterschiedliche Vorstellungen
Der finalen Frage Gerhard Grünewalds, vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt erfolgenden Amtseinführung des neuen Bürgermeisters, wie die Kandidaten den Wiesenmarkt 2018 feiern wollen, folgten ebenso individuelle Antworten wie zuvor bei der jeweiligen Standortbestimmung und der deutlich unterschiedlichen Herangehensweise an Problemlösungen.
So verkündete Dr. Traub, er werde unabhängig vom Wahlausgang „in jedem Falle den Wiesenmarkt geniesen“ und würde sich freuen, wenn er als künftiger Bürgermeister „das erste Fass Bier anstechen dürfte“.
Harald Buchmann würde sich am liebsten wieder zur Markteröffnung auf dem Marktplatz in eine weitere Amtszeit einführen lassen, und Andreas Wagner würde „ein Lied über den Wiesenmarkt schreiben“.
INFO zu den Bewerbern
Dr. Peter Traub ist FDP-Mitglied und tritt als unabhängiger Kandidat an. Er wird unterstützt von den Fraktionen der SPD und ÜWG im Erbacher Stadtparlament. Andreas Wagner ist AfD Mitglied und tritt ebenfalls als unabhängiger Kandidat an. Amtsinhaber Harald Buschmann ist CDU-Mitglied und Kreisvorsitzender der Odenwälder Christdemokraten und ist Kandidat des CDU-Ortsverbands Erbach.