Kommentar: Affäre Standortmarketing - Soll der Odenwälder Ex-Landrat Dietrich Kübler alleine seinen Kopf hinhalten?
ODENWALDKREIS. - Wie eng haben sie hinter und neben ihm gestanden, wie oft haben sie ihm ihre Treue signalisiert, wie oft konnten sie gar nicht deutlich und laut genug vom „lieben Dietrich“ sprechen und davon, dass zwischen sie kein Blatt Papier passe? Seine Handlungen haben sie gutgeheißen, haben mit ihm Politik gemacht und sind nach Berichten Beteiligter mit ihm auf dubiose Werbetouren für eine Werbeagentur gegangen.
Sie haben Veranstaltungen mit ihm durchgeführt und haben gelegentlich mit ihm gelogen. Das Odenwälder Kreisparlament wurde nachweislich belogen, die Odenwälder Bevölkerung mit falschen Behauptungen hinter die alten Odenwälder Fichten geführt. Sie haben ihre Parteien von Landrat-Kritikern gesäubert, bis nur noch Duckmäuser und Mitläufer übriggeblieben waren.
Die Rede ist von bestimmten Kreispolitikern der CDU und ÜWG, und dem Bürgermeister der Kreisstadt Erbach sowie anderen Bürgermeistern Odenwälder Gemeinden.
Ihre wahren Gesichter und ihre Gesinnung zeigten sie dann erstmals im vergangenen Jahr, als sich am Wahlabend der Landratswahl im Kreis abzeichnete, dass der „liebe Dietrich“ vom Wahlvolk wohl aus dem Amt gewählt werden würde.
Noch vor der Verkündung des vorläufigen amtlichen Wahlergebnisses verließen der ÜWG- und der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag den Versammlungsraum, warfen ihre Mäntel über die Arme und ließen den „lieben Dietrich“ allein im virtuellen Regen stehen, sichtlich konsterniert und isoliert durfte er dann gefühlt fast allein das Wahlergebnis entgegennehmen. Die Entourage hatte sich abgesetzt, der Mohr seine Schuldigkeit getan.
Gewiss, das jetzt eingeleitete Gerichtsverfahren wegen Untreueverdachts gegen den früheren Landrat ist die logische Folge seiner Handlungen und basiert auf zunächst bestrittenen Pressemeldungen. Schon mit den ersten Dementis im Kreistag belogen mehrere führende ÜWG-Politiker ihre Parlamentskollegen und die Öffentlichkeit.
Den Kopf muss nun zunächst nur einer hinhalten, der frühere Landrat. Seine Berater und Mitstreiter, seine Einflüsterer und politischen Weggefährten und Kumpane aus CDU und ÜWG waschen ihre schmutzigen Hände in Unschuld. Am Pranger steht ja der, der auf ihren Rat gehört und ihre Politik umgesetzt hat. Und sich auf ihre Loyalität verlassen hat.
Die CDU wird jetzt im Kreis von einer vollends naiven SPD unterstützt und setzt ihre taktische, ausschließlich auf eigene Interessen ausgerichtete Politik weiter durch, selbst als Juniorpartner, auch nicht behindert durch einen neuen SPD-Landrat, der augenscheinlich überhaupt keine eigenen Ambitionen mit ins Amt gebracht hat.
Da hilft es natürlich, dass sich die CDU rechtzeitig der letzten eigenständigen Denker entledigt hat oder diese von sich aus das Handtuch geworfen hatten. Jetzt kann sie in Ruhe die Kreistöchter OREG und Tourismus GmbH nach egoistischen Vorstellungen umkrempeln und die VHS der Kreisverwaltung unterstellen.
Ziel ist offenbar, keine souverän denkenden Geschäftsführer mehr dulden zu müssen, die nach entsprechend dem GmbH-Gesetz und Sachverhalten urteilen müssen und nicht parteipolitisch fragwürdigen Zielen hinterherlaufen.
Die SPD als Korrektiv fällt hier völlig aus, ihre desaströse Kreispolitik wurde bereits deutlich, als sie der CDU vier statt zwei Kreisausschusssitze überließ, um ihrerseits den Posten der Hauptamtlichen Ersten Kreisbeigeordneten zu erhalten. So schmutzig kann Politik auch in der Provinz sein.
Den durch die Affäre Standortmarketing angerichteten Schaden beziffert die Darmstädter Staatsanwaltschaft auf knapp 100.000 Euro, der Betrag bezieht sich allerdings nur auf die direkten Schäden durch unberechtigte eigene Zahlungen und behördliche Zurückhaltungen von Beträgen für das geplante und versiebte Standortmarketing.
Der Flurschaden hingegen ist weitaus größer, es gab bereits Gerichtsverfahren, Anwaltskosten, Schadensregulierungen wegen des Landrats Handlungen, Gutachten und Gegengutachten, alles als Folge der illegalen Handlungen vom Landrat und seiner Komplizen zugunsten einer Werbeagentur.
Leider wurde der Bürger durch die lokale Presse nicht auf diese brisanten Hintergründe aufmerksam gemacht. Seit Jahren hatte das Lokalblatt alle Vorkommnisse in Zusammenhang mit dieser Affäre verharmlost oder ganz verschwiegen, erst nach der offiziellen Verweigerung eines Großteils der Fördergelder und den neuerlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wagte man deutlichere Sätze, er bedurfte dazu eines deutlichen Kommentars des Chefredakteurs am Stammsitz.
Den Vogel schoss allerdings eine bayerische Tageszeitung mit kleiner Verbreitung im östlichen Odenwaldkreis ab. Nachdem man zunächst aus wirtschaftlichen Gründen ebenfalls verharmlost und verschwiegen hatte, spielte man sich, als man nichts mehr verlieren konnte, als wahres investigatives Medium auf, das angeblich die Affäre mit aufzudecken geholfen hätte. Das Gegenteil war der Fall.
Wer kommt nun für den riesigen Restschaden auf? Des Kreises und der Töchter OREG und OTG, dessen Höhe zwischen 250.000 und mindestens 300.000 Euro geschätzt wird? Die derzeit aktiven Politiker kennen die Lösung: Der Steuerzahler.
Und dieser wird wohl weiter zahlen müssen, nämlich für weiterhin freihändig vergebene Aufträge ohne Ausschreibungen und Alternativofferten durch den schon bisher auffällig gewordenen Personenkreis.
Der Odenwaldkreis klammert sich indes an eine vage Hoffnung. Er geht in einer Stellungnahme auf eine Anfrage davon aus, dass ein angestrengtes Verwaltungsgerichtsverfahren um die Fördermittel gegen die WI-Bank gewonnen werde.
Dementsprechend sei ein Schaden derzeit noch nicht bezifferbar bzw. sei es noch nicht klar, ob ein Schaden entstanden sei. Dennoch stehe der Kreis vorsorglich zu einer eventuellen Schadensübernahme in Kontakt mit der Versicherung.
Diese möchte aber ebenfalls die Ergebnisse der noch laufenden Verfahren abwarten, so das Landratsamt. Deutlicher kann man nicht beschreiben, dass man gar keinen Plan hat und sich mit Tagträumen durch die Arbeitszeit wurstelt.
Eine solche Verwaltung hat der Odenwälder nicht verdient, der letztendlich die vielen hunderttausende an Euro Schaden mit seinen Steuern zu begleichen hat. Denn eine Versicherung, die mutwillig angerichtet Schaden begleicht, muss erst noch gegründet werden.